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Eine Frage der Fläche

Für Palmöl wird Urwald abgeholzt. Ein kompletter Umstieg auf andere Öle würde noch mehr Ackerflächen verbrauchen. Doch es gibt Palmöl aus Bio- und Fairtrade-Produktion

Sobald die Herstellung über den kleinbäuerlichen Rahmen hinausgeht, beginnen die Probleme Foto: Martin Kaluza

Von Martin Kaluza

Wenn eine Pflanze einen Imageberater gebrauchen könnte, dann ist es die Ölpalme. Die Kampagnen der großen Umweltschutzorganisationen haben Wirkung gezeigt, denn wer sich für Naturschutz interessiert, weiß heute: Für den industriellen Anbau von Palmöl werden Regenwälder abgeholzt, der Lebensraum von Orang-Utans zerstört, Torfböden trockengelegt und damit jede Menge CO2 freigesetzt. Die Arbeitsbedingungen auf vielen Plantagen sind katastrophal, noch dazu werden Bewohner von ihrem Land verdrängt – besonders schlimm ist es in Indonesien, wo über die Hälfte des weltweiten Palmöls produziert wird.

Und dennoch schreibt die Umweltorganisation Greenpeace auf ihrer Kampagnenseite: „Die Ölpalme ist keine schlechte Pflanze.“ Die Ölpalme ist nämlich ergiebig, Ernte ist das ganze Jahr über. 25 Jahre lang produziert eine Palme immer wieder neue Früchte, dann erst muss neu gepflanzt werden. Die Erträge liegen derzeit – so rechnet beispielsweise der WWF vor – bei jährlich 3,3 Tonnen Öl pro Hektar. Zum Vergleich: Ein Hektar Raps, Kokos oder Sonnenblume liefert nur 0,7 Tonnen.

Diese Zahlen zeigen bereits, dass ein völliger Verzicht auf Palmöl die Probleme nicht lösen, sondern allenfalls verlagern würde. Ein Umstieg auf andere Öle hätte einen riesigen Flächenverbrauch zur Folge. Laut einer Studie des WWF wären 1,4 Millionen Hektar zusätzliche Anbauflächen nötig, um allein das in Deutschland verbrauchte Palmöl komplett durch andere pflanzliche Öle zu ersetzen.

Den Herstellern in die Karten gucken

Um Konsumenten eine Orientierung zu geben und den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen, veröffentlicht der WWF Company Scorecards – das sind Listen von Herstellern oder verarbeitenden Betrieben und Konzernen, die Palmöl nutzen. Die Bewertungen werden alle zwei Jahre aktualisiert. Es fällt auf, dass vor allem diejenigen Unternehmen Fortschritte machen, die ihre Produkte direkt an den Endverbraucher verkaufen, etwa Lebensmittelhersteller und Supermärkte. Schlechte Noten gibt es hingegen für Hersteller von Futtermitteln. Als Greenpeace 2016 ebenfalls die Bemühungen großer Konzerne um ein Ende der Abholzungen bewertete, schnitten Ferrero und Nestlé am besten ab.

1,8 Millionen Tonnen Palmöl importiert die Bundesrepublik im Jahr. Und das meiste kommt gar nicht einmal im Essen vor. Der mit 42 Prozent weitaus größte Anteil landet, so rechnet der WWF vor, als Biodiesel im Tank. Weiterverarbeitete Lebensmittel wie Schokolade, Speiseeis, Knabberkram und Fertiggerichte machen 33 Prozent aus. Verschämt verbirgt sich das Palmöl hinter der Bezeichnung „pflanzliche Öle“. Weitere 8 Prozent fließen indirekt in die Nahrungsmittel­industrie, als Tierfutter nämlich. Die restlichen 17 Prozent finden als Kosmetik oder Reinigungsmittel ihren Weg in die Supermarktregale.

Selbst in Bioläden werden Palmölprodukte verkauft. Manchen Kunden erscheint das zunächst widersinnig. „Es ist wie bei allen Dingen: Palmfett ist nicht gleich Palmfett“, sagt Andreas Bentlage, Produktmanager beim bayrischen Naturkosthersteller Barnhouse. Sein Unternehmen nutzt neben anderen Ölen auch nachhaltig produziertes Bio-Palmöl zum Backen der „Krunchy“-Knuspermüslis. Dass Barnhouse überhaupt Palmfett verarbeitet, liegt an seinen besonderen Eigenschaften. Mit anderen Fetten knuspern die Müslis anders. „Palmfett gibt ihnen einen Biss, den wir keksig nennen“, sagt Bentlage.

