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Kolumne Press-SchlagUnterirdische Pfeifen

Kolumne
von Johannes Kopp

Der Deutsche Fußball-Bund sperrt Wolfgang Stark als Videoassistenten. Damit wird ein Systemproblem personalisiert.

Kölner Kontrollraum: Video-Assistenten bei der Arbeit am Bundesligaspieltag Foto: dpa

D ie Eingabe „Köllner Keller“ genügt schon, um von der populärsten Suchmaschine im Internet erst einmal mit Treffern zum Thema Videobeweis versorgt zu werden. Ob die deutschen Videoschiedsrichter auch im wahrsten Sinne des Wortes unterirdisch arbeiten, konnte durch eine Kurzrecherche nicht verifiziert werden. Klar ist nur, dass sie sich für ihre Kontrollmission im Cologne Broadcasting Center einfinden müssen. Dort wiederum sitzen sie im sogenannten Replay Center, in das jedenfalls nach Inaugenscheinnahme aller Fotos kein Tageslicht einzudringen scheint.

Der „Köllner Keller“ ist vermutlich zu einem geflügelten Begriff in der Videobeweisdebatte geworden, weil er so gut zum Synonym für Intransparenz, Verschlossenheit und Muffigkeit taugt, weil er so gut zum deutschen Schiedsrichterwesen passt.

Warum etwa Wolfgang Stark aus dem Kölner Keller in diesen Tagen „bis auf Weiteres“ nach fragwürdigen Eingriffen bei der Partie Wolfsburg gegen Schalke verbannt wurde, erschließt sich ebenso wenig wie der Umstand, dass er überhaupt hineingelassen wurde.

Fehlerhafte Eingriffe aus Köln gab es im Verlauf der letzten Saison zuhauf, eine Sanktion aber folgte nie. Das System und nicht die ausführenden Kräfte standen in der Kritik. Das Premierenjahr des neuen technischen Hilfsmittels war ein Desaster. Noch nie wurde so viel und kontinuierlich über getroffene und zurückgenommene Schiedsrichterentscheidungen diskutiert, und das ist bekanntlich immer das schlechteste Zeichen für die Riege der Unparteiischen, die am liebsten in der Sphäre der Unscheinbarkeit ihr eigenes Ding macht.

Pöstchen für die Altvorderen

Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb die beiden bereits im Ruhestand befindlichen Ex-Schiedsrichter Wolfgang Stark und Günter Perl im Kölner Keller mit einem Pöstchen versorgt wurden. Im patriarchalen System des deutschen Schiedsrichterwesens muss man eben die richtigen Freunde haben. Wer, warum, wann befördert wird, erschließt sich nur dem, der mit den persönlichen Netzwerken vertraut ist. Ein transparentes, nachvollziehbares Bewertungssystem gibt es nicht.

Das Risiko, dass die Altvorderen dem Nachwuchs zeigen wollen, wie man denn eigentlich richtig pfeift, hat man mit der Berufung von Stark und Perl bewusst in Kauf genommen. Von solchen Leuten kann man die Zurückhaltung, die Videoassistenten vornehmlich auszeichnen soll, kaum erwarten.

Mit Zeitsperren ohne transparente Bemessungs-grundlage fördert man die Günstlingswirtschaft und ein Klima der Angst

Derlei Entscheidungen erklären unter anderem, weshalb der Videobeweis bei der WM in Russland, wo man ohne ehemalige Referees auskam, besser angewandt wurde. Mit der Sanktionierung von Stark „bis auf Weiteres“, versucht der DFB nun, das Problem zu personalisieren. Individuelle Fehler werden mit einer Sperre auf Zeit bestraft. Mal länger, mal kürzer oder doch überhaupt nicht. Sinnvoll wäre es dagegen, das fehlerhafte System zu verändern und ehemalige Schiedsrichter als Überwacher grundsätzlich auszuschließen. Mit Zeitsperren ohne transparente Bemessungsgrundlage fördert man die existierende Günstlingswirtschaft und ein Klima der Angst. Die nächsten Fehler sind vorprogrammiert. Das Thema Videobeweis bleibt der Bundesliga erhalten.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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1 Kommentar

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  • Tatsächlich: Der Link "Köllner Keller" funktioniert bestens. Auch mit zwei l.