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Kolumne Leuchten der MenschheitEr ist wieder da

Neues von Thilo Sarrazin: Der Erniedrigte schreibt unaufhörlich weiter. Diese Woche kommt sein neues Buch heraus. Es geht kaum schlimmer.

Wer rollt ihm den Teppich aus und was hat er im RucksacK? Thilo Sarrazin, hier 2011 in Berlin Foto: dpa

E s ist gar nicht so sehr, was er sagt, sondern wie er es sagt. Dieser kleinkarierte Ton des Miesepeters. Des Besserwissers, der mit Halbwissen auftrumpft und sich so gerne selber reden hört. Penibel, stur, unglaublich von sich überzeugt. Gemeint ist Thilo Sarrazin, der abtrünnige Sozialdemokrat, der diese Woche ein neues Buch veröffentlicht. Sarrazin, der Kauz, den Millionen Deutsche lesen, der Dinge sagt, die sich angeblich kaum (mehr) jemand zu sagen traute.

Zumindest nicht in diesem Ton, der nach der schaurigen Machtübernahme der 68er (brutale rot-grüne Diktatur von 1998 bis 2005) und später auch dank Frau Merkel in den besseren Kreisen der Bundesrepublik weniger zu hören war. Und gegen die Sarrazin 2010 seine Retro-Gedanken in Stellung brachte („Deutschland schafft sich ab“), die an die Zeiten vor 1998 erinnerten, als die Kohl-CDU noch jeden Wahlkampf mit ausländerfeindlicher Propaganda führte – und gewann. 1998 kam der Bruch damit (68er-Gesinnungsdiktatur!), und das Bekenntnis zu einer Bundesrepublik als Einwanderungsland und nach Herkünften pluraler Nation.

Mit seinem millionenfach verkauften Seller „Deutschland schafft sich ab“ kratzte Sarrazin 2010 laut an diesem 1998 formulierten neuen Selbstbild. Drei Jahre vor Gründung der AfD bedeutete die Retro-Schrift eine deutliche Zäsur. Und wahrscheinlich ging damals etwas gehörig schief. Etwas, was die Streitkultur und die SPD betrifft, die ihren Senator in Berlin nicht mehr eingefangen bekam.

Der sprach von Missständen, über die andere in seiner Partei schweigen wollten. Sie wurden zu seiner Obsession. Er begann, komplexe Zusammenhänge auf sein Alltagsbild herunterzubrechen. Legendär, wie er – wie immer halbrichtig – Sozialhilfeempfänger nicht als rein passiv zu versorgende Opferklientel einstufte und ihnen mit preußischen Tugenden drohte.

Der Pedant wurde zum Eiferer

Zunehmend versteifte sich der Solitär aber auf eine besondere Gruppe: die Migranten muslimischer Herkunft, die er weniger als diskriminiert denn als privilegiert ansah. Und deren demokratiefeindliche islamistische Ränder nicht nur er als Bedrohung der grundgesetzlich garantierten Ordnung erkannte.

Der Pedant wurde zum Eiferer, dem im linken Mainstream keiner Gehör schenken wollte. Man könnte sagen: In gleichem Maße, wie die politische Linke feststellbare Probleme mit den Rändern gewisser Minderheiten tabuisierte, versteifte er sich darauf, diese immer stärker zu dramatisieren. Bis sich der Kreis schloss. Der Erzürnte, der Unverstandene, „einer von uns“, eroberte den Diskurs für den neuen Alltagsrassismus. „Deutschland schafft sich ab“ ist das Symbol des Stimmungsumschwungs in der Republik, der dem Verlust der linken Hegemonie vorausging.

Es wäre wohl klüger gewesen, die diskutierbaren Anteile seiner Zeitdiagnostik von jenen kleinkarierten Biologismen abzuspalten, die für den Rechtsradikalismus kooptierbar sind. Also Probleme mit Zuwanderung, Integration, Trittbrettfahrern und dem konservativ-islamischen Spektrum offen zu diskutieren. Stattdessen wurde Sarrazin nach rechts homogenisiert.

