Streit um Greenpeace-Aktion: „Will man uns mundtot machen?“
Razzien nach einer Greenpeace-Aktion waren am Mittwoch Thema im Rechtsausschuss. Greenpeace sieht in jenen einen Einschüchterungsversuch.
Eine Viertelstunde nur, dann war das Razzia-Thema im Rechtsausschuss durch. Nicht viel Output für die fast 300 km lange Anreise von der Hamburger Greenpeace-Zentrale zum Abgeordnetenhaus. Abteilungsleiter Christian Bussau war mit zwei Mitarbeitern nach Berlin gekommen, um zu hören, was Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) im Rechtsausschuss zu der Razzia bei der Umweltorganisation sagen würde.
Der hielt sich weitgehend bedeckt, wies lediglich den Vorwurf zurück, sich als Senator nicht politisch neutral zu verhalten. Greenpeace-Mann Bussau war da gegenüber der taz umso deutlicher: „Das war ein Einschüchterungsversuch – will man uns mundtot machen?“
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Woche zuvor wegen der Farbaktion vom Juni bundesweit fünf Greenpeace-Büros und 22 Privatwohnungen durchsucht. Laut Behrendt suchten die Ermittler nach Beweisen, dass es über bereits 19 ermittelte Personen hinaus insgesamt 50 Beteiligte an jener Greenpeace-Aktion am Großen gebe.
Justizsenator Dirk Behrendt
Am 26. Juni hatte die Umweltorganisation 3.500 Liter gelbe Farbe ausgekippt, damit Autos diese über den Kreisverkehr und die abgehenden Straßen verteilten. So sollte, von oben betrachtet, das Bild einer Sonne entstehen, als Gegenentwurf zur parallel tagenden Kohlekonferenz. „Es gab aber Folgerscheinungen, die nicht sonnig waren“, sagte Behrendt im Ausschuss, nämlich 19 Strafanzeigen und je einen gestürzten Rad- und Motorradfahrer. Laut Behrendt erstatteten diese beiden aber keine Anzeige und verletzten sich nicht.
Fragen von rechts und links
Der Senator sah sich im Ausschuss Fragen von links wie von rechts ausgesetzt. Die Grünen bestärkten ihn darin, bei der kritischen Haltung zu bleiben, die er laut einem Tagespiegel-Bericht zu der Razzia eingenommen hat. Der hatte ihn nach der Aktion mit dem Satz zitiert: „Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit ist berechtigt.“
Die Staatsanwaltschaft deshalb um einen Bericht zu bitten, ist Behrendt zufolge nicht unüblich. Dieser Bericht soll noch nicht vorliegen. Der Senator konnte aber von zwölf Widersprüchen gegen die Durchsuchungen berichten – „das warten wir jetzt erst mal ab“.
Die AfD-Fraktion hingegen mühte sich, Behrendts Berichtsanforderung als politisch motiviert einzuordnen und so darzustellen, als ob der Senator nachhake, weil ihm die Razzia bei der Umweltorganisation nicht passt.
Greenpeace-Vertreter Bussau war auch eine Woche nach der Groß-Razzia in fünf Städten noch empört. „So etwas hat es in unserer Geschichte noch nicht gegeben.“ Greenpeace habe Rechtsanwälte dazu eingeschaltet. Bussau mutmaßte gegenüber der taz, dass mehr dahinter stecke – „die Sonnenaktion allein kann es nicht sein.“
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte die Farb-Aktion im Abgeordnetenhaus im Juni kritisiert und war auf Distanz zur parteilosen, den Grünen nahestehenden Umweltsenatorin Regine Günther gegangen. „Ich will hier in aller Deutlichkeit sagen: Es gibt glücklichere Aktionen als diese“, sagte Müller damals, „es ist nicht hinnehmbar, dass mitten in der Stadt eine Aktion stattfindet und am Ende die Berliner dafür aufkommen müssen.“ Laut Greenpeace-Mann Bussau hat seine Organisation inzwischen Reinigungsarbeiten durch die BSR bezahlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“