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Brüssel liegt ganz schön weit weg

Seit das Europaparlament gewählt wird, war Bremen dort vertreten - aktuell mit Helga Trüpel (Grüne) und Joachim Schuster (SPD) sogar durch zwei Abgeordnete. 2019 droht diese Tradition zu Ende zu gehen

Nachdenklich: Henrike Müller Foto: bes

Von Benno Schirrmeister

Bremen läuft Gefahr, in der kommenden Wahlperiode nicht durch eigene Abgeordneten im Europaparlament vertreten zu werden. Zwar hat die Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/ Die Grünen am Wochenende mit Henrike Müller und Ulrike Liebert gleich zwei Bremer*innen auf die 40köpfige Wahlliste für die Europawahl am 26. Mai 2019 gevotet.

Allerdings steht Liebert aussichtslos auf Platz 35 – und für Deutschland sind nur 96 Mandate vorgesehen Um davon 35 zu erobern müsste eine Partei knapp 40 Prozent der Stimmen erhalten. Mueller kann sich dank des aktuellen Höhenflugs der Grünen in den Umfragen immerhin noch vage Hoffnungen machen. „Platz 23 ist vollkommen in Ordnung“, sagte sie der taz. „Angesichts des sehr starken Bewerber*innenfeldes bin ich damit sehr zufrieden.“

Erst mit einem Grünen-Wahlresultat von rund 24 Prozent würde sie einen Sitz im EP erobern – ein Ergebnis, das derzeit im Bereich der Umfrage-Werte liegt, aber bislang noch nie erzielt wurde. „Es ist ein wackeliger Platz“, so die Grüne Landesvorstandssprecherin Alexandra Werwath. „Für uns ist das eine zusätzliche Motivation, noch mehr Wahlkampf zu machen für Henrike und für starke Grüne in Europa.“

Bremen wäre nicht das einzige Bundesland ohne Grünen-Abgeordnete: So hatten sich Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten sich darauf verständigt, eine Berliner Kandidatin zu unterstützen. Auch Hamburgs Grüne haben keine eigene Bewerberin nominiert. „Es ist sehr schwierig, als kleine Delegation jemanden durchzusetzen“, so Müller. Logisch. Es ist aber im Gegensatz zur CDU, die mit Landeslisten antritt, sodass ein Bremer Christdemokrat allenfalls theoretische Chancen auf ein Mandat hätte, nicht unmöglich. So hat die SPD das Problem per Parteitagsbeschluss durch das Modell einer „solidarischen Liste“ gelöst: Deren erste 16 Plätze sollen die 16 Bundesländer abbilden. Früher wäre das eine sichere Bank für Joachim Schuster gewesen, der zur Wiederwahl antritt. Allerdings: Bei der Europawahl-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa war die SPD Mitte Oktober gerade noch auf 16 Prozent gekommen. Momentan attestieren ihr Demoskopen mithilfe der Sonntagsfrage Werte zwischen 13,5 und 15 Prozent – zu wenig für Listenplatz 16.

Der mögliche Verlust der EP-Mandate wäre ein Einschnitt für Bremen, das seit dessen Bestehen stets mindestens einen Sitz dort hatte und zuletzt mit Schuster und Helga Trüpel (Grüne) sogar doppelt in Brüssel vertreten war. „Kein Vertreter eines anderen Bundeslandes wird dort Politik für Bremen machen“, so Müller.

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