Was das Drama lehrt

Und der Erniedrigte, im eigenen Lager Unverstandene schreibt unaufhörlich weiter. Die nächste Folge des Dramas erscheint am 28. August. Sie trägt den programmatischen Titel „Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ (Finanzbuchverlag). Der deutsche Volkswirt klärt auf 500 Seiten auf.

Es geht kaum schlimmer. Denn das ist zu erwarten: Der von seinen ignoranten Gegnern bis aufs Blut gereizte Laizist und Rechthaber Sarrazin baut weiterhin mit groben Klötzchen an seiner Abstammungstheorie angeblich höherer und minderwertiger Kulturen. Bislang jedenfalls hat er real feststellbare Missstände in den Herkunftsländern von Migranten aus der islamischen Welt dazu missbraucht, sie insgesamt zu stigmatisieren.

Dabei gilt es, und das lehrt gerade das Drama um Sarrazin, zu differenzieren. Etwa den Islamisten vom Islam zu unterscheiden, genauso wie den Nazi vom Konservativen.

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.

18 Kommentare

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  • Einfach gar nicht ignorieren! Mein früherer Zahnarzt spart jetzt schon täglich auf dieses Buch «(º¿º)»

  • Warum rührt die Taz hier die Werbetrommel?



    Wenn das Buch erschienen und auch gelesen ist, könnten ja die Ansichten von TS von der Taz zerlegt werden.

  • 7G
    75026 (Profil gelöscht)

    "...die politische Linke feststellbare Probleme mit den Rändern gewisser Minderheiten tabuisierte..."



    Das kontrastiere ich mal mit dieser Umfrage, derzufolge nicht nur die "Ränder", sondern mehr als die Hälfte der Migrant/innen aus beispielsweise Syren, Irak oder Afghanistan ein antisemitisches Weltbild haben:



    www.sueddeutsche.d...er-aus-1.3921657-4

    "Es wäre wohl klüger gewesen, ... Probleme mit Zuwanderung, Integration, Trittbrettfahrern und dem konservativ-islamischen Spektrum offen zu diskutieren." Das ist natürlich richtig, aber das erstgenannte Zitat mit seiner verdrucksten und verharmlosenden Formulierung zeigt deutlich, dass die Bereitschaft zu einer solchen offenen Diskussion immer noch kaum vorhanden ist. Und klar, die Weigerung, sich dem zu stellen, treibt dem Rechtspopulismus die Wähler/innen massenhaft zu.

  • Ojeh, jetzt kommen wieder Sarrazin-Sprüche! Der SPD-Mann ist inzwischen so peinlich, dass seine Käuferschaft aus 100%igen AfD-Hutbürgern bestehen muss. Der Mann ist ein verwirrter Rassist - sonst nichts!

  • Ein überraschend differenzierter Beitrag in der TAZ über Sarrazin! Gerne mehr davon ....

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wie Wiglaf Droste Sarrazin würdigen würde: ein Irrläufer der Evolution.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Ich bin ja nun kein reiner Fan von Droste, allerdings hat er Probleme der Migration kürzer, prägnanter und papiersparender formuliert, als Sarrazin jemals ein Interesse hätte, es zu tun.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @aujau:

        Wer ist schon ein 'reiner Fan'?

        Ich bemühe mich stets darum, eine Aussage von der Person zu trennen, die sie betätigt. Das gelingt nicht immer.

        Was Droste angeht, finde ich manches toll, anderes für die Tonne.

        Über das, was ich toll finde, freue ich mich, auch öffentlich. Über das, was mir nicht gefällt, decke ich den Mantel des barmherzigen Schweigens.

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Liggers - metoo

          & a tazis;)



          Danke für das feine Fotto & dess!



