Kolumne Der Zuckerberg | Teil 21: Wer solche Freunde hat
Statt Steine zu schmeißen hinterlassen sie nur getrollte Unverschämtheiten. Warum selbst die Hater auf Facebook nicht in Gang kommen.
Wenn du weitere Freunde hinzufügst, werden dir mehr Meldungen im News Feed angezeigt“, fordert mich Facebook auf. Es gibt sogar einen Link dazu: „Freunde finden“. Was ich zu sehen bekomme, wenn ich den anklicke? Tipps wie: nett sein, aufmerksam, sich Mühe geben, keine Geheimnisse ausplaudern, bei Besuchen wissen, wann es Zeit wird, nach Hause zu gehen? In Problemgesprächen nicht immer mit „bei mir ist das so“ kontern, sondern einfach nur zuhören? Doch es kommen keine Tipps. Man muss die Personen einfach anklicken, die klicken wiederum einen selbst an, und schon sind wir „Freunde“.
Könnte es sein, dass der Freundesbegriff ganz schön verwässert wurde und nun ähnlich inflationär wie das Etikett „Nazi“ verwendet wird? So sehr, dass ausgerechnet Beatrix von Storch, die ich ja wirklich als Nazi bezeichnen würde, wenn das erlaubt wäre, von „Klimanazis“ spricht. Wie „Nazi“ mehr und mehr zu einem Synonym von „Arschgeige, die anderer Meinung ist“ wird, so ist ein „Freund“ nun schon jemand, den man vielleicht mal irgendwo gesehen hat. Oder sogar nur angeklickt.
Doch dieses Schlaraffenland der Freundschaft ist nicht echt. Rufst du die Facebookfreunde nachts an, weil du wegen Tod, Trennung, Trinken die Krise hast, gehen die nicht ran. Erschwerend kommt hinzu, dass du ihre Nummer gar nicht besitzt. Und wenn du sie hättest, würden sie sie sofort ändern. Du bist ihnen egal. Ihr habt noch niemals ein Wort miteinander gewechselt. Ihr wisst gar nicht, wer ihr seid.
Früher entstand Freundschaft noch persönlich. Wie die Liebe. In der Kneipe, auf dem Sportplatz, im Hotelbett, im Pfadfinderheim. Ein Mausklick aber ersetzt kein Gespräch, ein Like kein Geschenk, ein friend keinen Freund. Und ein freundlicher Kommentar ist meilenweit entfernt von einem Brief mit echter Tinte und auf Büttenpapier, den man vor dem Eintüten mit Veilchenessenz besprüht hat.
Merkwürdige Anfragen
Oft erhalte ich Anfragen von Leuten, die ich nicht (er)kenne. Erst recht nicht, wenn sie Fantasienamen verwenden wie Isis Irregula Insterburg und als Profilbild einen Stoffelefanten oder ein stecknadelkopfgroßes Gesicht, das aus einer zehnköpfigen Schar herausgrinst.
Für solche Unbekannte habe ich neben dem Privatprofil noch eine offene Autorenseite. Dort tummeln sich auch gerne meine Hater, falsche Feinde habe ich ähnlich viele wie falsche Freunde. Und auch hier vermag ein Anstupsen keinen Tritt in den Arsch zu ersetzen und eine auf die Pinnwand getrollte Unverschämtheit keinen Wackerstein im Schlafzimmerfenster. Ich wünschte mir manchmal, meine Feinde wären etwas klüger. Das wäre dann mehr Ehre für mich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Obergrenze für Imbissbuden in Heilbronn
Kein Döner ist illegal