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Kolumne Der Zuckerberg | Teil 21Wer solche Freunde hat

Uli Hannemann
Kolumne
von Uli Hannemann

Statt Steine zu schmeißen hinterlassen sie nur getrollte Unverschämtheiten. Warum selbst die Hater auf Facebook nicht in Gang kommen.

Gibt's wohl doch noch: Leute, die sich mögen und treffen – und nicht nur gegenseitig liken Foto: Unsplash/Duy Pham

Wenn du weitere Freunde hinzufügst, werden dir mehr Meldungen im News Feed angezeigt“, fordert mich Facebook auf. Es gibt sogar einen Link dazu: „Freunde finden“. Was ich zu sehen bekomme, wenn ich den anklicke? Tipps wie: nett sein, aufmerksam, sich Mühe geben, keine Geheimnisse ausplaudern, bei Besuchen wissen, wann es Zeit wird, nach Hause zu gehen? In Problemgesprächen nicht immer mit „bei mir ist das so“ kontern, sondern einfach nur zuhören? Doch es kommen keine Tipps. Man muss die Personen einfach anklicken, die klicken wiederum einen selbst an, und schon sind wir „Freunde“.

Könnte es sein, dass der Freundesbegriff ganz schön verwässert wurde und nun ähnlich inflationär wie das Etikett „Nazi“ verwendet wird? So sehr, dass ausgerechnet Bea­trix von Storch, die ich ja wirklich als Nazi bezeichnen würde, wenn das erlaubt wäre, von „Klimanazis“ spricht. Wie „Nazi“ mehr und mehr zu einem Synonym von „Arschgeige, die anderer Meinung ist“ wird, so ist ein „Freund“ nun schon jemand, den man vielleicht mal irgendwo gesehen hat. Oder sogar nur angeklickt.

Doch dieses Schlaraffenland der Freundschaft ist nicht echt. Rufst du die Facebookfreunde nachts an, weil du wegen Tod, Trennung, Trinken die Krise hast, gehen die nicht ran. Erschwerend kommt hinzu, dass du ihre Nummer gar nicht besitzt. Und wenn du sie hättest, würden sie sie sofort ändern. Du bist ihnen egal. Ihr habt noch niemals ein Wort miteinander gewechselt. Ihr wisst gar nicht, wer ihr seid.

Früher entstand Freundschaft noch persönlich. Wie die Liebe. In der Kneipe, auf dem Sportplatz, im Hotelbett, im Pfadfinderheim. Ein Mausklick aber ersetzt kein Gespräch, ein Like kein Geschenk, ein friend keinen Freund. Und ein freundlicher Kommentar ist meilenweit entfernt von einem Brief mit echter Tinte und auf Büttenpapier, den man vor dem Eintüten mit Veilchenessenz besprüht hat.

Merkwürdige Anfragen

Oft erhalte ich Anfragen von Leuten, die ich nicht (er)kenne. Erst recht nicht, wenn sie Fantasienamen verwenden wie Isis Irregula Insterburg und als Profilbild einen Stoffelefanten oder ein stecknadelkopfgroßes Gesicht, das aus einer zehnköpfigen Schar herausgrinst.

Für solche Unbekannte habe ich neben dem Privatprofil noch eine offene Autorenseite. Dort tummeln sich auch gerne meine Hater, falsche Feinde habe ich ähnlich viele wie falsche Freunde. Und auch hier vermag ein Anstupsen keinen Tritt in den Arsch zu ersetzen und eine auf die Pinnwand getrollte Unverschämtheit keinen Wackerstein im Schlafzimmerfenster. Ich wünschte mir manchmal, meine Feinde wären etwas klüger. Das wäre dann mehr Ehre für mich.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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5 Kommentare

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  • Ich ghöre zu den Verweigerern von Facebook, What's app und co. Ich kann allerdings auch alle verstehen die an der Nadel dieses Mediums hängen . Vielleicht gehöre ich zuzeit zu denjenigen die altmodisch oder nicht Fortschrittlich denken oder fühlen. Ich denke das es gar nicht mehr so lange dauern wird bis wahre Freunde und Wahrnehmung im Persönlichen gegenüber das fortschrittlichste sein wird was es je geben wird. Bespielsweise sind es banale dinge wie Geruch , Augenenaufschlag, Körperhaltung , abgekaute Fingernägel , Gang und Aussprache die mit darüber entscheiden ob man sich sympatisch ist oder auch nicht ! Keine K.I., keine Plattform und kein Programm wird je menschliche Sympatie vermitteln können . Deshalb sind Facebook und co. für mich nicht mehr als ein Selbswertakkumlator von dem die Nutzer denken das es nicht mehr ohne geht ! Ein schlimmer Geist der für viele zu einer art Droge geworden ist.... leider ....

  • Zitat: „Ich wünschte mir manchmal, meine Feinde wären etwas klüger. Das wäre dann mehr Ehre für mich.“

    Ich weiß schon, warum ich auf die Ehre pfeife. Lieber ein dummer Troll im Netz als ein (künstlich) intelligenter Wackerstein im Schlafzimmerfenster. Und überhaupt: Einen "Tritt in den Arsch" lasse ich mir allemal lieber von einem Freund verpassen als von einem Feind. Dann weiß ich wenigstens, dass er es gut meint damit - und nicht bloß ganz sicher gehen will, dass ich nicht irgendwann total abgebrannt, frisch getrennt und sturzbesoffen an seiner Wohnungstür klingle.

    • @mowgli:

      “…dere!“

  • Feunde sind die, die einem Geld leihen würden, wenn es eng wird. Bei denen man übernachten könnte, wenn die Hütte abbrennt oder nach einer Trennung.



    Alle anderen sind ersetzbar, unbedeutend, unterhaltsam...schön zu haben, damit man nicht ganz alleine ist, aber 3 Monate Abwesenheit sind auch egal.

    FB-"Freunde" sind nur anonymes Publikum, Gaffer, passive Teilnehmer ohne Relevanz.

    Kein Wunder, dass das im amerikanischen Kulturraum entstanden ist, hier ist ein "oh ja, komm vorbei, wenn Du in der Nähe bist" und "take care", und "nice to see you" oder "how are you?" ungefähr so bedeutsam und ehrlich gemeint wie "Grüss Gott" und "Hi, wir telefonieren dann mal".

    Hire und fire: heute lächelt man sich an, morgen bleibt nicht mal eine Erinnerung.

    Es gibt auch andere Beziehungen, aber da drüben ist vieles wesentlich oberflächlicher. Auch lockerer und entspannter, aber ohne jede Tiefe.

  • & Däh! Na Servus

    “…Ich wünschte mir manchmal, meine Feinde wären etwas klüger. Das wäre dann mehr Ehre für mich.“

    Tja - Uli. Woran das wohl liegt*¿* - wa.



    &



    Mann kann ja auch nicht alles haben. Newahr.



    Liggers. Ooch wieder wahr. Normal.