Ausstellung in Hamburg: Viel zu tun für uns
Die Ausstellung „Out of Office“ im Museum der Arbeit will die Folgen von Roboterisierung und künstlicher Intelligenz erlebbar machen, nicht nur in der Arbeitswelt.
Am 5. Juni 2014 erblickte Pepper in einer medienwirksamen „Erweckung“ bei Tokio das Licht der Welt – durch zwei HD-Kameras und einen 3-D-Abstandssensor. Irgendwann soll sie eine kompetente „Roboter-Gefährtin“ sein, aber vorerst traut man ihr nur Verkäuferin und Beraterin zu: In Japan verkauft sie Kaffeeautomaten für Nestlé, im brandenburgischen Wildau führt sie seit März zweieinhalb Stunden täglich durch die Bibliothek der örtlichen Technischen Universität – beobachtet von Entwicklerteams. Sobald das Sicherheitskonzept fertig ist, an dem laut der Hochschule „intensiv gearbeitet“ werde, soll Pepper den Job in Vollzeit machen, also 24/7.
So ganz trauen die Wildauer Verantwortlichen Peppers kommunikativen Fähigkeiten also noch nicht, dabei analysiert sie schon jetzt Mimik, Gestik, Wortwahl und die Lautstärke ihres Gegenübers, um dessen emotionale Grundstimmung zu erkennen und angemessen zu reagieren. Jenseits des Technischen: Ganz grundsätzlich traut man einer Roboterin wohl auch gar nicht zu, im wirklichen Sinne emotional zu sein. Und wenn doch: Wie steht man dazu eigentlich, rational, aber eben auch emotional – wie wir Menschen nun mal sind? Oder sind wir gar nicht so? Sind es die Maschinen auch? Und wo führt uns das alles eigentlich noch hin?
Das sind einige der Fragen, die im Anschluss an Peppers Auftritt nun ein halbes Jahr lang im Hamburger Museum der Arbeit im Raum stehen. Das Gedicht, das sie da vortrug zur Eröffnung der Sonderausstellung „Out of Office. Wenn Roboter und KI für uns arbeiten“, stammt übrigens vom Schweizer Lyriker Hans Manz. „Die Wahl“ heißt es und variiert immer wieder dieselben Worte: „Mensch“ und „Menschen“, „Maschine“ und „Maschinen“, „mehr“ und „weniger“, „und“ und „um“, „zu sein“ und „machen“: „Menschen machen Maschinen“, beginnt es und endet: „Mehr und mehr Menschen machen Maschinen, / um mehr und mehr Maschine / und weniger Mensch zu sein. / Weniger Menschen machen Maschinen, / um mehr Mensch / und weniger Maschine zu sein.“
Maschinen dringen vor
1974 schon dichtete Manz das, ein Jahr zuvor hatte der Robotikpionier Kuka den ersten sechsachsigen Industrieroboter gebaut – im Vergleich zu Pepper noch ein denkbar grobschlächtiger Geselle. Über Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) sprachen damals nur ein paar Fachleute. Heute, 44 Jahre später, sieht die Welt radikal anders aus: Ob „Die Wahl“ nicht auch einfach das Werk eines Algorithmus sein könnte – wer mag das noch entscheiden?
Denn längst nehmen uns Maschinen Arbeit ab, und nicht mehr nur die gefährliche, unangenehme, Körperkraft raubende oder schlicht stumpfsinnige. Nein, in rasender Geschwindigkeit dringen Maschinen in Bereiche vor, die dem Menschen vorbehalten schienen: die Pflege, wo es doch um Empathie und emotionale Intelligenz geht; in die Kunst, wo es doch um Kreativität geht; überall dort hin, wo es nicht mehr nur um die Hände geht, sondern immer mehr auch um den Kopf und das Herz.
In Banken entwickeln „Robo-Advisors“ längst komplexe Anlagestrategien, „Robo-Journalisten“ schreiben und redigieren nicht nur Meldungen, sondern auch Quartalsberichte. Und beim Auktionshaus Sotheby’s werden nun Bilder versteigert, die von einer künstlichen Intelligenz (KI) gemalt wurden – und von einer weiteren für „menschengemacht“ befunden. Fast die Hälfte aller Jobs in den USA, haben die Ökonomen Carl Frey und Michael Osborne vor fünf Jahren errechnet, könnten in den kommenden 10 bis 20 Jahren durch Roboter und Software übernommen werden. Und die Hamburger Morgenpost fragte vor ziemlich genau einer Woche: „100.000 Hamburger Stellen in Gefahr – Macht ein Roboter bald auch Ihren Job?“
Einschätzungen gehen auseinander
Eine Entwicklung also, die so drängende Fragen aufwirft, wie die Einschätzungen auseinandergehen. Was für die einen Horrormeldung sei, erscheine anderen als Verheißung, sagt Daniel Opper vom Bucerius Lab der Zeit-Stiftung, das die Ausstellung gemeinsam mit Mario Bäumer vom Museum der Arbeit entwickelt hat.
Aber ganz unabhängig davon, ob man sich vorm Krieg der vernetzten Maschinen gegen die Menschen à la „Terminator“ fürchtet oder schon hoffnungsvoll die Konturen eines „voll automatisierten Luxus-Kommunismus“ ausmacht, so wie der iranisch-britische Autor-Aktivist Aaron Bastani: Worin sich alle einig sind, ist, dass die Veränderungen tiefgreifend sein werden und nicht nur die Produktionskräfte revolutionieren, sondern alles infrage stellen, was wir über uns Menschen und die Maschinen denken, wie wir Begriffe wie „Arbeit“, „Intelligenz“, „Emotion“ oder „Gesellschaft“ verstehen.
Und so gibt die Ausstellung keine Antworten, sondern versteht sich als Raum, in dem sich die Frage erst mal genauer formulieren lässt, und lädt vor allem zum Mitdenken und Mitdiskutieren ein. Die elf Stationen sollen keine Ängste schüren, sondern Möglichkeiten aufzeigen, sagt Kurator Bäumer. So steht am Ende eines Parcours – vorbei an einer Leseecke mit aktuellen Sachbüchern, der Demenz-Therapierobbe Paro, an Werbevideos für eine Software, die Bewerbungsgespräche führt, oder an computergenerierter Kunst – ein „Forum“, in dem man sich am „Idee-O-Meter“ zu fundamentalen Fragen rund um Mensch und Maschinen äußern kann. So viel ist am Ende zumindest klar: Ganz egal, wie es gerade um die Arbeit steht: Es gibt viel zu tun für uns.
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