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Kolumne Nach GeburtDu haust mir in die Fresse? Is mir egal

Kinder können ihre Emotionen nur da ausleben, wo sie sich geborgen fühlen. Ich spüre diese Geborgenheit hautnah: klatsch, klatsch, klatsch.

Links meine Tochter, rechts ich (Symbolbild) Foto: SWR/dpa

Nimm deine Hände weg, damit ich dich schlagen kann!“, brüllt meine Tochter. Hmm … darüber muss ich nachdenken. Dafür behalte ich die Hände aber erst mal vorm Gesicht, während wir beide auf dem Rand des Bettes sitzen. Ihre Backpfeifenversuche klatschen gegen meine Unterarme.

Heißt es nicht, dass Kinder sich nur da gehen ließen und nur dort ihre Emotionen offen zeigen könnten, wo sie sich sicher und geborgen fühlten? Ich spüre ihre Sicherheit und Geborgenheit hautnah: klatsch, klatsch, klatsch.

Seit ein paar Wochen geht das so: Aus den „Terrible Two“, wie die Launen im Alter von zwei Jahren genannt werden, sind bei uns die „Furious Four“ geworden. Kleinste Anlässe zeigen größte Wirkungen. Diesmal war es der Umstand, dass ein anderes Kind den im Bett versteckten Schatz zuerst gefunden hat. So hat sich meine Tochter das Geburtstagfeiern anscheinend nicht vorgestellt.

„Nimm die Hände runter!!!“

„Äh, nö.“

Singen gegen Gewalt, das hat schon immer geholfen

Um bei ihren Ausrastern nicht selbst auszurasten, habe ich mir mittlerweile zwei Exitstrategien zurecht gelegt. Entweder summe ich Charles Aznavours „Du lässt dich gehn“ oder reime mir selbst ein paar Zeilen, die ich mit Kazim Akbogas „Is’ mir egal“ abschließe. Gut, das nützt ihr nicht wirklich, aber mir.

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Eltern ihrem Kind helfen sollen, die eigenen Emotionen zu verstehen, indem sie sie spiegeln, also verbalisieren. Und so stelle ich ihr die rhetorische Frage: „Du bist sauer, oder?“

Und denke gleichzeitig: Geile Frage, Kruse. Hältst dich wohl für ’nen Sozialarbeiter, wa? Was soll sie denn darauf antworten? „Nö, ich will dich nur ein bisschen vermöbeln“ vielleicht?

Immerhin ist sie so ehrlich und brüllt mir ein „Ja!“ entgegen.

„Das ist okay, aber ich möchte nicht, dass du mich haust.“

Sie scheint das nur bedingt zu interessieren. Jedenfalls ist sie mittlerweile um mich herum geklettert und springt vom Bett aus auf meinen Rücken.

Kind springt auf Rücken – is’ mir egal / Ich lauf bald an Krücken – is’ mir egal.

In unserem Kinderladen hängt ein Bild von einem Kind, das einen mit großen Augen anschaut. Darunter der Spruch: „Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdiene, denn dann brauche ich es am dringendsten!“

Irgendwann lässt ihre Tobsucht nach, na ja, vielleicht ist es auch nur ihre Kraft. Vielleicht will sie auch einfach nur, dass ich aufhöre vor mich her zu singen. Ich nehme sie in den Arm. Verständnis zeigen und so. Keinen Druck machen. Alles wird gut. Wir haben dich lieb.

Wahrscheinlich leidet sie selbst am meisten unter ihren Wutausbrüchen. Wahrscheinlich sind sie ihr selbst am unangenehmsten. „Können die anderen Kinder noch länger bleiben?“, fragt sie. „Es ist gerade so schön.“

Na gut, wahrscheinlich doch nicht.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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8 Kommentare

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  • Zitat: "Wahrscheinlich leidet sie selbst am meisten unter ihren Wutausbrüchen. Wahrscheinlich sind sie ihr selbst am unangenehmsten. […] Na gut, wahrscheinlich doch nicht."

    Nicht mehr, nein. Wirklich sehr gut gemacht, Papa Kruse! Die Welt an sich ist ja ein Ort, an dem bereits genug gelitten wird. Wenn's also dem Zusammenleben (der eignen 4-Jährigen mit anderen Kindern und sonstigen wichtigen Menschen) dient, kann ein Erwachsener so ein paar lächerliche Backpfeifen schon mal gut aushalten. Vor allem, wenn er ein paar selbstgeschnitzte Exit-Strategien auf Lager hat. Strategien, die seinem Kind (noch) nicht zur Verfügung stehen, die es aber durchaus lernen kann bei etwas liebevoller Zuwendung.

    Vor allem dann, meine ich, wenn das Kind Konsequenzen sieht. Sie haben nicht zufällig ein blaues Auge oder einen Fingernagelkratzer davon getragen bei der "Misshandlung" durch ihre Tochter, unter denen Sie demonstrativ leiden konnten, werter Herr Kruse? Schade! Ich meine: Ihr "...ich möchte nicht, dass du mich haust", hat ja wohl nicht so ganz überzeugt, oder?

    • @mowgli:

      'Ich meine: Ihr "...ich möchte nicht, dass du mich haust", hat ja wohl nicht so ganz überzeugt, oder?'

      Genau - das Kind hat schon gelernt, dass seine Bedürfnisse nichts zählen - also ist es auch nicht in der Lage die Bedürfnisse anderer zu erkennen und zu berücksichtigen.

      Und was im Artikel komplett fehlt ist die gobale 'Exit-Strategie'. Diesmal konnten sie ihr Kind nicht beruhigen, sie konnten nicht positiv auf es einwirken. Warten sie jetzt auf den Tag, dass ihre Tochter stärker wird? Um dann mit den blauen Augen zum Jugenamt zu gehen? Oder gleich zum Richter?

      Nur weil irgendwelche Idioten Begriffe wie „Terrible Two“ oder „Furious Four“ erfunden haben, heißt das nicht, dass das irgendwas mit der Realität der Kindesentwicklung zu tun hat.

      Eine Hoffnung habe ich ja noch - der ganze Artikel ist nur ein Spass um diese 'Symbolbild' unterzubringen.

  • Kinder sollten früh lernen, was akzeptiertes Verhalten ist. Auch sollten sie Wertschätzung des Anderen lernen. Ich wünsche Hr. Kruse noch viel Spaß.

  • Kinder lernen über Spiegelneuronen. Also stellt sich die Frage, wo sie so ein Verhalten her hat.

    Vielleicht hätte man viel früher etwas anders machen sollen?

    Literaturempfehlungen: Gerald Hüter, Joachim Bauer, Stefanie Stahl

    • @Gastnutzer 42:

      short cut

      “Nö Nö - Sie! - bleiben mal schön hier!



      Die kiddies können derweil schon mal im Garten spielen gehen!“

      So geht das



      Normal;)

      • @Lowandorder:

        & Däh! Zisch - mailtütenfrisch

        “GASTNUTZER42: "Kinder lernen über Spiegelneuronen. "







        Nur über Spiegelneuronen? Das wäre fatal. “

        Yes. Normal!;)

        • @Lowandorder:

          Natürlich nicht nur - aber das gesehen bleibt ca. 8-10 mal besser hängen, als das gehört oder gelesene. Und das erlebte nochmal mal mehr. Siehe Literaturempfehlung.

          • @Gastnutzer 42:

            Ok Ok



            &



            Dann noch der komplette HirnieUmbau



            - vulgo unter Pupität bekannt;)



            &



            Die reichlichen “Zufälle des Lebens“

            kurz- Erich Kästner “Sei ehrlich - das Leben ist lebensgefährlich.“



            &



            Der Bescheid meiner alten Dame!;)



            “Tja - Junge. Da hätteste bei der Auswahl deiner Eltern - halt was vorsichtiger sein müssen!“



            &



            Dann - denk ich - hamers bi lütten!



            Normal.