Barnhouse setzt dabei auf die Prinzipien von fairem Handel und Bioanbau. „Es ist wichtig, die Frage zu stellen: Wo kommt der Rohstoff her? Wie wird er angebaut und wie wird mit den Menschen umgegangen? Das sollte man ja ohnehin machen“, so Bentlage. Das Thema Palmöl sei so komplex, weil es unseren ganzen Konsum betreffe. Ganz gleich, wie gut oder gesund oder nützlich ein bestimmtes Lebensmittel ist – sobald die Herstellung über den kleinbäuerlichen Rahmen hinausgehe und industrielle Maßstäbe annehme, beginnen die Probleme. Ähnliche strukturelle Probleme seien derzeit angesichts des Booms von Avocado und Quinoa zu beobachten. Barnhouse bezieht sein Palmfett deshalb von bio- und fairtrade-zertifizierten Anbaubetrieben in Brasilien und Kolumbien, die sich verpflichtet haben, keine Flächen zu roden.

Auch der Naturkosthersteller Rapunzel verwendet für einige Produkte Palmöl. „Wir haben uns die Frage gestellt, wofür wir Palmöl wirklich brauchen. Das ist zum Beispiel bei unseren Nussaufstrichen wie ‚Samba‘ der Fall“, sagt Eva Kiene, Pressesprecherin des Unternehmens. Kakaobutter sei für diese Aufstriche zu fest, Kokosöl werde schon bei 25 Grad flüssig. „Palmöl bindet die Nussöle und sorgt dafür, dass der Aufstrich cremig wird – und das auch noch ohne Zusatzstoffe.“

Was tun?

Wer auf Fertigprodukte verzichtet und stattdessen mit frischen Lebensmitteln kocht, kommt ohne Palmöl aus, das ist ohnehin gesünder. Weniger Süßes und Fettes – und wenn doch, dann mit Bio-Palmöl. Wer vegan lebt, trägt dazu bei, dass weniger Palmöl in Form von Tierfutter verbraucht wird. Und umweltfreundlicher Verkehr ist gleichzeitig Verkehr mit wenig Palmöl: Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel statt Auto, Videokonferenz statt Geschäftsreise.

Rapunzel initiierte 1992, also noch lange bevor der Boom begann, in Kolumbien den Anbau von Bio-Palmöl. Heute kauft das Unternehmen bei zwei Produzenten aus Ecuador und Ghana und berücksichtigt dabei auch soziale Kriterien. „Wir beziehen nur fair gehandeltes Bio-Palmöl, das zum größten Teil von Kleinbauern mit eigenen Flächen kommt.“ Das Unternehmen fördert zudem bodenschonende Anbaumethoden wie die Agroforstwirtschaft. Während konventionell betriebene Palmölplantagen Monokulturen sind, bei denen der Boden rund um die Palmen von anderen Pflanzen frei bleibt, werden im Agroforst auch die Zwischenräume genutzt, etwa durch Büsche oder Kakaopflanzen.

Bio-Palmöl macht allerdings derzeit nur einen winzigen Teil des Weltmarkts aus. Und es ist nicht zu verwechseln mit „nachhaltigem Palmöl“, das nach relativ schwachen Kriterien zertifiziert ist. So hat der WWF hat 2004 den Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl initiiert, an dem sich viele Hersteller und verarbeitende Betriebe beteiligen und zu Mindeststandards verpflichten. Der WWF selbst sieht den Runden Tisch nur als ersten Schritt. Das nach dem schwachen RSPO-Siegel als nachhaltig zertifizierte Palmöl macht inzwischen einen großen Anteil des deutschen Marktes aus: Biodiesel muss in Deutschland zu 100 Prozent zertifiziert sein, und bei allen anderen Anwendungen liegt der Anteil nachhaltigen Palmöls nach einer Studie des Forums nachhaltiges Palmöl bei 55 Prozent, Tendenz steigend. Greenpeace kritisiert, dass die Kriterien des RSPO-Siegels zu schwach seinen, um die Regenwaldzerstörung vor allem in Indonesien zu stoppen. Zudem hielten die beteiligten Unternehmen oft nicht einmal diese schwachen Kriterien ein. Und Rapunzel-Sprecherin Kiene attestiert: „Aus Malaysia und Indonesien kennen wir kein Bio-Palmöl.“

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