Susanne Messmer wundert sich mit Petra Pau und SchülerInnen aus Moabit, was AfD-Politiker so alles sagen: Kümmelhändler und Kameltreiber
Am interessantesten wird es, als David Gilles vom Verein „Gesicht zeigen!“ bunte Tafeln auf den Boden legt. Darauf stehen kurze Zuordnungen wie „übelst sexistisch“, „blödes Klischee“ oder „stimmt“. Dann bekommen die umsitzenden Schüler aus der Oberstufe der Theodor-Heuss-Schule in Moabit Aussagen von AfD-Poltikern auf großen weißen Papierbögen, die sie den Tafeln zuordnen sollen. Ihre Bewertung sollen sie anschließend in der Runde begründen, die heute die Vorsitzende des Deutschen Bundestages Petra Pau (Linke) leitet. Pau arbeitet schon seit 2015 als so genannte Störungsmelderin für „Gesicht zeigen!“ und spricht immer wieder bundesweit mit Schülern. Heute, beim Workshop in Moabit, geht es um die AfD und den topaktuellen Rechtspopulismus in diesem Land.
Eine der krassesten Aussagen, die nun auf dem Boden liegen und von den Schülern sofort als „echt diskriminierend“ eingeschätzt wurde, stammt von André Poggenburg, bis vor Kurzem Vorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt. Der Spruch sorgte im Februar für Schlagzeilen, weil in ihm von „Kümmelhändlern“ und „Kameltreibern“ die Rede war. Direkt befreiend ist das, wie wild das Gelächter in der Runde ausbricht. Viele der Schüler, die sich übrigens schon im Vorfeld kollektiv entschlossen haben, der Presse keine Einzelinterviews geben zu wollen, tragen türkisch und arabisch klingende Vornamen auf ihren Jacken.
Über eine andere Aussage, diesmal vom AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag Björn Höcke, wird länger diskutiert. Es geht um eine Rede bei einer Kundgebung im vergangenen Jahr, bei der er von der „Wiederentdeckung der Männlichkeit“ und der „Wehrhaftigkeit“ sprach. Zunächst finden die Schüler diese Aussage „komisch, aber okay“. Erst auf Nachfrage sagt eine: „Geht es nicht um Selbstbewusstsein?“ Ihr Gesicht wird zweifelnder, als Petra Pau zurückfragt: „Und warum sollen nur die Männer wehrhaft sein?“
Petra Pau ist an diesem Vormittag gut gelungen, mit den Schülern ins Gespräch zu kommen. Das spürt man auch als stille Beobachterin, die nur zur Halbzeit kommen durfte, sofort. „Unser Problem ist größer als die AfD“, sagt sie immer wieder, „wir haben ein Problem mit Gewalt.“
Offensichtlich wird, dass sie damit bei diesen Schülern auf Verständnis trifft. Am Ende erzählen einige sehr eindrücklich von einer Klassenreise nach Polen, wo sie mehrfach angefeindet wurden. Eine von ihnen wurde angespuckt, weil sie Kopftuch trug. Eine wurde aus dem Bus geworfen, weil sie auf Persisch telefonierte. Die Polizei schritt nicht ein, als sich ein Schüler beschwerte – und entschuldigte sich, als sich die Schule im Nachhinein beschwerte. Eine Geschichte, die hier und heute wie eine Warnung klingt.
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