piwik no script img

Konsumtipps aus der taz-RedaktionWer zuletzt kauft, kauft am besten

Am Montag weihnachtet es. Vielleicht schneit's ja auch. Kurz vor knapp kommen absolut endgültige Geschenkideen für Jung und Alt.

Ob gekauft oder selbstgebastelt – taz-Redakteur*innen verraten ihre Geschenktipps Foto: dpa

Vitamin D

In unseren Breitengraden haben vergeigte Weihnachtsfeste meistens einen simplen Grund: Vitamin-D-Mangel. Er kommt schleichend, schlägt aber mit voller Kraft zu. Bedenken Sie: Zu Weihnachten haben wir schon drei Monate Lichtmangel hinter uns, aber die Folgen bekommen wir oft erst Ende Dezember zu spüren: Depression, Konzentrationslücken, Schwindel, Antriebsschwäche. Da hilft dann auch am Weihnachtsabend keine Blutwurst, machen die Luxemburger so, und da hilft auch kein Karpfen, den Sie vielleicht sogar traditionsgetreu in der Badewanne zum Haustier verhätschelt und dann auf den Kartoffelsalat gelegt haben.

Und ein Glücksschwein, wie man es seit Jahrhunderten zu Weihnachten etwa in Tschechien erwartet, kommt schon gar nicht vorbei, um Ihr familiäres Zellensyndrom zu beenden. Da können Sie noch so viele Eichenbalken verbrennen, ja, das macht man mancherorts, Zelle bleibt Zelle und Familie bleibt Familie und Winter bleibt Winter. Dabei ist es ganz einfach: Ein paar Pillen Vitamin D und eine ausreichende Menge Alkohol haben noch jedes Fest zum unvergesslichen Höhepunkt des Jahres gemacht. Da brauchen Sie nicht mal einen Arzt oder Apotheker zu fragen. Tania Martini

Abrissbirne

Keine Ahnung, wo man sie schnell herkriegen kann. Trotzdem, das Geschenk der Stunde ist die Abrissbirne. Und der Ort, an dem sie zum Einsatz kommt, das Neubaugebiet um den Berliner Hauptbahnhof. Gerne aber auch jede x-beliebige Baustelle in einer deutschen Großstadt. Da, wo in Serie diese Gebäude entstehen, die, obwohl es sich meist um Hotels oder Bürobauten handelt, ausschauen wie ein Knast. Denn ihr markantestes Merkmal sind strenge Steinfassaden mit hohen, dabei aber extrem schmalen Fenstern. Ausbruchssichere Fenster, leider auch ausblickssicher.

Wer einfach rausschauen will, aus einem solchen Fenster, kommt sich ziemlich dumm vor. Denn der schaut eigentlich immer nur auf die nächste Beton­strebe, in der das Fenster sitzt. Ich bin mir sicher, es gibt einen bautechnischen Fachbegriff für dieses Fenster, das alle Normen an Wärme- und Schalldämmung erfüllt und dabei offenbar so preisgünstig ist, dass es inzwischen die Fassaden unsere Großstädte definiert, die doch angeblich Sache der Architekten sind. Leichter zu beschaffen als eine Abrissbirne, weil im Buchhandel erhältlich: Monika Wagner: „Marmor und Asphalt. Soziale Oberflächen im Berlin des 20. Jahrhunderts“. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2018, 200 Seiten, 24 Euro. Unverzichtbares Wissen zur Definitionsmacht von Materialien. Brigitte Werneburg

Empathie

Im Arbeitskreis „Post-Ironie“ sind wir dieses Jahr einen Riesenschritt vorangekommen. Dank einer Genossin aus Schottland, die trotz wackligster Existenz bereits den zehnten Winter in Berlin ausharrt, wurden wir aus dem Halbdämmer erweckt und haben endlich begriffen, wie es funktioniert, anderen durch Empathie ein gutes Gefühl zu vermitteln. Lest weiter und bleibt anlasslos freundlich, hatte sie vorgeschlagen, bevor sie ihr Guinness wieder über der Heizung abstellte, auf dass es noch lackerer schmecke.

Und siehe da, erste Versuche waren rundum positiv: Der Busfahrerin beim Aussteigen „gute Fahrt“ zu wünschen, wurde mit freundlichem Lächeln und einem Dank quittiert. Empathie war im deutschsprachigen Raum über Jahrhunderte ein Fremdwort. Und noch heute behandeln manche, auch sich fortschrittlich verstehende Menschen den Komplex Empathie so, als wäre er eine Kryptowährung. Da verwundert auch nicht weiter, dass im DTV/Enke-„Wörterbuch der Soziologie“ zwischen den Begriffen „Emanzipation“ und „Empirie“ eine Lücke klafft.

