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Nachspiel für Polizeikeule

Nach dem SEK-Einsatz gegen vermeintliche Hooligans gerät Polizeidirektor Knape in die Kritik. Er soll bei Misshandlungen anwesend gewesen sein. Heute berät Innenausschuss

Für Michael Knape hätte es ein gutes Jahr werden können. Ob in Talkshows, auf Expertentagungen oder auch im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses – egal wo der Leiter der Berliner Polizeidirektion 6 erscheint, erntet der 52-Jährige mit der Igel-Frisur Lob und Zuspruch. Gibt es doch keinen Polizeileiter, der der rechtsextremen Szene so offensiv den Kampf angesagt hat wie Michael Knape. Doch beim Einsatz in der Disco „Jeton“ vor einer Woche scheint er übers Ziel hinausgeschossen zu sein.

In der Nacht zu Sonntag hatte ein Sondereinsatzkommando (SEK) die Friedrichshainer Discothek gestürmt und innerhalb weniger Minuten kurz und klein geschlagen. Gewaltbereite Hooligans des Berliner Oberligavereins BFC Dynamo hätten sich zu diesem Zeitpunkt dort aufgehalten. Sie hätten für ein Spiel am folgenden Tag Randale geplant, lautete die Begründung der Polizei. Einem Teil der BFC-Fans wird eine Nähe zu gewaltbereiten Neonazis und Rechtsextremisten nachgesagt. 158 Besucherinnen wurden bei dieser Razzia festgenommen, mindestens 21 Menschen verletzt. Die Brutalität, mit der die vermummten Beamten vorgegangen waren, wurde damit gerechtfertigt, dass es in der Disco massiven Widerstand gegeben habe.

Bereits drei Tage später musste Polizeipräsident Dieter Glietsch diese Behauptung zurücknehmen. Im Laufe der vergangenen Woche häuften sich die Vorwürfe gegen den Polizeieinsatz. Immer mehr Opfer und Augenzeugen meldeten sich zu Wort, die mit der rechtsextremen Fußballszene nichts zu tun hatten, sondern harmlose Gäste eines Partyabends waren. Unter anderem feierte ein Fan des linken Vereins St. Pauli in dieser Nacht im „Jeton“ seinen Junggesellenabschied (Name ist der Redaktion bekannt). Er sei von einem SEK-Beamten mit einem Schlagstock zweimal am Kopf niedergeknüppelt und mehrmals getreten worden, sagte er der taz. Ein anderer berichtet, dass eine schwangere Frau von Polizisten von der Treppe gestoßen wurde und sich dabei den Arm brach.

Eine Aussage des ersten Zeugen könnte nun auch Polizeieinsatzleiter Knape unmittelbar belasten. Knape sei bereits in der Disco gewesen, als die Misshandlungen noch andauerten, so der Mann. Er habe ihn erkannt, weil der Polizist unvermummt war. Zuvor hatte die Polizei behauptet, dass die Einsatzbereitschaft, der Knape vorsteht, die Räume erst betreten hatte, als der SEK-Einsatz bereits beendet war.

73 Anzeigen gegen Beamte sind inzwischen erstattet worden, unter anderem wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Freiheitsberaubung. Die meisten Anzeigen dieser Art laufen in der Regel ins Leere, da die SEK-Beamten vermummt und auch nicht verpflichtet waren, sich zu kennzeichnen. Knape hingegen ist nun als einziger Beamter erkannt worden.

Ein politisches Nachspiel wird der Polizeieinsatz heute haben. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses wird der Polizeipräsident erklären müssen, warum seine Einsatzkräfte so handelten. Michael Knape wird dabei sein.

FELIX LEE

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