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Lokalzeitung drosselt Text zu BettenhausMaßlose NS-Aufarbeitung?

Die „Badische Zeitung“ hält einen Text zurück, der die NS-Vorgeschichte eines Anzeigenkunden thematisiert. Der Autor befürchtet Zensur.

Mängel oder Mutlosigkeit? Die „Badische Zeitung“ verteidigt es, den Text nicht online erscheinen zu lassen Foto: imago/Winfried Rothermel

Berlin taz | Im Juli erscheint im Wochenendmagazin der Badischen Zeitung (BZ) ein Text, der sich kritisch mit der Gründungsgeschichte eines Freiburger Bettenhauses auseinandersetzt. Die Firma Betten Striebel war zur NS-Zeit durch die so genannte Arisierung eines jüdischen Kaufhauses entstanden und ist heute ein guter Anzeigenkunde der BZ. Auf Initiative des Chefredakteurs Thomas Fricker erscheint der Text aber weder online, noch werden Leserbriefe dazu abgedruckt.

Bernd Serger, Autor des Textes und bis zu seinem Ruhestand 2011 selbst Mitglied der Chefredaktion, wirft Chefredakteur Fricker deshalb auf Facebook „Zensur“ vor und schreibt, er habe „sofort die Online-Version des Beitrags (…) löschen“ lassen und die Veröffentlichung von Leserbriefen verboten. Aus Angst, das Bettenhaus als Anzeigenkunden zu verlieren?

„Der Vorwurf, ich hätte in dieser Angelegenheit vor einem unserer Anzeigenkunden gekuscht, ist Humbug“, sagt Thomas Fricker, heutiger Chefredakteur der Badischen Zeitung. Viel mehr enthalte der Beitrag „journalistische Mängel, die leider erst nach Drucklegung unseres Wochenendmagazins offenkundig geworden sind“, sagt Fricker: „Sonst hätte ich ihn in dieser Form nicht freigegeben.“ Deshalb habe er sich entschieden, den Text nicht auch noch im Online-Auftritt zu veröffentlichen.

Gelöscht, wie Serger es sagt, wurde der Beitrag also nicht. Für Premiumnutzer ist er im e-Paper-Archiv verfügbar. Dadurch, dass es keine richtige Online-Fassung gibt, kann man ihn aber weder frei einsehen, noch über andere Kanäle teilen, seine Reichweite ist deshalb deutlich kleiner.

„Ob das Zensur war, da kann man drüber streiten – aber wie nennt man es sonst, wenn ein Text verschwindet?“, fragt Serger. Der Chefredakteur selbst erklärt, gegen die Online-Veröffentlichung habe er sich entschieden, „weil der Beitrag in Google-Zeiten die heutige Inhaberfamilie langfristig in ein (…) falsches Licht gerückt hätte.“ Dabei geht es vor allem um die Frage, ob eine Familie an die NS-Vergangenheit ihrer Firma erinnern muss, auch wenn sie selbst nicht daran beteiligt war.

Ausgangspunkt für Sergers Geschichte war eine Anzeigenbeilage von Betten Striebel im Oktober 2017 zum 80-jährigen Jubiläum des Bettenhauses. Darin: ein kurzer Abriss zur Geschichte des Hauses, in dem die jüdische Vergangenheit nicht erwähnt wurde. Der Beitrag beginnt erst mit dem Jahr 1980, mit der Übernahme des Bettenhauses durch die neuen Besitzer: die Familie Hamer.

Aus der Arisierung entstanden

Serger geht in seiner Geschichte weiter zurück: Entstanden ist die Firma Betten Striebel 1937, nachdem der Gründer Franz Striebel im Zuge der Arisierung das jüdische Kaufhaus Julius Marx übernommen hatte. Dabei mussten jüdische Kaufleute unter der Herrschaft der Nationalsozialisten ihre Geschäfte deutlich unter Wert verkaufen. Ihre jüdische Vergangenheit hat die Firma Betten Striebel nie öffentlich aufgearbeitet, auch nicht nach der Übernahme des Ladens durch Familie Hamer in den Achzigern.