Gerade deshalb ist der Austausch mit dem Ausland so wichtig, denn das britische „Collins Dictionary of Sociology“ von David und Julia Jary hat ihn selbstverständlich, den Eintrag zum Begriff. Empathie wird dort als „Gefühl“ (!) definiert, „das es einem Individuum möglich macht, sich indirekt in die Erfahrung von jemand anders hineinzuversetzen“. Weiter heißt es da: „Fähigkeit zur Empathie ist im zwischenmenschlichen Bereich und in sozialen Settings grundlegend.“ Man muss deshalb nicht gleich das „Dictionary“ verschenken, Empathie als Geschenk reicht schon. Auch toll: Kost’ nix. Julian Weber

Rote Nacht

Erscheint Ihnen Weihnachten als der pure Horror? Würden Sie dem Ganzen am liebsten entfliehen? Ohne auf Annehmlichkeiten wie die typisch weihnachtliche Farbgebung verzichten zu wollen? In diesem Fall Rot? Dann ist Ihnen oder einer Person Ihres Vertrauens vielleicht mit der vor Kurzem erschienenen DVD- beziehungsweise Blu-ray-Edition des Films „Mandy“ des Regisseurs Panos Cosmatos geholfen. Rot dominiert in diesem psychedelischen Horrortrip, nicht so sehr in Form von Kunstblut, eher als Hintergrundleuchten, das weniger aggressiv macht als dass es leicht zum Verlust der Orientierung beiträgt.

Besinnlich? Eventuell. Nebenbei gibt es noch den Schauspieler Nicolas Cage endlich mal wieder in einer überzeugenden Rolle zu erleben. Und sorgsam gewählte Musik, von der Prog-Rock-Band King Crimson bis zum im Frühjahr verstorbenen Filmkomponisten Jóhann Jóhannsson. So lassen sich die Schrecken der Feiertage bannen. In den Bildschirm. Weihnachtszauber mal anders. Tim Caspar Boehme

Aber bitte aus Seide

Die Seidenstraßen verbanden Vorder- und Zentralasien mit dem Mittelmeerraum und Europa. Von jeher haftete ihrer Bezeichnung etwas Mythisches an. Wobei „seit jeher“ nicht ganz stimmt. Denn die Bezeichnung „Seidenstraße“ setzte sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch. Der deutsche Geograf Ferdinand von Richthofen bezeichnete mit dem assoziationsreichen Begriff die alten Karawanenrouten, die seit den Römern die handelnden Nationen verschiedener Kontinente verbanden. Eine lebendige Geschichtsvermittlung braucht Bilder und eine spannende Erzählung, wie sie der britische Historiker Peter Frankopan beherrscht.

Zusammen mit dem Illustrator Neil Packer hat er dafür einen lesenswerten und schön gestalteten Band veröffentlicht. „Die Seidenstraße. Eine Weltgeschichte für Kinder“ (Rowohlt, 20 Euro) richtet sich an Leser ab zehn. Das Buch ist in für Kinder und Jugendliche leicht schaffbare Kapitellängen eingeteilt und enthält toll gezeichnete Karten und historische Darstellungen. Nebenher können hier auch ältere Semester bei der Lektüre ihr historisches Wissen auffrischen, ohne dass es nach Frontalunterricht und Nachsitzen aussieht. Von der „Straße zum Islam“ bis zur „Straße ins Verderben“, Frankopan verknüpft wichtige historische Ereignisse mit Themen der Gegenwart. Denn diese ist ohne Wissen über die historische Entwicklung nicht zu verstehen. Andreas Fanizadeh

Grundgesetz

Das Grundgesetz ist ein Text, den man nicht oft genug lesen kann – nur lassen die meisten Bleiwüstenausgaben kaum Lektüregenuss zu. Deshalb gibt es den Gesetzestext jetzt in Magazinform, schick gelayoutet, mit variierender Typografie inklusive Satellitenaufnahmen Deutschlands und Europas von der Raumstation ISS. Neben den Artikeln gibt es Hintergrundinformationen zum Beschluss des GG vor (fast) 70 Jahren, allgemeine Informationen zur Verfassung und die Erklärung der Menschenrechte obendrauf.

Der Anhang zum Wahlrecht und zur Geschichte Deutschlands kommt etwas didaktisch und schulbuchmäßig daher – sonst aber ein toll gestaltetes Heft, das einem die großen Verdienste dieses Gesetzes in Erinnerung ruft und über den bis heute gültigen Wortlaut in den Paragrafen („Volk“, „Rasse“) nachdenken lässt. Ein Geschenk für alle von 6 bis 106, zu finden im guten Bahnhofsbuchhandel oder unter www.dasgrundgesetzshop.de.

Die etwas interaktivere Geschenkvariante wäre eine Wohnzimmerlesung. Aktuell kann man Autor_innen für Hausbesuche buchen. Dazu muss man (Minimum) 100 Euro investieren, diese gehen nicht an die Lesenden, sondern die Mittelmeer-Rettungsinitiative Mission Lifeline und Soul Talk, eine Beratungsstelle für Flüchtlinge. Inzwischen beteiligen sich mehr als 100 Autor_innen aus Deutschland und Österreich, darunter Inger-Maria Mahlke und Bettina Wilpert. www.autorenhelfen.org. Jens Uthoff

Stumme Polizisten

Er solle sich in Acht nehmen, sagte Thomas Kapielski zu Helmut Höge: Die Dummheit der Gegenstände übertrage sich auf die Betrachtenden, wenn man sich zu tief in sie versenke. (Gilt nicht nur für Gegenstände, sondern auch für Parteien.) Der Gegenstand, um den es hier geht, ist der Poller. Helmut Höge, Autor und Aushilfshausmeister der taz, hat sich seit 1989 mit diesem Stadtmobiliar beschäftigt.

