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Kommentar Referendum in MazedonienDas Feindbild hat ausgedient

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Das Referendum zur Namensänderung Mazedoniens mobilisierte zu wenige. Am Kurs Richtung Europa wird dieser Rückschlag aber nichts ändern.

Nach Verkündung der Ergebnisse: Wähler, die das Referendum boyottieren, mit mazedonischer Flagge Foto: ap

D ie Volksabstimmung über die Namensänderung der „Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ in „Nordmazedonien“ sollte den leidigen langjährigen Streit mit Griechenland beenden und das Land in die EU und die Nato führen. Doch auch wenn 90 Prozent der Wähler für die Namensänderung stimmten, so nahmen überhaupt nur 35 Prozent des Wahlvolkes an der Volksabstimmung teil. Zu wenig, um die Entscheidung herbeizuführen, dazu hätte es 50 Prozent Wahlbeteiligung gebraucht.

Dabei ging es bei der Abstimmung um viel mehr als um einen Namen – um die Zukunft des Landes und um die existentielle Frage, ob das Land in die EU und die Nato eintreten soll. Trotzdem gelang es nicht, die wahlmüde und politikskeptische Mehrheit der Menschen, die zwar nach allen Umfragen für die Integration in die EU und die Nato sind, zum Urnengang zu bewegen.

Die nationalistische Rechte VMRO-DPNE dagegen hat alles getan, um die Menschen buchstäblich von den Wahllokalen fernzuhalten. Sie sieht sich am Rande eines Abgrundes. Gewänne nämlich der Regierungschef und Sozialist Zoran Zaev noch einmal, könnte die VMRO-DPNE nie mehr wie bisher das Feindbild Griechenland an die Wand malen. Die skurrile Vereinnahmung von Alexander dem Großen als Held der slawischen Mazedonier reicht nicht mehr, um eine negative Stimmung gegen die nationale Gegensätze ausgleichende Regenbogenkoalition unter Zaev zu schaffen. Das Feindbild Griechenland wird nicht mehr dazu taugen, Wahlen zu gewinnen.

Zaev hat es mit der Namensänderung geschafft, die Griechen zu überzeugen, endlich ihren Widerstand gegen die Integration Mazedoniens in die EU und Nato aufzugeben. Jetzt muss der Hoffnungsträger der Linken auf dem Balkan zeigen, dass er die Nerven behält. Er muss eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zustande bringen. Das geht nur mit Überläufern. Wenn das nicht gelingt, muss er zur Klärung der Verhältnisse Neuwahlen ausrufen. Allen Rückschlägen zum Trotz: Zoran Zaev und sein griechischer Kollege Alexis Tsipras sind dabei, die politischen Koordinaten auf dem Südbalkan positiv zu verändern.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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2 Kommentare

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  • Lieber Herr Rathfelder,

    es ist mit Sicherheit richtig, dass die konservative Oppositionspartei vom Scheitern des Referendums profitiert. Dennoch ist die Situation um einiges komplexer als Sie es darstellen. Die linke Partei "Levica" hat ebenso zum Boykott aufgerufen, da sich im gesamten Prozess der Namensänderung und der Abstimmung zum EU- und Natobeitritt viele verfassungsfeindliche Maßnahmen ergriffen wurden. Ein Referendum über einen solchen Beitritt muss laut mazedonischer Verfassung obligatorisch sein. Das Einbringen der Frage ins Parlament nach einer Beteiligung unter 50% ist somit ein weiterer Verfassungsbruch. Viele Mazedonier aus allen politischen Lagern lehnen die Namensänderung ab, da es das Land erpressbar macht. Aus bulgarischen Medien ist bereits zu hören, dass der Name "Nordmazedonien" die Südwestbulgaren stört. Der Landstrich im Südwesten Bulgariens könnte, ja irgenswann "Ostmazedonien" werden. Griechenland sieht von seinem Veto ab, Bulgarien erteilt ein Veto und das Spiel beginnt von vorn.

  • "Er muss eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zustande bringen."

    Muss er das? Muss er wirklich zu Tricks greifen, um das Land unbedingt in die NATO zu bringen?

    Die Gefahr ist groß, dass ein in Griechenland und Mazedonien ungeliebtes Abkommen beide Länder destabilisiert. Ist es das wirklich wert? Oder solle man besser noch warten, bis eine Lösung gefunden wird, die von einer überzeugenden Mehrheit in beiden Ländern WIRKLICH mitgetragen wird?

    So lange dieser alberne Nationalismus noch tief in den Köpfen steckt, sehe ich keine Lösung. Ihn dünn zu überstreichen, ist keine.