: Wer dich lobt, den willst du nicht verärgern
Wie Pressesprecher versuchen, Journalisten einzuseifen, und was diese dagegen tun können
Von Kaija Kutter
Wer bei Wikipedia „Unter drei“ eingibt, bekommt die Regeln der Informationsweitergabe zwischen Journalisten und Institutionen erklärt. „Unter eins“ Informationen können eins zu eins so weitergegeben werden, also: Minister XY sagt das und das. „Unter zwei“ Informationen können nur ohne die ursprüngliche Quelle angegeben werden. Also „nach taz-Information“ oder „wie aus Rathauskreisen verlautet“ könnte man schreiben. „Unter drei“ Informationen dürfen gar nicht weitergegeben werden, sondern nur als Anlass für eigene Recherche genommen werden.
Das kann ganz hilfreich sein. Es kann aber auch eine Recherche stoppen. Mir ist es zum Beispiel passiert, dass ich mit Hintergrundinformationen gefüttert wurde, als ich über die Zustände in Jugendheimen berichten wollte. Eine Mutter, die ich selbst nicht kannte, hatte sich über die Umstände, unter denen ihre Tochter dort untergebracht war, beschwert.
Bei der Gegenrecherche wurde ich zu einer Abteilungsleitung durchgestellt. Ohne dass ich danach fragte, wurde mir gesagt, es handle sich bei der Frau um eine hochmanipulative Person. Und es würde dem Kind schaden, wenn wir berichten und damit die Unterbringung gefährden.
Sehr viel später lernte ich die so Beschriebene kennen. Vielleicht fehlte mir der nötige Röntgenblick, aber ich fand sie gar nicht manipulativ. Zudem stellte ich fest, dass sie nicht die einzige renitente Mutter ist, der in Behördenkreisen so eine Diagnose anhaftet. Und auch von ehemaligen Heimkindern, die sich beschwerten, oder Mitarbeitern, die dies taten, hieß es hintenrum, die seien ja auch besonders schwierig.
Ich habe trotzdem über diese Fälle berichtet. Ich fand es verantwortbar. Es kann nicht sein, dass Angehörige von Heimkindern von ihrem Bürgerrecht, sich an die Presse zu wenden, ausgeschlossen werden.
Wir Journalisten sind die vierte Gewalt im Staat und sollen den Mächtigen auf die Finger gucken, so dachte ich. Wer die „Mächtigen“ sind, das ändert sich je nach Konstellation. Auch Eltern, die ihr Kind schlecht behandeln, können die Mächtigen sein. Oder die Behörden, die Kind und Eltern trennen und dabei rabiat vorgehen.
Journalisten brauchen einen eigenen Kompass dafür, eine eigne Einschätzung, was richtig und falsch ist. Wir müssen unser Verhältnis zur Macht stetig reflektieren. Wenn ich oft mit Politikern auf Feiern und Empfängen Zeit verbringe, muss ich ja mit ihnen über etwas reden. Und es liegt in der Natur der Menschen, dass sie sich lieber gegenseitig zustimmen und Einvernehmen untereinander herstellen.
Wir müssen natürlich auch unsere eigne Macht reflektieren. Und auch eine zu große Nähe zu „Betroffenen“ kann problematisch sein. Doch die Gefahr besteht weniger. Die Schichtenfrage spielt hier eine Rolle. Meiner Wahrnehmung nach neigen wir Journalisten dazu, defizitäre Zuschreibungen aller Art über bildungsmäßig eher unterlegene Bevölkerungsgruppen relativ ungeprüft zu verbreiten. Schließlich gehören wir auch zur eher gebildeten Mittelschicht, ebenso wie Lehrer, Politiker, Richter und Sozialarbeiter.
Eine wunderbare Hilfe für Distanz ist in unserer schönen Sprache ist außerdem das „Sie“. Ich liebe das „Sie“. Ich trenne mich nur sehr ungern davon. Erst wenn ich das „Du“ angeboten bekomme, lasse ich mich manchmal drauf ein.
Pressesprecher von Behörden habe ich mit einer Ausnahme noch nie geduzt. Für den täglichen Nahkampf im Austausch von Informationen ist das „Sie“ unverzichtbar.
Es gibt Pressesprecher, die sind so unglaublich gut, dass es sich wie „Du“ anfühlt. Die sich von der menschlichen Seite zeigen, dir das Gefühl geben, dein Freund zu sein, in dir den Wunsch wecken, ihr Freund zu sein, mit ihm permanent auf Party zu sein.
Eine ihrer sanften Waffen ist das Lob. Und sei es, dass sie deine kritischen Fragen loben. Hier heißt es: Wachs in die Ohren und „La, la, la“ singen. Aber die Beziehungsebene ist eben schon verändert, in dem Augenblick,in dem der Pressesprecher dich lobt. Wer dicht lobt, den willst du nicht verärgern.
Gute Pressesprecher verstehen es auch, möglichst viele Informationen „Unter zwei“ oder „Unter drei“ zu platzieren. Wenn sich beim Querlesen der Zeitungen und Rundfunk-Onlineseiten der Dreh eines Themas auffällig gleicht, hat wieder einmal ein Pressesprecher am Vortag gute Arbeit geleistet. Wer sich im Thema auskennt, kann es für sich aus einer Art „Unter-drei-Chinesisch“ übersetzen.
Wie in der Hauptstadt Berlin, so gibt es auch in Hamburg reine Hintergrundgespräche für Journalisten. In jüngerer Zeit allerdings in meinem Beritt weniger, aber das kann auch daran liegen, dass ich nicht eingeladen bin. Es wird in der Regel ganz viel gesagt und erlaubt ist hinterher, nur bestimmte Dinge zu zitieren. Lebhaft in Erinnerung das Hintergrundgespräch eines Wohlfahrtsverbands zur Heimpolitik, das mit eine Folie begann, auf der stand: „Keine Fragen zu Heim XY stellen“. Ein kluger Kollege stand auf und ging.
Herausfordernd war auch das Hintergrundgespräch einer Behörde, wo es verboten war, Papier und Stift mitzubringen. Das war schon fast esoterisch. Das Gesagte soll ins Hirn einfließen, ohne rückwirkend als Informationen aus dieser Runde indentifizierbar zu sein.
Persönlich unangenehm wurde es für mich, als ich vor ein paar Jahren einmal selbst Opfer der Hintergrund-Informiererei wurde. In einer Sitzung eines Familienausschusses, die geschlossenen und streng geheim war, wurde behauptet, ich hätte die Flucht dreier Jungen aus einem Heim organisiert, damit ich drüber schreiben kann. Das war grober Unsinn. Doch jeder Zuhörer der Runde musste unterschreiben, dass er nichts nach Außen trägt. Und wie sich wehren gegen eine „Information“, die dir keiner erzählt haben darf? Die Mittelsperson, die es doch tat am nächsten Morgen, fürchtete Wanzen in den Wänden und hatte richtig Schiss.
Da es ging mir wie den „manipulativen“ Müttern. Wird vermeintliches Wissen in geschlossenen Räumen ausgeplaudert, macht es dich fertig.
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