Eben ist die erweiterte Auflage der von Philipp Goll herausgegebenen „Pollerforschung“ Höges erschienen, ein so kluges wie amüsantes Coffee Table Book für den umherschweifenden Urbanisten. Mit vielen Fotos vor allem selbstgebastelter, skurriler Poller, über die Höge schreibt, sie könnten rudimentäre Alleebaum-Artefakte sein. „Im Straßenbild der Stadt sind sie jedoch ihrer Funktion nach zu bestimmen: Es sind stumme Polizisten, die verkehrsordnend intervenieren sollen.“ Ein Gutes hat der Poller-Polizist ja. Er nervt die neuen Herrenreiter in ihren SUVs mehr als alle anderen. Ulrich Gutmair

Selbstgebastelt

Weihnachtsgeschenke besorgen ist das Letzte. Als ob man sich die Ruhe der Weihnachtszeit erst mal mit richtig schlimmem Konsumterror verdienen muss. Eine Lösung ist Do-it-yourself und Recycling. Die Vorteile liegen auf der Hand: Statt Kaufzwang bastelt es sich umweltschonender und ungestörter. Und der/die Beschenkte ist beeindruckt von der Kreativität. Aber was basteln?

Die Homepage diy-academy.eu sammelt viele gute Einfälle und Geschenk­ideen. Es muss nicht gleich ein Couchtisch aus alten Paletten sein. Der Sitzhocker aus dem Altreifen tut es auch. Zumal er sich simpelst und schnell herstellen lässt. Schöne Vasen aus leeren Weinflaschen und buntem Stoff, ein Armreif aus einer Silbergabel, eine Garderobe aus alten Lederschlaufen und einem alten Skateboard.

Mit etwas Geschick und einem Werkzeugkasten, Farbe und einem Keller mit Zeug, von dem man vor 20 Jahren wusste, dass man es irgendwann wieder brauchen würde. Geschick lässt sich übrigens auch erlernen: Vielerorts gibt es inzwischen Anfängerkurse für Schmieden oder Tischlern. Ein verschenkter Kurs-Gutschein beschert einem demnächst vielleicht ein tolles Möbelstück! Elke Eckert

Notizbuch

Peter Handke, ein manischer Notizbuchvollschreiber, hat nur eine Regel bei der Auswahl seiner Kladden: „Hauptsache, kein Moleskine. Na gut, manchmal auch ein Moleskine“ (aus dem Gedächtnis zitiert). Will sagen, er hat keine Regel und sucht sich immer wieder ein neues Notizbuch aus, das ihn anfliegt – so wie ihn Sätze, Gedanken, kurze Szenen und Landschaften anfliegen, die er in den Heften festhält.

In einem schönen Katalog des Literaturarchivs Marbach waren viele seiner Notizbücher kürzlich zu sehen. Sie wirken tatsächlich bunt durcheinandergewürfelt und zeigen, mal mit Bleistift, mal Filzstift, mal mit Füller beschrieben, den Gedanken, das Ich, das Schreiben immer wieder neu im Entstehen. Schöne und vor allem auch praktische und haltbare Notizbücher gibt es zum Beispiel von der Firma Leuchtturm 1917. Im Programm haben sie alle möglichen Varianten, groß, klein, ganz klein, ganz groß, und alle Farben, die man sich vorstellen kann. Neu ist eine Größe, die sie Paperback nennen – etwas kleiner als DIN A5, die in Liniert und der Farbe Eisblau und mit einem sogenannten Softcover finde ich gerade klasse. Nicht billig: 14,50 Euro. Doch dafür halten sie echt einiges aus.

Nur eins noch: Überlegen Sie sich gut, wem sie so etwas schenken! Die Person muss schon von sich aus Lust haben, ihr Leben mit Notizen zu begleiten. Wenn nicht, kann sie auch eine Aufforderung, ihr Leben zu ändern, wittern. Da sind Notizbücher nicht anders als Gutscheine für Yogakurse oder (schlimmster Fall) Diätratgeber. Wenn so ein Notizbuch aber auf den Richtigen trifft, wird er oder sie Ihnen ewig dankbar sein. Dirk Knipphals

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Diese ganzen Fassaden mit schmalen Fassasenstreifen haben bestimmt energetisch unguenstige Verhaeltnisse. Dafuer sorgen die ganzen vertikalen Uebgangsbereiche zwischen Fenster (1 cm Dicke der isolierenden Schicht) und Fassadendaemmung (eher 20 cm).



    Bei korrekter Berechnung duerften die vermutlich alle gar nicht gebaut werden.