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"Dass es inhaltlich als öbszöner Nationalismus und Nähe zur AfD verstanden wird, wenn PolizistInnen den Abschied ihrer KollegInnen mit übergroßer Deutschlandfahne feiern, ist daher völlig richtig."
Die Polizei dient dem Staat, die Deutschlandfahne symbolisiert den Staat, sich dazu zu bekennen ist Voraussetzung für den Staatsdienst. Gewerkschafter zeigen die Verdi-Flagge, Homosexuelle die Regenbogenfahne usw. Wo ist das Problem, einen Kollegen mit der Fahne des Staates zu verabschieden, dem er jahrelang gedient hat? Die Fahne steht für die Werte wie Freiheit, Demokratie und Toleranz.
Nö.
Es gibt Leute, die sich mit diesem Staat - dem Deutschland jetzt - identifizieren und sich als "stolz" auf dieses Land bezeichnen würden, und trotzdem Auschwitz nicht ignorieren. Das geht eindeutig.
Keine Position, in der ich mich wiederfinde, aber sie gibt es.
Die deutsche Fahne Schwarz-rot-gold ist eben nicht die Fahne der Nazis und nicht die Fahne des Kaiserreiches.
Es ist die Fahne eines demokratischen Rechtsstaates, der sich als Alternativentwurf zu Nazi-Deutschland versteht.
Sich mit diesem oder seinen Symbolen zu identifizieren, ohne agressive Schuldabwehr zu betreiben, geht.
Erst recht bei Leuten, die auf diesen Staat einen Amtseid geschworen haben.
Alles in einen Topf zu werfen, ist vielleicht einen Tick zu unterkomplex, um dem Thema gerecht zu werden.
Vogelschiss-Gerede zu kritisieren, geht besser.
Medien melden: Ab jetzt soll in Eigennamen wie „Bärbel’s Büdchen“ der Apostroph erlaubt sein. Dabei war er das schon. Ein Depp, wer das nicht wusste!
Kommentar AfD-Sprachregelungen: Aggressive Form der Schuldabwehr
Die AfD will Menschenfeindlichkeit verschleiern, nicht ablegen. Vorbild für dieses Versteckspiel sind die Publizist*innen der Neuen Rechten.
Hier zu landen, will die AfD unbedingt vermeiden: Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln Foto: dpa
Auf ihre Sprache achten sollen die Mitglieder der AfD in Niedersachsen und Hamburg. Sie sollen nicht mehr „Farbige sind Tiere“ sagen oder von einem „rettenden Führerstaat“ fabulieren. Die Partei will damit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen, fürchtet Schaden und Mitgliederschwund – etwa unter verbeamteten PolizistInnen und LehrerInnen. Das Manöver ist durchschaubar und wäre komisch, wüsste man nicht: Die AfD will Menschenfeindlichkeit verschleiern, nicht ablegen.
Vorbild für dieses Versteckspiel sind die Publizist*innen der Neuen Rechten, die es verstehen, ihre Barbarei hinter intellektuellen Phrasen zu verbergen. Sie beziehen sich auf den italienischen Faschismus statt auf den deutschen Nationalsozialismus, weil sich das nicht ziemt.
Angelegt ist diese Ideologie bereits bei den Vordenkern der Neuen Rechten, wie unter anderem der Historiker Volker Weiß darlegt. Etwa bei Armin Mohler, der die Tradition einer „konservativen Revolution“ jenseits nationalsozialistischer Verstrickungen erfand. Denn nur durch ein Ausklammern der deutschen Schuld an der Shoah ist ein ungebrochener Bezug auf Deutschland denkbar. Nur, wer den Zivilisationsbruch, der in Auschwitz geschah, ignoriert, kann nationalistisch und stolz auf Deutschland sein. Die AfD gibt sich damit alle Mühe, wenn der Hetzer Höcke mit der Erinnerungskultur bricht oder Gauland den Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte bezeichnet.
Mit dieser aggressiven Form der Schuldabwehr aber liegt die AfD im Trend deutscher Vergangenheitsbewältigung, die zu einer -entledigung tendiert. Seit der Wende bekam das neue nationale Selbstbewusstsein neuen Schub. Die deutsche Fahne wandelte sich spätestens seit der WM 2006 zu einem Symbol ungenierten Stolzes.
Dass es inhaltlich als öbszöner Nationalismus und Nähe zur AfD verstanden wird, wenn PolizistInnen den Abschied ihrer KollegInnen mit übergroßer Deutschlandfahne feiern, ist daher völlig richtig. Dass sie es selbst gar nicht mehr merken, Ausdruck des Zeitgeists.
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Alternative für Deutschland (AfD)
Kommentar von
Jean-Philipp Baeck
Investigativreporter
stv. Ressortleiter Reportage & Recherche. /// Zuvor: Produktentwickler der taz im Netz, Chef vom Dienst der taz nord in Hamburg, Redakteur und Volontär der taz in Bremen. /// Seit 2011 Journalist bei der taz, mehrere Jahre zudem auch beim Norddeutschen Rundfunk NDR. /// Soziologe und Kulturwissenschaftler, Studium in Bremen und Melbourne. /// Herausgeber von "Rechte Egoshooter - Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat", Ch. Links Verlag 2020, mit Andreas Speit /// Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit 2024 /// Threema-ID: UWSDA226 /// PGP Fingerprint: 3045 4A0E 6B81 226A A64E 0790 36BF 9C3A 6EC6 5D1F
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