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„Aufstehen“-Tweet zum RundfunkbeitragSechs, setzen!

Mit AfD-ähnlicher Sprache wettert Wagenknechts „Aufstehen“ gegen Intendantengehälter. Ihre Forderung ist nur sinnvoll, wenn man nicht rechnen kann.

Vorstellung der „Aufstehen“-Bewegung vor Pressevertretern im September 2018 Foto: dpa

„GEZ“! „Regierungsrundfunk“! Acht Milliarden dafür, „dass CDU, CSU und SPD ihre politische Linie ausstrahlen können“! Dazu ein düsteres Bild: Ein mit ARD und ZDF beschrifteter Schattenriss-Mann hält einen Anderen kopfüber und schüttelt ihm das (üppig vorhandene) Bargeld aus den Taschen.

Sahra Wagenknechts „Aufstehen“-Bewegung hat mit ihrem Anti-ARD-ZDF-GEZ-Regierungsrundfunk-Tweet aber auch gar nichts an populistischen Ressentiments ausgelassen. Implizit oder explizit arbeiten bei den Öffentlich-Rechtlichen: Geldeintreiber, Großverdiener und Propagandisten. Mindestens. Wenn nicht noch mehr.

Dazu kommt, dass das, was Aufstehen als „bessere Idee“ verkauft („Rundfunkbeitrag anheben? Bessere Idee: Einkommen der Fernseh-Intendanten senken!“) nur dann als bessere Idee durchgeht, wenn man das Fach Mathematik in der zweiten Klasse abgegeben hat – und sich stattdessen ganz dem Protestplakate-Malen im Kunstunterricht gewidmet hat.

Denn die neun Intendantinnen und Intendanten in der ARD verdienten 2017 zusammen 2,75 Millionen Euro. Rechnet man noch das Gehalt des ZDF-Intendanten, der ein Jahr zuvor rund 330.000 Euro verdiente, und des Deutschlandradio-Chefs, der ungefähr 240.000 Euro verdient haben dürfte, hinzu, ergibt sich eine Summe von 3,32 Millionen Euro. Die Gesamteinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag lagen 2017 bei 7.980 Millionen Euro.

Wenn also bei den Intendant*innen die Haarschneidemaschine und nicht die feine Schere benutzt und ihre Gehälter um 50 Prozent gekürzt würden, könnten 1,66 Millionen Euro jährlich gespart werden, oder: knapp 0,021 Prozent der Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag. Pro Beitragskonto – 2017 gab es davon 44,9 Millionen – wären das rund 4 Cent. Pro Jahr.

Ist es das wert, Aufstehen? Ist das den Populismus wert, dass man nur die Intendant*innengehälter kürzen müsste, und dann auf eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags verzichten könnte? Ist das der linke Populismus, an dem hie und da schon ein eklatanter Mangel festgestellt wurde (und zumeist kurz darauf der Wunsch nach einem solchen geäußert wurde)?

Vielleicht gibt es diesen Mangel wirklich. Vielleicht ist es das Problem der Demokrat*innen, dass man mit Worten, die aufs Hirn abzielen, gegen Populisten-Worte, die auf den Bauch abzielen, schwer ankommt. Könnte sein.

Und Kritikwürdiges gibt es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk genug – am Programm, an den Sendern, an der Finanzierung, an der ungenügenden Staatsferne, an den Prioritäten (Sportrechte), an den Pensionen, an der Behördenstruktur undundund –, und darüber sollte gerade in einem Jahr, in dem wieder über die Höhe des Rundfunkbeitrags und dessen zukünftige Berechnung gestritten wird, diskutiert werden.

Nur: Wie weit darf man bei dieser Diskussion am Hirn vorbeizielen, um noch als Demokrat und nicht als Populist durchzugehen?

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