geht’s noch?
: Dubiose Doppelrolle

Die Regierung schickt eine Ex-Verfassungsschützerin in den Amri-Untersuchungsausschuss. Aber nicht als Zeugin, sondern als Aufpasserin, damit niemand Geheimnisse ausplaudert

Da sitzt diese Frau im Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestags, in dem Gremium, das mögliche Behördenfehler vor dem Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt aufklären soll. Sie arbeitet im Innenministerium und war bis mindestens Sommer 2016 selbst für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. Genauer: Sie soll in der Abteilung, die für Islamismus zuständig war, gar für die Auswertung von Informationen über Kontaktleute von Anis Amri zuständig gewesen sein.

Dadurch könnte sie über Wissen verfügen, mit dem sie theoretisch als Zeugin vor dem Ausschuss befragt werden könnte. Tatsächlich sitzt sie dort im Ausschuss und überwacht nach Berichten der Zeitung Die Welt, dass während der Sitzungen nicht zu viele Geheim­informationen der Sicherheitsbehörden publik werden. Eine Ex-Verfassungsschützerin wacht also darüber, was gesagt wird in dem Untersuchungsausschuss, der mögliche Fehler ihres früheren Arbeitgebers aufklären soll.

Von dieser zumindest unappetitlichen Doppelrolle wollen die Abgeordneten im Ausschuss erst am Dienstag durch ein Schreiben erfahren haben. Nun folgen die üblichen Reflexe: Die Opposition wütet, der Ausschussvorsitzende prüft, das Innenministerium sprechautomatet, dass die Aufklärungsrechte des Untersuchungsausschusses natürlich weiter „vollumfänglich gewahrt“ blieben. Ganz schön schwach, wenn da nicht noch mehr kommt.

Das Schlimmste daran ist wahrscheinlich, dass kaum jemand davon wirklich überrascht ist. Alle parlamentarischen Versuche, mehr Licht in den Verfassungsschutzsumpf rund um die NSU-Morde zu bekommen, sind doch schon mehr oder minder gescheitert. Was soll man von solchen Untersuchungsgremien also noch erwarten? Und was vom Innenministerium – nach der Versorgungsposse um Ver­fassungsschutzpräsident Maaßen? Und mit diesem Minister, der so heimat­versessen ist, dass er schon seit Monaten an seiner Rückkehr nach Bayern ­arbeitet?

Wenn das Innenministerium vernebelt und vertuscht; statt Versäumnisse des Verfassungsschutzes im Fall Amri aufzuklären, fördert es nicht nur, dass Menschen sich angeekelt von der Politik abwenden. Es führt nicht nur demokratische Kontrollprozesse ad absurdum. Sondern es öffnet auch Rechtspopulisten und -extremisten den Raum für all ihre Verschwörungstheorien und Hetzreden. Dem Bürger werde was verschwiegen, so deren Grunderzählung. Je mehr da dran ist, desto schlimmer für die Demokratie. Meike Laaff