piwik no script img

Ungesehenes Potenzial

Die Wasserballerinnen von Waspo Hannover zählen zur nationalen Spitze. Doch im Schatten ihrer männlichen Kollegen mangelt es ihnen sowohl an Unterstützung als auch an ZuschauerInnen

Von Christian Otto

Die Tore von Carmen Gelse sorgen mit dafür, dass die Wasserballerinnen von Waspo Hannover zur nationalen Spitze zählen. Trotzdem fällt der Lorbeer für das, was Gelse und ihre Teamkolleginnen vollbringen, überschaubar aus. „Man fühlt sich oft stiefmütterlich behandelt“, sagt die routinierte Verteidigerin. Aus dem Männerteam von Waspo wird derzeit mit Hilfe von viel Geld und Verstärkung aus ganz Europa etwas Großes gemacht. Das lockt Medien, Zuschauer und neue gute Spieler an. Doch zugleich wird der Schatten, der auf die Leistungen der Wasserballerinnen fällt, immer größer.

Der Mann, der Hannovers Wasserball in die Schlagzeilen bringt, kennt das Dilemma: „Unsere Frauen sind durch gute Arbeit nach oben gekommen. Aber sie sind ein ganz normaler Bestandteil des Sportvereins und betreiben ambitionierten Breitensport“, erklärt Karsten Seehafer. Als Trainer, Funktionär und Hauptsponsor hat er Waspos Männerteam so viel Auftrieb beschert, dass es im Sommer 2018 sogar zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft gereicht hat.

Dem Frauenteam fehlt es dagegen an Helfern, Gönnern und Zuschauern. Macht das neidisch? „Jede Werbung für unseren Sport ist gut und wichtig“, sagt Waspo-Spielerin Gelse. „Der Erfolg der Männer freut mich. Er wäre auch bei uns möglich. Aber unser Sport findet nur aus der eigenen Tasche statt.“

Das Aufmerksamkeits- und Unterstützungsgefälle zwischen Männer- und Frauensport lässt sich in nahezu allen Sportarten finden. Beim Wasserball ist die Diskrepanz zwischen Beachtung und Vernachlässigung jedoch extrem groß. Das Frauenteam von Trainer Marci Sagi muss sogar verbissen um genügend Übungszeit im Schwimmbad kämpfen. Die Bundesliga gibt mit gerade einmal sieben Teams ein merkwürdiges Bild ab und lockt eine überschaubare Anzahl an Zuschauern an. Den Modus, nach dem um den Titel gekämpft wird, verstehen eigentlich nur Insider. Man muss im Geiste die Badehaube vor jeder ziehen, die bei solchen Rahmenbedingungen mit extrem hohen Aufwand Spitzensport zum Nulltarif betreibt.

Zu wenig Geld von der Sporthilfe, schlechte Vereinbarkeit von Sport und Beruf: Die Liste der Nachteile ist so lang, dass Gelse schon überlegt hat, aus diesem düsteren Stoff ein Buch entstehen zu lassen. Hauptberuflich ist sie Kommissarin bei der Landespolizei und war damit lange Zeit noch privilegiert. Ihr Arbeitgeber nimmt viel Rücksicht und hat Gelse stark gefördert, als sie noch Nationalspielerin war. Aktuell ist Gelse aber „nur“ noch Bundesligaspielerin, voll im Job und absolviert eine 40-Stunden-Woche im Schichtdienst.

Das kann zu folgendem Kraftakt an einem Samstag führen: 16 Uhr: Anpfiff im Stadionbad zum Bundesligaspiel. 18 Uhr: Dienstantritt zur Nachtschicht im Streifendienst. Es gibt Kollegen bei der Polizei, die mit Gelse Wochenenddienste tauschen, damit sie ein wenig entspannter auf Punktejagd gehen kann. Über solch eine Form von sozialem Sponsoring kann das mit Profis gespickte Waspo-Männerteam vermutlich nur staunen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen