piwik no script img

Hamburg will anbaggern

Land und Bund haben eine neue Planung für die Elbvertiefung vorgelegt. Damit sollen Containerriesen der nächsten Generation den Hamburger Hafen anlaufen können. Umweltverbände erwägen neue Klagen gegen das Großprojekt vor dem Bundesverwaltungsgericht

Grünes Licht für die Ausbaggerung der Elbe: Hamburgs Hafen Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Von Sven-Michael Veit

Hamburg macht jetzt Ernst mit der Elbvertiefung. Die Wirtschaftsbehörde des Stadtstaates erließ am Donnerstag einen neuen Planungsbeschluss und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an. „Damit haben wir Baurecht. Die Ausführung kann jetzt unmittelbar beauftragt werden“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Bereits in den nächsten Tagen solle mit der Kampfmittelsondierung im Fluss und „bauvorbereitenden Maßnahmen“ begonnen werden.

Ob die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF, die sich im „Aktionsbündnis Tideelbe“ zusammengeschlossen haben, die Pläne erneut gerichtlich anfechten werden, ist noch offen. Sie haben jetzt vier Wochen Zeit, die Unterlagen genau zu prüfen.

Im Februar 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig auf Klage der Naturschützer die damalige Planung für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ erklärt. In dem Urteil hatte das höchste deutsche Verwaltungsgericht verlangt, den weltweit nur an der Unterelbe lebenden und nach EU-Naturschutzrecht streng geschützten Schierlings-Wasserfenchel nachhaltig zu schützen. Seitdem versucht Hamburg, auf der Billwerder Elbinsel oberhalb der Stadt zwei ehemalige Wasserbecken so umzubauen, dass sie unter den Einfluss von Ebbe und Flut kommen und der endemische Doldenblütler dort auf 1,5 Hektar Fläche gedeihen kann.

Ein erster Entwurf der Neuplanung war im Mai bereits auf die unverminderte Kritik des Aktionsbündnisses getroffen. „Die neu zu schaffenden Flächen sind für den Schierlings-Wasserfenchel kaum geeignet“, heißt es in einer 24-seitigen Stellungnahme. „Auch nach vollständiger Prüfung überzeugen die neuen Planunterlagen an vielen Stellen nicht.“ Die vorgesehenen Ausgleichsflächen seien gegenüber ersten Planskizzen reduziert worden und nunmehr zu klein.

Diese Einwände würden im weiteren Planungsprozess „sorgfältig geprüft und abgewogen“ werden, versprach damals die Wirtschaftsbehörde. „Wir haben intensiv daran gearbeitet, die letzten Bedenken des Gerichts auszuräumen“, sagte Horch nun am Donnerstag: „Rechtlich steht der baulichen Umsetzung des Großprojekts nichts mehr im Weg.“

So sieht das auch Hans-Heinrich Witte, Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, die für den Bund die Elbvertiefung zusammen mit Hamburg plant: „Die vom Gericht benannten Fehler wurden sorgfältig abgearbeitet.“ Er sehe keinen Grund für die Umweltverbände, „das so wichtige Vorhaben durch eine erneute Klage weiter zu verhindern oder zu verzögern“.

Die Unterelbe soll zwischen der Nordsee und dem Hamburger Hafen auf rund 120 Kilometern Länge vertieft und stellenweise verbreitert werden. Dafür müssen etwa 40 Millionen Kubikmeter Schlick mit Saugbaggern aus dem Flussbett gebuddelt und in der Nordsee sowie der Unterwasserschlucht Medemrinne am Nordrand der Elbmündung verklappt werden. Das entspricht rund 2,5 Millionen Lkw-Ladungen.

Mit der „Fahrrinnenanpassung“, wie das Projekt offiziell heißt, soll erreicht werden, dass die Riesencontainerfrachter der neuesten Generation – 400 Meter lang, mehr als 60 Meter breit – mit einem Tiefgang von 13,5 Metern den Hafen jederzeit anlaufen können, bei Hochwasser auch mit 14,5 Metern Tiefgang. Dafür muss die Fahrrinne auf etwa 19 Meter unter Normalnull (NN) ausgebaggert werden – etwas Sicherheitsabstand nach unten muss sein, damit die Schiffe bei Wellengang auf dem Grund nicht aufsetzen.

Nur noch Regionalhafen

Hamburgs Absturz vom Welt- zum nordeuropäischen Regionalhafen setzt sich weiter fort.

Im ersten Halbjahr 2018 sank der Containerumschlag um 2,7 Prozent auf 4,3 Millionen Standardcontainer (TEU), wie Hamburg Hafen Marketing am Donnerstag mitteilte.

Im Vergleich zu Hamburg haben Rotterdam (Niederlande) und Antwerpen (Belgien) um rund 6,0 Prozent und 8,0 Prozent beim Containerumschlag zugelegt. Damit wächst Hamburgs Abstand zu diesen beiden größten Häfen Europas. Auf Platz vier folgt Bremerhaven, mit weitem Abstand Wilhelmshaven.

Im Ranking der weltgrößten Häfen belegen zehn asiatische Häfen die Spitzenränge. Rotterdam rangiert auf Platz 12 vor Antwerpen, Hamburg folgt auf Rang 16, Bremerhaven auf Platz 26.

Es wäre die neunte Elbvertiefung seit Erfindung des Dampfschiffes. Um 1800 war die Unterelbe nur rund drei Meter tief, vor genau 200 Jahren, 1818, begann die erste Vertiefung auf 5,4 Meter unter NN, die achte auf 16,8 Meter unter NN 1999.

Die Baukosten von gut 600 Millionen Euro trägt zu zwei Dritteln der Bund, zu einem Drittel Hamburg. Weitere rund 160 Millionen Euro für zusätzliche Maßnahmen des Naturschutzes und der Deichsicherung muss Hamburg aufbringen – alles zusammen also rund 760 Millionen Euro. Diese Kostenschätzung stammt aus dem Jahr 2014. Tatsächlich dürfte es eine Milliarde werden.

Die Hamburger Regierungsfraktion der SPD jubelte am Donnerstag: „Hamburg bleibt Hafenstadt von Weltrang“, frohlockte der hafenpolitische Sprecher Joachim Seeler. CDU und FDP mahnten die Umweltverbände, ihren Widerstand nun aufzugeben und die Elbvertiefung nicht weiter juristisch zu blockieren. Nun beginne endlich „der Aufholprozess, an andere Häfen verlorene Marktanteile zurückzugewinnen“, hofft der Unternehmensverband Hafen Hamburg.

Die drei Umweltverbände BUND, Nabu und WWF indes bleiben sperrig: „Wir werden den Planfeststellungsbeschluss jetzt fachlich und juristisch genau prüfen. Dafür haben wir einen Monat Zeit und werden dann entscheiden, ob wir auch diesen Planergänzungsbeschluss anfechten“, stellte ihr Aktionsbündnis am Donnerstagnachmittag klar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen