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Land setzt auf Hühnerhaft

Die Landesregierung möchte das Freilandverbot für Geflügel teilweise durchsetzen – entgegen einer Eilverordnung des Bundes. Naturschützer: „Ansteckung durch Zugvögel unwahrscheinlich“

VON GESA SCHÖLGENS

Nordrhein-Westfalen plant einen eigenen Weg zum Schutz vor der Vogelgrippe. Gemeinsam mit Niedersachsen und Holland möchte die Landesregierung eine Ansteckung des Geflügels durch Zugvögel verhindern. Das NRW-Landwirtschaftsministerium will Federvieh in besonders gefährdeten Gebieten einsperren – entgegen einer Eilverordnung der Bundesregierung. Berlin lehnt ein Freilandverbot bislang ab. Statt dessen sollen Wildvögel und Geflügelbestände intensiv beobachtet werden.

Eigentlich wollten heute Landesvertreter aus NRW, Niedersachsen und Holland über ein generelles Aufstallungsgebot beraten (taz berichtete). Doch Bundesverbraucherministerin Renate Künast kam ihnen in die Quere. Laut Künast reicht ein Wildvögelmonitoring vorerst völlig aus. „Wir folgen damit einer Empfehlung der EU-Kommission“, sagt eine Sprecherin des Bundes.

Künasts Kehrtwende passt den Ländern gar nicht. „Wir hätten uns ein einheitliches Vorgehen gewünscht“, so Sabine Raddatz vom NRW-Landwirtschaftsministerium. Das geplatzte Treffen ändere aber nichts an den gemeinsamen Maßnahmen mit Holland. In den Niederlanden sei das Freilandverbot vor zwei Wochen überall in Kraft getreten, doch NRW müsse das Verbot auf gefährdete Gebiete beschränken. Wo und ab welcher Betriebsgröße, steht noch nicht fest. „Es gibt Überlegungen, aber nichts Definitives“, sagt Raddatz. Momentan gäbe es Gespräche mit den Geflügelhaltern. Gerade am Niederrhein sei ein strenges Aufstallungsgebot sinnvoll, so die Sprecherin. Dort überwintern und rasten ab September hunderttausende Zugvögel, vor allem Wildgänse aus Russland, wo die Vogelgrippe bereits 11.000 Tiere dahinraffte.

Morgen beraten Veterinäre aus Holland, NRW und Niedersachsen über Schutzvorkehrungen in Grenznähe. „Das ist schon wichtig, kann aber ein Treffen auf Ministerebene nicht ersetzen“, so Gert Hahne vom niedersächsischen Landwirtschaftsmininisterium. NRW und Niedersachsen seien „enttäuscht“ über die Haltung der Bundesregierung. „Der Bund sieht nicht den Ernst unserer Lage“, so Hahne. Bei der letzten Geflügelpest vor zwei Jahren mussten in NRW und Holland Millionen Hühner getötet werden. Setzen die Bundesländer ihren Alleingang durch, drohten Sanktionen seitens der EU – bis hin zum Exportverbot von Geflügel.

Der Geflügelwirtschaftsverband NRW befürwortet ein Freilandverbot – sofern unmittelbare Gefahr für die Betriebe besteht. Wie groß das Risiko tatsächlich ist, müssten Fachleute entscheiden, so Verbandsvorsitzender Albert Huber. Er fürchtet, dass sich die Vogelgrippe vom Niederrhein weiter ausbreiten könnte. Unter diesen Umständen sei eine Aufstallung durchaus sinnvoll.

Naturschützer teilen hingegen die Auffassung des Bundes: Sie halten eine Ansteckung durch Wildvögel für unwahrscheinlich. Zuchttiere müssten schon direkt in Kontakt mit erkrankten Vögeln oder deren Kot kommen. „Gefährlicher sind illegale Vogeltransporte oder die Übertragung des Virus durch Menschen“, sagt Josef Tumbrinck, Vorsitzender des Naturschutzbundes NRW. Bei artgerechter Haltung könne man das Federvieh notfalls für begrenzte Zeit einsperren – etwa in überdachten Freigehegen. Für Menschen bestehe kaum Ansteckungsgefahr. „Da müsste man schon eine infizierte Ente mit ins Bett nehmen“, so Tumbrinck.

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