          “Wer rollt ihm den Teppich aus und was hat er im RucksacK?



          Thilo Sarrazin, hier 2011 in Berlin“



          & Däh! - wie fein -



          Erkennbar - mit Schiß inne Butz!



          Er traut dem Braten nicht -



          'Wer zieht in dem unterm Arsch - öh



          Pantoffel - Wisch&Weg*¿*'



          Nu. Normal.

          kurz - Die verfolgte Unschuld von’s Schland!;)((

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Buchs. Soviel Zeit muss sein.

            • @76530 (Profil gelöscht):

              Nö. Nö. Irgendwo mal anblättern!



              Dürfte reichen

              Halt mich an die Devise meines ansonsten erzreaktionären katolschen



              Letzten Deutschpauker.



              “Man muß ein Ei nicht aufessen - um festzustellen - ob/daß es faul ist!“

              unterm——



              Daß dieser Elvis-Verschnitt im weißen Staubmantel -;) das noch etwas zielgerichtet-anzüglicher - Gezischelt hat!;) Normal.



              Geschenkt.



              &



              Njorp.

              • 7G
                76530 (Profil gelöscht)
                @Lowandorder:

                Nöö, Minher.

                So wie das 'Eier-Zitat' nicht das einzig Existierende ist, verhält es sich auch mit den Verdauungsprodukten im Kleidungsstück.

                Buchs, Bux, Büchs, Büx sind sehr gebräuchlich.

                Aus der Abteilung Alt und Fit.

                • @76530 (Profil gelöscht):

                  Ok Ok - ;) & Dannichfür;)



                  Empfehle als Satt&Kompensio ;)

                  www.zeit.de/1990/4...wohlt-poohs-corner



                  Ich und Schmidt-Bargfeld



                  Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand



                  (Hör&sonstige Fehler & Inknobi!;)

              • @Lowandorder:

                & wo wir hier grad beie Kultür sün.



                Un ehre ungenießbaren Pharisäer - wa!

                Mit gar nicht klammheimlicher Freude lauschte ich einem jüngeren Kollegen über einen widerlichen Deutsch&Geschichte-Pauker an seiner katolschen Privatschule - “kriegte nen Affen - wenn ne Karte mit Oder/Neisse



                Linie auftauchte" & Däh! - “…der ist doch von deiner Penne geflogen wg irgendsoner Puff&Weiber-Affäre!"



                Normal.

                Ja - da lacht der Kleingärtner. Woll!;)

  • Ach der Thilo Sarrazin, bekam die Erziehung seiner Kinder nicht auf die Reihe und faselt von Abstammungstheorien. Hätte ihm die SPD doch damals ein schönes Amt gegeben - Bundesminister wäre das mindeste gewesen, dann säße er heute auf dem Sofa und würde uns nicht mit seinen Verschwörungstheorien behelligen.

  • Könnte man diesen Sozialhilfeempfänger mit seinen Hirnfürzen nicht einfach ingorieren? Natürlich nicht, denn sonnst könnte man in ein paar Monaten nicht wieder darüber jammern, wie gut sich die Bücher von Herrn Sarrazin verkaufen und wie schlimm das ist und dann laut die Frage stellen wieso denn so viele seine Bücher kaufen. Herr Sarrazin gehört in die Kategorie "Nicht satisfaktionsfähig" und sollte so behandelt werden.

    • @Adele Walter:

      ;)) - anschließe mich

  • "Stattdessen wurde Sarrazin nach rechts homogenisiert." Er wurde nicht, er hat sich...! Kein passives, ein aktives sarazinsches Würg...äh Wirken. Es lässt sich menschenverachtende Scheisse mit allerlei beiläufiger Richtigkeit hübsch verpacken. Da gibts nix abzuspalten... oder wolln mal sehen, was NPD und AfD für süße Bonbons zum Abspalten im Kotbeutel stecken haben.