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OECD zu Integration geflüchteter FrauenDreifach benachteiligt

Laut einer Studie kommen weibliche Geflüchtete mit einem schlechteren Bildungsgrad nach Deutschland. Sie sollten gezielt Sprachkurse erhalten.

Geflüchtete Frauen bekommen oft ein Jahr nach Ankunft ein Kind – das erschwert die Teilnahme an Kursen Foto: dpa

Geflüchtete Frauen haben es in Europa nicht nur schwerer als geflüchtete Männer, sie sind auch anderen Migrantinnen gegenüber benachteiligt. Das zeigt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die die internationale Organisation am Donnerstag veröffentlichte. Die Untersuchung trägt daher nicht umsonst den Titel „Dreifach benachteiligt?“.

Weibliche Geflüchtete kommen zumeist aus Ländern, in denen Frauen gegenüber Männern gleich mehrfach benachteiligt sind: bei der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt, in der Familie. Das setzt sich während und nach der Flucht fort. So haben geflüchtete Frauen einen geringeren Bildungsstand als geflüchtete Männer. Sie sind auch „unter den Personen ohne grundlegende Qualifikationen überrepräsentiert“, heißt es in der Studie.

Das hat zur Folge, dass sie im Schnitt etwa 10 bis 15 Jahre brauchen, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Viele geflüchtete Männer hingegen bekommen laut Statistik innerhalb von fünf bis neun Jahren einen Job. „Weibliche Geflüchtete sind einer Reihe von Integrationsherausforderungen ausgesetzt“, sagt Thomas Liebig, Autor der Studie und bei der OECD zuständig für internatio­nale Migration.

In der EU lebten 2014 etwa 800.000 geflüchtete Frauen. Seit dem Sommer 2015 erhielten zusätzlich 500.000 weibliche Geflüchtete einen Schutzstatus, 300.000 von ihnen leben in Deutschland.

Eine gezielte Förderung wäre dringend nötig

Generell sind 45 Prozent der Geflüchteten Frauen. Finden diese einen Job, arbeiten sie meist Teilzeit, und das öfter als nichtmigrantische Frauen. Das hat laut OECD nicht nur mit ihrem schlechteren Gesundheitszustand zu tun. Es liegt auch daran, dass die Frauen – im Gegensatz zu Männern – seltener über Netzwerke verfügen. Zu beobachten sei zudem, dass viele geflüchtete Frauen etwa ein Jahr nach ihrer Einreise Kinder bekämen. Ungeachtet dessen erhalten weibliche Geflüchtete seltener als Männer Sprach- und Integrationskurse, sie nehmen zudem seltener an Arbeitsmarkt­förderungen teil.

Erfahrungen aus Skandinavien zeigen indes, dass Frauen innerhalb einiger Jahre Lücken bei Bildung und Job aufholen, wenn sie gezielt gefördert werden. Wies ein Großteil von ihnen nach ihrer Einreise beispielsweise in Schweden eine nur geringe Bildung auf und konnte auf dem Arbeitsmarkt deswegen kaum vermittelt werden, stieg danach ihre Erwerbsquote innerhalb von 10 bis 15 Jahren stark an. Die Beschäftigungsquote der Männer hingegen stagnierte.

„Strukturierte Integrationsprogramme wie in Skandinavien scheinen eine lohnende Investition zu sein“, kommentiert Studienautor Liebig. Das gelte insbesondere für Frauen, die davon am stärksten profitierten, während die Integration von Männern auf demselben Level bliebe.

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7 Kommentare

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  • Ja, da gebe ich Ihnen Recht. Auch die Aussage, 45% der Geflüchteten seien Frauen, stimmt so nicht. 45% der Geflüchteten sind weiblich, also vom Säugling bis zur Greisin, und schon deswegen bekommen die nicht im ersten Jahr ein Kind.



    Und falls die gebärfähigen Frauen tatsächlich im ersten Jahr ein Kind bekommen, dann fehlt es bei der Verhütungsberatung.

    • @Kolyma:

      Das war für "Vorausschauend ist Besser" gedacht.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    "Geflüchtete Frauen bekommen oft ein Jahr nach Ankunft ein Kind"

    Frau Schmollack, so eine Äußerung, oh oh oh! Na, das könnte aber nach hinten losgehen. Das halte ich für nicht plausibel.

    Das klingt gerade so wie die üblichen Vorurteile aus der braunen Ecke heraus, wo es dann immer heißt: Die kommen her und machen gleich ein Kind, damit man sie nicht mehr abschieben kann und dann bekommen sie noch Kindergeld usw.

    Oder Saarazin, der in seinen Büchern schreibt, dass die Muslime Deutschland mit der Geburtenrate erobern wollen.

    Wenn Sie Frau Schmollack das jetzt auch noch so schreiben, könnte man ja glatt glauben, die rechte Soße hat am Ende noch Recht mit ihrem dummen Gequatsche.

    Nichts für ungut, aber diese Äußerung sollte doch erst noch auf den Prüfstand kommen.

  • Würden Männer in den Herkunftsländern Frauen und überhaupt Schwächere nicht so stark unterdrücken, gäbe es viel weniger Fluchtgründe und damit auch viel weniger Flüchtende.

    Klar, auch Männer leiden unter struktureller Gewalt. Aber Frauen sind ihr in besonderem Maß ausgesetzt. Männer verdienen zwar das Haushaltseinkommen, Frauen aber müssen daraus Sinnvolles machen: essbare Mahlzeiten, saubere Kleidung, ein gemütliches Heim, gesunde, wohlgeratene Kinder usw. - ein Job ohne Ende.

    Die o.g. Aufgaben werden in kaputten Gesellschaften nicht ausreichend gewürdigt. Trotzdem sorgen sie dafür, dass viele Frauen starke Verantwortungsgefühle entwickeln. Die sind (zu) oft stärker, als ihr Selbstwertgefühl und ihr Vertrauen in die Solidarität der Gesellschaft zusammen. Das macht sie anfällig für Drohungen aller Art und lässt sie Chancen verpassen.

    Frauen beobachten oft genauer als Männer. Sie gehen Risiken eher aus dem Weg. Auch, weil die direkte Konfrontation sie, die schon am Limit leben, endgültig überfordern würde. Es reicht also nicht, sie in einen Deutschkurs zu stecken und ihnen einen Job oder eine Ausbildung zu geben. Man muss den Frauen ihren Wert erklären. Ihnen gewaltsam das Kopftuch abzunehmen, ist überhaupt nicht zielführend.

    Übrigens fordert (nicht: fördert!) auch das Deutsche Recht Migrantinnen besonders stark. Ihre hier geborenen Kinder sind seit ein paar Jahren unter bestimmten Bedingungen automatisch Deutsche. Wer das Gesetz eher vom Hörensagen kennt, könnte Kinder für eine Art Versicherung halten. Auch, weil sie sich leichter integrieren als Erwachsene. Und wer ist zuständig fürs Kinderhaben? Genau: Die Frau – die dann lieber nicht arbeiten geht oder studiert, weil sie Prioritäten setzt.

    Gegen strukturelle Benachteiligung kann strukturelle Förderung helfen. Aber nur, wenn sie gut gemacht ist und nicht bloß gut gemeint. Sie muss auf die Bedürfnisse der Benachteiligten gereichtet sein, nicht auf die der Privilegierten. Und daran hapert es derzeit. Mächtig.

    • @mowgli:

      Hier geborene Kinder werden doch nur automatisch deutsche Staatsbürger, wenn ein Elternteil eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt.



      Das ist bei Flüchtlingsfrauen doch gar nicht der Fall.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      §219 abschaffen, Flüchtlingsfrauen aufklären!

      Gleiche Rechte für alle Frauen in Deutschland!