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Kohleproteste von „Ende Gelände“Gleisblockade ohne Konsequenzen

Die meisten AktivistInnen von „Ende Gelände“ bleiben straffrei. Die Stromproduktion war laut RWE nicht beeinträchtigt.

Für die meisten AktivistInnen wird es keine juristischen Konsequenzen geben Foto: dpa

Die Gleisblockade von Ende Gelände wird für die meisten der über 2.000 beteiligten AktivistInnen keine juristischen Konsequenzen haben. Die Staatsanwaltschaft Aachen habe die Situation geprüft und in der Blockade selbst keine Straftat erkannt, erklärte die Polizei Aachen.

Jene DemonstrantInnen, die die Blockade der Kohlebahn aus dem Tagebau Hambach am Sonntag nach 23 Stunden freiwillig verließen, haben daher nichts zu befürchten. Nur gegen jene etwa 150 AktivistInnen, die länger im Gleisbett blieben und sich an die Schienen ketteten oder dies versuchten, werde wegen Störung öffentlicher Betriebe und Anlagen ermittelt, teilte die Polizei mit.

Daniel Hofinger von Ende Gelände verwies darauf, dass es auch in den letzten Jahren bisher keine rechtskräftigen Verurteilungen gegen TeilnehmerInnen der Aktionen von Ende Gelände gegeben habe. „Wir freuen uns über die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass Schienenblockaden erlaubt sind“, sagte er der taz.

Doch ganz so einfach ist es nicht: Die Staatsanwaltschaft Aachen wies darauf hin, dass RWE den Zugverkehr auf der Hambachbahn vorsorglich eingestellt hatte. Wäre ein Zug auf der Strecke gewesen, der wegen einer Blockade hätte bremsen müssen, könnte das als Nötigung bestraft werden.

Lokführer unter Schock

Das war einige Stunden später der Fall: Ein Personenzug von RWE wurde von zwei Personen gestoppt, die sich an die Schienen gekettet hatten. In dem Zug transportierte die Polizei jene AktivistInnen, die die große Blockade nicht freiwillige verlassen hatten. Der Lokführer musste eine Notbremsung einlegen, um den Zug 10 Meter vor der Blockade zu stoppen.

Er habe einen Schock erlitten und musste ausgetauscht werden. Eine dänische Aktivistin sagte der taz, sie hätte im Zug sieben Stunden ohne Trinkwasser ausharren müssen. Die Polizei wollte das auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren.

Der Stromkonzern RWE erklärte, durch die Aktion sei ein größerer wirtschaftlicher Schaden entstanden

Der Stromkonzern RWE erklärte, durch die Aktion sei „ein größerer wirtschaftlicher Schaden“ entstanden. Beziffert wurde dieser auf Nachfrage nicht. Auf die Stromproduktion hatte die Blockade nach RWE-Angaben hingegen keine Auswirkungen. Zwar zeigen Daten des Unternehmens, dass die Kraftwerke in Neurath und Niederaußem, die über die Hambachbahn mit Braunkohle versorgt werden, im Anschluss der Blockade um 25 und 50 Prozent gedrosselt wurden.

Dies habe aber an der geringeren Stromnachfrage gelegen, erklärte RWE. Diese Aussage wird dadurch bestätigt, dass zur gleichen Zeit auch das nahe gelegene Kraftwerk Weisweiler gedrosselt wurde, das nicht über die Hambachbahn versorgt wird.

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8 Kommentare

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  • Samstag Abend ist da normalerweise Hochbetrieb, oder wie? Das war doch die zärtlichste Gleisblockade seit langem. Erinnert sich hier etwa keiner an zB Castor schottern und ähnliche Aktionen?



    Wenn es jetzt keine juristische Handhabe gegen die Leute gibt, wie rechtfertigt sich dann noch der Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern?

  • In bin Skeptisch und halte diese extremen Demonstrationen nicht für Zielführend.

    • @Nadine Honold:

      weniger extreme Demonstrationen verklingen ungeachtet!

      Es ist Zeit für die Menschheit aktiv zu werden.



      Tatenlos zusehen ist keine Alternative!

      Ich möchte nicht auch Teil einer Generation sein, die sich sagen lassen muss: Aber dass haben doch unsere Eltern verbockt.



      Zuviel wurde seit den 1950 Jahren massiv verbockt.

      Wandel ist Evolution und Wandel ist immer!

  • Zwei Ergänzungen:



    1. Nach einer rechtskräftigen Entscheidung des OLG Celle, ist der bloße Aufenthalt auf einem Schienenstrang in keinem Falle eine Nötigung.



    2. Zu dem Lokführer unter Schock:



    Die Sache an sich erscheint soweit glaubhaft, als nach Angaben des EA, der wohl kontakt zu personen im Zug hatte, kein Lokführer mehr da war.



    Aber: Es hatte schon zuvor Blockadeaktionen des vorherigen Gefangenenzuges gegeben.



    Lokführer, Bahnbetreiber und Polizei mussten davon ausgehen, dass sich auf genau diesen Schienen weiterhiin Personen aufhalten könnten, und der Zug hätte daher zwingend nur mit sog. "Vorsichtiger Fahrt" also nur so schnell, dass er innerhalb der Sichweite jederzeit halten kann, fahren dürfen.



    Nach unbestätigten informationen aus dem Ende-Gelände-Umfeld hat der Lokführer vor der Schnellbremsung zudem eindeutige Warnsignale von Personen im Gleis an der Strecke ignoriert.

    • @Wagenbär:

      Und was hätte das genützt, wenn die Bahn die Leute erfasst hätte?

      Die Bahn oder der Lokführer wären bei Leuten die sich selbst ans Gleis ketten sehr wahrscheinlich nicht verurteilt worden.

    • @Wagenbär:

      Zu 2: genau. Soweit glaubhaft

  • Auch spannend, dass hier Kohlekraftwerke auf 25 oder 50 % Leistung gedrosselt werden können. In der diskussion um den Kohleausstieg heisst es dagegen immer, Kohlkraftwerke können nur Grundlastversorgung bieten und müssen immer auf voller Leistung laufen.



    Das wird also behauptet, wo es opportun scheint, damit der Haufen unnötig produzierten dreckigen Stromes exportiert werden kann, auch wenn er mit der Versorgungssicherheit überhaupt gar nichts zu tun hat.

    • @chn:

      Genau lesen: UM 25% AUF 50%. Natürlich kann man Kohlekraftwerke drosseln, fürht aber zu starkem Verschleiß und bei 50% ist langsam Schluß, da bei weiterer Drosselung der Kessel nicht mehr in Betrieb gehalten werden kann (also quasi runterfahren auf 0 und neu Befeuerung nötig wäre.)