Serger schreibt in seinem Text: „Die Familie Hamer hat mit der ‚Arisierung‘ des Kaufhauses Julius Marx nichts zu tun. Das war allein die Angelegenheit der Familie Striebel (…) . Umso merkwürdiger ist der Umgang der heutigen Firma Striebel mit dem Thema.“

Für Chefredakteur Thomas Fricker liegen die journalistischen Mängel aber schon im Ausgangspunkt der Recherche, der Zeitungsbeilage, in der die jüdische Geschichte nicht erwähnt wurde: „Hätte [die Inhaber-Familie] tatsächlich ‚umfangreich‘ die Geschichte des Hauses dargestellt und die jüdischen Ursprünge nicht erwähnt, wäre das ein Ansatz zum Nachhaken gewesen.“

Bei der „Jubiläumsbeilage“ habe es sich allerdings um einen „simplen Bettenprospekt“ gehandelt. Die Firma Betten Striebel „alleine herauszugreifen und auch noch (…) in der Gesamtauflage der BZ an den Pranger zu stellen, ließ jedes Maß vermissen.“ Für viele Leser sei vor allem hängengeblieben, dass die Firma Striebel „irgendwie antisemitisch“ sei. „Leute sind in den Laden gekommen und haben Beschimpfungen ausgestoßen.“

Über Bernd Serger sagt Fricker deshalb: „Er will von der Inhaber-Familie öffentliche Erinnerungsarbeit erzwingen, womit er seine Kompetenzen meines Erachtens weit überschreitet.“ Bernd Serger sieht das anders: „Wie mit der Geschichte umgegangen wird, auch in Zeiten der AfD – ich bin der Meinung, dass das nicht im Belieben der Firma steht. BZ-Chefredakteur Fricker wirft mir vor, ich hätte ‚das Ansehen unbescholtener Bürger verletzt‘. Mir geht es um das Ansehen unbescholtener Bürger, die 1937 alles aufgeben mussten. Ich wollte ihnen in Freiburg wieder einen Namen geben.“

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8 Kommentare

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  • Ich habe bei der Firma Betten Striebel angefragt:



    "Sehr geehrte Damen und Herren, 80 Jahre Betten Striebel - für den gesunden Schlaf.Mit Erstaunen lese ich, dass Ihr Unternehmen seit 1937 besteht. Meinen Informationen nach gibt es dieses Unternehmen aber schon länger, nämlich seit 1887. Vordem war das Unternehmen "das führende Kaufhaus Freiburgs" des Inhabers Julius Marx. Könnten Sie Ihre Firmengeschichte bitte aktualisieren, so dass die gesamte Geschichte Ihrer Vorgänger in Freiburg zu lesen ist? Wenn die Geschichte Ihres Hauses, unabhängig von persönlicher Beteiligung oder Schuld, auch an das lebendige und florierende jüdische Leben Freiburgs vor mehr als 80 Jahren erinnert, wird unser aller "gesunder Schlaf" ruhiger."



    Bisher habe ich keine Antwort erhalten.

  • @ taz: mit Namen habt ihr's wohl nicht so. Der Chefredakteur heißt bei euch einmal Thomas, einmal Bernd; einmal Fricker, einmal Frickel.

    Aber zur Sache: Serger schreibt in seinem Text: „Die Familie Hamer hat mit der ‚Arisierung‘ des Kaufhauses Julius Marx nichts zu tun. Das war allein die Angelegenheit der Familie Striebel (…) . Umso merkwürdiger ist der Umgang der heutigen Firma Striebel mit dem Thema.“

    Warum ist das merkwürdig, wenn ein Familienunternehmen sich vor Unbillen schützen möchte, mit denen es nichts zu tun hat oder hatte? Reaktionen von Kunden, die ins Geschäft kamen und die Nachfolge-Inhaber als Antisemiten beschimpften zeigen, dass jegliche Bedenken der Hamers berechtigt waren.

    Die Entscheidung der Redaktion scheint mir eher verantwortungsvoll denn mutlos gewesen zu sein.

    • @Aristoteles Brunnenbach:

      Hallo, vielen Dank für die Anmerkungen zum Namen des Chefredakteurs. Wir kümmern uns unverzüglich darum. Beste Grüße von der taz-Redaktion

  • Diese Zeitung ist schon mehrfach durch Verharmlosung und Verbrämung von Antisemitismus aufgefallen.

    • @Fitzli Putzli:

      Tatsächlich? Das überrascht mich. Wo und wann denn?

  • Vielleicht haben Sie schon einmal vom Nationalsozialsmus gehört?







    In diesem Kontext spielt die Staatsangehörigkeit eine untergeordnete Rolle, sofern die Menschen jüdisch waren. Insofern macht der Artikel berechtigt die Gruppen Deutsche und Juden auf.

  • "Dabei mussten jüdische Kaufleute unter der NS-Herrschaft ihre Geschäfte deutlich unter Wert an Deutsche verkaufen."



    Waren die jüdischen Kaufleute keine Deutschen?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Vrumfondel:

      Das ist mir auch gleich ins Auge gesprungen. Ein mehr als unglückliche Formulierung.

      In der Logik der Nazis waren Juden natürlich keine Deutschen. Sondern das Gegenteil.