piwik no script img

Kommentar Terror psychisch KrankerEine irre Debatte

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Nach den Angriffen in Bottrop und Essen fragen Beobachter, ob der Täter Terrorist oder psychisch krank ist. Doch es ist auch beides möglich.

Nach der Tat: An diesem Platz in Bottrop fuhr ein Mann in eine Fußgängergruppe Foto: dpa

D er Auto-Angreifer von Bottrop/Essen – ist er ein Rechtsterrorist ODER ist er psychisch krank? Diese Frage stellen sich derzeit viele Beobachterinnen und Beobachter. Doch warum enthalten solche Fragen meist dieses „ODER“? Terror, Amoklauf und psychische Probleme schließen sich nicht aus, sondern können auch zusammen vorliegen. Vermutlich ist der ­Essener Angreifer ein gutes Beispiel hierfür.

Strafrechtlich kommt es darauf an, ob ein Täter oder eine Täterin fähig war, das Unrecht seiner/ ihrer Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Diese Fähigkeit kann durch Alkohol, Drogen, aber auch psychische Krankheiten ausgeschlossen oder vermindert sein. Wer Stimmen hört, die ihm befehlen, Menschen zu töten, gehört vermutlich in die Psychiatrie und nicht ins Gefängnis. Aber nicht jede Form von psychischer Labilität führt zu Schuldunfähigkeit. Auch psychisch Kranke wissen in aller Regel, dass man keine Menschen totfahren darf.

Wenn eine strafrechtliche Verurteilung möglich ist, dann muss ein rassistisches Motiv strafverschärfend berücksichtigt werden. Das ist im Strafgesetzbuch im Paragrafen 46 ausdrücklich vorgesehen.

Wenn ein Amokfahrer seine Opfer nach rassistischen Kriterien auswählt, ist das ein offensichtlicher Fall hierfür. „Niedrige Beweggründe“ können aus einem Totschlags- sogar einen Mordversuch machen. Dann kommt auch eine lebenslange Freiheitsstrafe in Betracht.

Terror kann nicht nur von Gruppen, sondern auch von Einzelpersonen ausgeübt werden. Terror richtet sich nicht nur gegen den Staat, sondern gerade auch gegen Teile der Bevölkerung. Das ist in der deutschen Rechtspraxis schon lange anerkannt. Eine Möglichkeit, dies sichtbar zu machen, ist die Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt in Karlsruhe.

Auch auf der politischen Ebene kann der Verweis auf psychische Probleme des Täters nur bedingt entlasten. Wer Hass sät, hat eine politische Mitverantwortung dafür, dass sich der Hass in Verbrechen ausdrückt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Der Attentäter vom Breitscheidplatz, ist er ein islamistischer Terrorist ODER ist er psychisch krank? Der Attentäter vom Strassburger Weihnachtsmarkt, ist er ein islamistischer Terrorist ODER ist er psychisch krank? Der Attentäter von Nizza, ist er ein islamistischer Terrorist ODER ist er psychisch krank? .... ? Wer hat je diese Frage gestellt?



    Es war ja offensichtlich, sie waren islamistische Terroristen und nicht ODER, deshalb sind sie sofort erschossen worden.



    Man vermutet, dass in Frankreich schon beim Anschlag auf das Bataclan 2015 Terroristen unter Drogeneinfluss standen, aber die m. E. bewussten Tötungen finden trotzdem weiterhin statt.

    Das zum Thema Terrorismus und dem andern Terrorismus.

  • Kurz und gut.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein Kommentar mit selten vorkommender Eintracht zwischen Quantität und Qualität. Eine vertane Chance, sich mit dem Verhältnis von Normalität, Normopathie und Psychopathologie niveauvoll zu beschäftigen.

    Taz und Erkenntnis: ein Trauerspiel.

  • Achso, clever, die Angreifer trinken ein wenig Alkohol und werden damit schuldunfähig.

    • @Klartexter:

      "(...) Angreifer trinken ein wenig Alkohol und werden damit schuldunfähig." (Klartexter)



      Sorry, aber das funktioniert seit längerer Zeit nicht mehr. Update überfällig!

