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Ausstellung „So ist das bei uns“Lauter Individuen

Nihad Nino Pušija und seine „Bilder vernachlässigter Europäer“ in der Galerie am Körnerpark zeigen Pendler zwischen den Kulturen.

Aus der Serie „Parno Gras“ (Das weiße Pferd), Berlin, 1996 Foto: Nihad Nino Pušija

Marzahn, warum Marzahn? In einer Ausstellung mit dem Titel „So ist das bei uns – Bilder vernachlässigter Europäer“ erwartet man erst mal keine Fotos aus diesem Stadtteil. Auf den zweiten Blick aber wird klar, dass die sieben Farbbilder aus der Serie „#WeRemember“ hier unbedingt hingehören.

Nihad Nino Pušija hat dafür über ein paar Jahre hinweg immer wieder Fotos zum Thema Erinnerung an den Völkermord an den Sinti und Roma gemacht. Er zeigt in der Galerie im Körnerpark unter anderem die Gedenkstätte für das ehemalige Zwangslager für Sinti und Roma, das in Marzahn – damals noch ein Dorf, ringsum von Rieselfeldern umgeben – errichtet wurde, bevor die Olympischen Spiele 1936 begannen: die erste Aktion ethnischer Säuberung durch die Nazis. Zwei weitere Fotos der Serie zeigen Porträts von Fatima und Nadir Dedić, zwei Überlebenden des Konzentrationslagers Jasenovac (Kroatien).

„Bilder vernachlässigter Europäer“ – ein treffender Ausstellungstitel: Nihad Nino Pušija lenkt mit seinen Fotografien seit über 20 Jahren den Blick auf die Lebensrealitäten der über ganz Europa verstreuten Roma. In der Ausstellung liegt der Fokus auf kreativen Menschen, die zwischen den unterschiedlichen Kulturen des Kontinents pendeln. Der Fotograf zeigt hier nicht „die Geflüchteten“ oder „die Migranten“, er zeigt Individuen jenseits der üblichen Stereotype. „Es sind in sich abgeschlossene Porträtserien von Menschen und ihren persönlichen Geschichten entstanden, die über verschiedenartige Definitionen zu einer Gruppe werden“, sagt Pušija über seine Arbeiten.

Ein Bild aus der Serie „Chave“ (Kinder), die zwischen 1995 und 2018 entstand Foto: Nihad Nino Pušija

Da sind die Bilder der Kinder, dank digitaler Projektion sind es wahnsinnig viele, die mit wachen Augen stolz in die Kamera schauen, dass es eine Freude ist. Da grüßt ein alter Flamencotänzer, der in Sevilla ein leer stehendes Kulturhaus belebt. Da sind ein mehrfach von Abschiebung bedrohter Rapper und Aktivisten aus Essen oder Bilder von einem Fußballtraining in Barcelona zu sehen, ein Projekt, bei dem Roma und Nichtroma, Mädchen wie Jungen, zusammen Fußball spielen.

Und da sind die Männer in der dunkelblauen Uniform, die im tschechischen Brünn Kaffee trinken, eigentlich Musik in einer Band machen – oder sich in Pose werfen: Sie tragen Dienstkleidung und arbeiten im sogenannten Getto Brünns in der Asistenz Prevence Kriminality (AKP), die auf Streife geht und versucht, präventiv zu wirken.

Ausstellung und Bildband

Die Ausstellung Seit über 20 Jahren lenkt der Fotograf Nihad Nino Pušija, 1965 in Sarajevo geboren, seit 25 Jahren in Berlin lebend, den Blick auf die Lebenssituation der über ganz Europa verstreut lebenden Roma. Die Ausstellung „So ist das bei uns – Bilder vernachlässigter Europäer“ ist bis zum 9. Januar 2019 in der Galerie im Körnerpark in Neukölln zu sehen (Schierker Str. 8, Mo.–So. 10–20 Uhr, Eintritt frei).

Die Monografie Parallel zur Ausstellung ist bei Peperoni Books die Monografie „Nihad Nino Pušija: Down There Where the Spirit Meets the Bone“, herausgegeben von Lith Bahlmann und Matthias Reichelt, auf Deutsch und Englisch erschienen; der Band hat 304 Seiten und kostet 38 Euro. (heg)

Nihad Nino Pušija wurde 1965 in Sarajevo, damals Jugoslawien, heute Bosnien und Herzegowina, geboren. Er hat politische Wissenschaften und Journalismus studiert, hat also gelernt, genau hinzuschauen. Seit 1988 arbeitet er als freier Fotograf, realisierte Fotoprojekte in den USA, Italien, Belgien und England.

Seit 1992 in Berlin lebend, hat er unter anderem für das Museum Europäischer Kulturen und die Allianz Kulturstiftung gearbeitet und 1994 die Fotogruppe „Zyklop Foto Fabrik“ gegründet, ein Projekt exjugoslawischer und deutscher junger Künstler. Pušija zieht es also immer wieder in die weite Welt hinaus und immer wieder in seine alte Heimat. So kommen solche wichtigen Ausstellungen zustande.

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