Erdoğan auf Deutschland-Besuch: Ordentlich Tamtam
Kranzniederlegung, Staatsbankett, Frühstück mit Merkel: Bei seinem Besuch wird dem türkischen Präsidenten der Teppich ausgerollt. Ein Überblick.
Donnerstag, 13.30 Uhr: Kurz nach seiner Landung am Flughafen Berlin-Tegel ist Recep Tayyip Erdoğan am Pariser Platz angekommen. Vor dem Hotel Adlon, in dem er absteigt, hatten am Mittag rund 200 AKP-Anhänger mit Türkeifahnen auf ihn gewartet. Noch vor seiner Ankunft wurden sie aber von der Polizei in die umliegenden Straßen geschickt – „aus Sicherheitsgründen“. Bis zum Abend auf Erdoğans Programm: Treffen mit Vertretern von deutschtürkischen Organisationen und Unternehmen.
Freitag, 9.30 Uhr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfängt Erdoğan in Schloss Bellevue und lässt eine Militärkapelle der Bundeswehr für ihn spielen. Es ist Erdoğans erster Berlinbesuch als Staatspräsident, Steinmeier und die Bundesregierung spendieren ihm deshalb einen Staatsbesuch mit Bankett und militärischen Ehren. Der Opposition ist das zu viel, in ihren Augen hätte auch ein schlichter Arbeitsbesuch ohne viel Tamtam gereicht. Im Bundestag sagte Sevim Dağdelen (Linke) am Donnerstag, es sei das „falsche Signal“, Erdoğan den roten Teppich auszurollen.
11.30 Uhr: Erdoğan kommt im Kanzleramt an. Angela Merkel empfängt ihn zu einem Arbeitsessen, danach geben beide eine gemeinsame Pressekonferenz. Worum es im Gespräch gehen wird? Erdoğan, gerade im Handelsstreit mit den USA, möchte die Beziehungen zur EU wieder verbessern – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. Grundsätzlich möchte Merkel das auch, die Türkei ist für sie schließlich wichtiger Partner in der Migrationspolitik und in der Nato. Die Menschenrechtssituation in der Türkei kann sie aber nicht ignorieren. Selbst der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt forderte sie vorab auf, „das Schicksal deutscher Staatsbürger, die aus politischen Gründen ohne Gerichtsverfahren in der Türkei in Haft sitzen“, anzusprechen.
13.15 Uhr: An der Neuen Wache in Berlin-Mitte, der offiziellen Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, legt Erdoğan einen Kranz nieder.
19.30 Uhr: In Schloss Bellevue startet das Staatsbankett für den türkischen Präsidenten. Es fällt kleiner aus als geplant: Unter anderem die Fraktionsspitzen von FDP, Linkspartei und Grünen haben ihre Teilnahme abgesagt. Cem Özdemir möchte dagegen kommen. „Ich möchte gerade durch meine Teilnahme deutlich machen: Hier in der Bundesrepublik Deutschland gehört die Opposition dazu“, sagte er am Donnerstag im Bundestag. In Deutschland könne Erdoğan die Opposition nicht mundtot machen. „Deshalb gehe ich da hin.“
Samstagmittag: Nach einem Frühstück mit Merkel (die übrigens auch nicht zum Staatsbankett kommt) fliegt Erdoğan nach Nordrhein-Westfalen. Dort trifft er auf Schloss Wahn bei Köln zuerst Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Der Termin wurde erst am Donnerstag bekannt. Laut Rheinischer Post will der CDU-Politiker „auch kritische Themen wie die Pressefreiheit und die Situation inhaftierter Deutscher ansprechen“. Zu Erdoğans nächstem Termin kommt er nicht mit.
Samstagnachmittag: Zum Ende seines Deutschlandbesuch eröffnet Erdoğan in Köln offiziell die neue Ditib-Zentralmoschee. Der Moscheeverband wird maßgeblich aus Ankara finanziert und gesteuert. Nicht nur Ministerpräsident Laschet verzichtet auf den Termin, sondern auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagte ihre Teilnahme am Mittwoch ab. Sie wollte nur kommen, wenn sie als Vertreterin der Stadt sprechen darf. Ihren Angaben zufolge hatten die Organisatoren ihr das aber bis zuletzt nicht zugesagt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Ich habe um Hilfe gerufen“