  • Viele Terroranschläge im Namen des Islamischen Staats wurden von Personen begangen, die den Eindruck gemacht haben, psychisch nicht ganz stabil zu sein oder sich in einer Lebenskrise zu befinden. Ein Großteil wurde erschossen, ohne dass in einem Prozess ihre Motive und Schuld festgestellt werden konnte. Damit eröffnet der Staat Verschwörungstheorien Tür und Tor. Aus meiner Sicht muss aus der Bevölkerung Druck kommen, Terroristen vor Gericht zu stellen, anstelle sie zur Gefahrenabwehr zu erschießen. Möglicherweise hätte man damit auch Hintermänner und Strukturen fassen können.

  • "Terror, Amoklauf und psychische Probleme schließen sich nicht aus, sondern können auch zusammen vorliegen." (C. Rath)



    Selbstverständlich ist das so! Herzlichen Dank für die klärende Worte!



    Gerade paranoide Psychosen tendieren zu gerne dazu gesellschaftlich aktuelle Reizthemen ins Symptombild zu integrieren.



    Solange keine gesicherte psychiatrische Begutachtung und evtl. Diagnose vorliegt ist es komplett überflüssig hier eine Debatte zu führen.

  • "Wer Stimmen hört, die ihm befehlen, Menschen zu töten, gehört vermutlich in die Psychiatrie und nicht ins Gefängnis."



    Oha! Wie wäre es mit einer kritischen Reflexion von Gefängnis und Psychiatrie? Was bewirken diese? Wie sollen diese wirken? Was für ein Menschen/Gesellschaftsbild steht dahinter ...

    • @Uranus:

      Oha! Und was machen wir mit Moses auf dem Berge Sinai und den vielen katholischen Heiligen?

    • @Uranus:

      "Oha! Wie wäre es mit einer kritischen Reflexion von Gefängnis und Psychiatrie?" (Uranus)



      Hier geht's nicht um die Rolle von Psychiatrie in unserer Gesellschaft, sondern um die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Täters.



      Und sollte hier tatsächlich eine grundsätzliche Psychiatriedebatte angestrebt werden, dann sollte man vorher schon mal selber kritisch reflektieren ob man dazu überhaupt die nötige Fachkompetenz aufbringt. Politische Ideologien haben auf diesem sehr dünnen Eis schon viel zu viel Unheil und Elend verursacht.



      Wer Schaum vorm Mund hat sollte ihn zum Rasieren benützen.



      "Terror, Amoklauf und psychische Probleme schließen sich nicht aus, sondern können auch zusammen vorliegen." (Ch. Rath) - Das ist völlig richtig und kann nur nochmal betont werden. Herzlichen Dank an den Autor für seine bedachten Worte!

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      Aber wäre es nicht besser, eine solche Person käme in die Psychiatrie, wo ihr geholfen werden kann, als das sie erst auf die Stimmen hört und jemanden tötet?

      Und dann in die Psychiatrie kommt. Die ja nicht mehr dasselbe ist wie vielleicht vor 30, 40 Jahren.

  • "Doch warum enthalten solche Fragen meist dieses „ODER“?"

    Weil Denken anstrengend ist. Weil wir Herdentiere sind. Weil der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch (Entweder ist A wahr oder Nicht-A ist wahr.) zu langweilig ist. Weil die klugen Menschen von den Talkshows das auch immer so machen: 'Flüchtlinge - Ende der deutschen Kultur oder sinnvolles Humankapital?'

    und weil schon der Volksmund weiß: Wer NICHT A sagt, muss B sagen.

    • @pitpit pat:

      Das immer aller so komplex sein muss...



      :(

      Kanns nicht einfach mal einfach einfach sein...?

  • Da bin ich ja mal neugierig! Leider ist es momentan wahrscheinlicher, dass der Generalbundesanwalt (der kurioserweise nicht nur eine Person namens Peter Frank ist, sondern auch eine Institution mit 200 Bediensteten) sich raus halten und die Verantwortung an überforderte Mediziner abschieben wird. Auch wenn die für (versuchte) Morde gar nicht zuständig und deswegen nicht ausgebildet worden sind für deren Aufklärung. (Versuchte) Morde sind ausweislich der Gesetzeslage nun mal Straftaten, keine Krankheiten.

    Sollte sich im Laufe der Verhandlung herausstellen, dass der Beschuldigte tatsächlich krank ist, könnte die Behandlung zwar immer noch den Medizinern übertragen werden, bis da hin allerdings wäre viel Arbeit zu erledigen. Arbeit, vor der sich Menschen vielleicht drücken möchten. Zumal die Chancen, sich erfolgreich aus der Affäre zu ziehen, gar nicht mal schlecht stehen.

    Die Damen und Herren Generalbundesanwalt in Karlsruhe könnten sich gut auf ihren hohen Rang herausreden. Sie könnten sagen, es sei unter ihrer Würde, Terror auch dann zu verfolgen, wenn er nicht von einer Gruppe ausgeübt wird sondern von einer Einzelperson. Vor allem, wenn er sich nicht direkt gegen „den Staat“ richtet, sondern gegen Teile der Bevölkerung, die womöglich nicht einmal einen deutschen Pass besitzen. Das Verständnis eines großen Teils der bundesdeutschen Öffentlichkeit (Medien inklusive) ist ihnen gewiss sicher.

    Wir werden sehen. Der Täter ist wohl davon ausgegangen, dass seine Opfer nicht Teil der Gesellschaft, zumindest aber nicht Teil des Staates sind, dem sich die Bundesanwaltschaft verpflichtet fühlt. Er hat sich offenbar als Ein-Mann-Gerechtigkeits-Kommando missverstanden. Momentan sieht es so aus, als könnte seine Kalkulation aufgehen. Kein großes Wunder, das. Wer Hass sät, hat zwar eine politische Mitverantwortung dafür, dass sich der Hass in Verbrechen ausdrückt, aber manch ein Mächtiger Hassprediger hat hierzulande auch immer noch erschreckend viel Macht.

  • Dieser Vorfall gehört gehörig ausgeschlachtet und es wird prompt getan. So ein rassistischer Anschlag passiert ja auch nicht alle Tage in Deutschland.

    Ich hätte aber doch gern mal gut recherchierte Artikel, wo der zuständige Journalist mal forscht wieso jemand mit psychischer Krankheit, plus Psychiatrieaufenthalt, noch einen Führerschein haben darf. Bin nämlich auch oftmals Verkehrsteilnehmer.

    • @lulu schlawiner:

      Liebe Lulu Schlawiner, Sie könnnen nicht einfach allen Leuten mit Depression den Führerschein entziehen! Ob eine psychische Krankheit überhaupt die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, das kommt ganz auf die Art der psychischen Erkrankung an. Personen mit Angststörungen fahren meist viel zu vorsichtig, sehr langsam und extrem aufmerksam. Meine Freundin mit Schizophrenie (sie fährt nur in den gesunden Phasen, nicht während eines Krankheitsschubes) bleibt bei Dunkelheit, sogar in der Dämmerung fast stehen -- und hat so tatsächlich schon einen Wildunfall vermieden (plötzlich auftauchendes großes Wildschwein). Ich befürchte stark, die meisten Typen, die mich (Normalfahrerin ohne psychische Erkrankung) auf der Landstraße in der Dämmerung in einer Rechtskurve ohne Sicht auf den Gegenverkehr mit Affentempo überholen -- alle diese Todesfahrer, diese potentiellen Mörder an unschuldigen Entgegenkommenden, fürchte ich, sind ""psychisch gesund"". Schlimmer Unfall... junge Familie ausgerottet... Ebenso als "psychisch gesund" gelten die jungen Männer, deren Namen hier auf dem Land die Kreuze zieren, die an den Alleebäumen lehnen -- immer auf der Außenseite einer Kurve. Sonnabend Nacht... ein Auto voll junger Leute... Alkohol... und wieder ein Kreuz mit einem Jungsnamen drauf. Ich habe noch keins mit einem weiblichen Namen gesehen.







      Also bitte, die Depressiven und Schizophrenen sind nicht schuld! Das sind ganz normale Leute. Ja, psychisch Kranke sind normal! Sie wollen gesund werden und nicht Leute totfahren.