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Polizeigewalt an der UdK Berlin?Fragwürdiges Vorgehen gegen Studis

Im Vorfeld des Sommerfestes der UdK erstatten Studierende der TU Anzeige. Aus „Ruhestörung“ wurde aber plötzlich „Gefangenenbefreiung“.

Den „Popkornbrüdern“ sitzt der Schrecken der Nacht noch in den Gliedern Foto: privat

BERLIN taz | „Sommerfest in akuter Gefahr!“ – so lautete die alarmierende Betreffzeile einer Rundmail des Präsidenten der Universität der Künste (UdK), Martin Rennert, an alle Studierenden. Was war da los? Grund für die Alarmbereitschaft Rennerts am Morgen des 19. Juli waren zahlreiche, massive Beschwerden von Dritten, die sich durch Studierende der UdK in ihrer Ruhe gestört gefühlt und bereits Rechtsmittel eingelegt und Anzeigen erstattet hatten. Konkret bezieht sich der Präsident hierbei auf die vorangegangene Nacht, in der die Lärmbelästigung derart stark gewesen sei, dass die Polizei mehrfach angefordert wurde.

Milan und Ferdinand D., Studierende der Klasse von Thomas Zipp, lasen diese Mail mit einiger Verwunderung, den Schrecken der vorherigen Nacht noch immer in den Gliedern. Am Abend zuvor hatten sie mit zwei weiteren KommilitonInnen in einer Holzhütte im Hinterhof des Gebäudes für ein Konzert der „Popkornbrüder“ geprobt, das während des UdK-Rundgangs stattfinden sollte. Sie vergaßen dabei die Zeit – bis plötzlich zwei Polizeibeamte in Begleitung zwei oder drei unbekannter Personen das Gelände betraten.

So die Schilderung in einem von den Studierenden angefertigten Gedächtnisprotokoll. Die Beamten hätten den Studierenden mitgeteilt, dass sie im Zuge einer Ruhestörung vor Ort seien, und die Personalien der Anwesenden gefordert, heißt es weiter. Auf Nachfrage der Studierenden, auf welcher Sachlage denn diese Anzeige beruhe, hätten die Beamten angefangen, Ferdinand und Milan körperlich zu bedrängen. Beiden gelang es, die Hütte zu verlassen.

Die unbekannten Männer hätten den zurückgebliebenen KommilitonInnen den Ausweg aus der Hütte versperrt, während einer der Polizeibeamten vor der Hütte zunächst Milan zu Boden gedrückt und anschließend Ferdinand ins Gesicht geschlagen habe, nachdem dieser versucht hatte, seinem Bruder zu helfen. In der weiteren Ausein­andersetzung soll besagter Polizist wiederholt lautstark geäußert haben: „Wenn du mich noch einmal berührst oder dein Maul aufreißt, geb’ ich dir eine Bombe in die Fresse“.

Aus „Ruhestörung“ wurden fünf Anzeigen

Zwei weitere Polizeibeamte seien eingetroffen. Da sie mit Pfefferspray in der Hand auf die Studierenden zu rannten, sei ihr Auftreten zwar nicht weniger schockierend gewesen, jedoch habe ihre Anwesenheit letztlich zur Auflösung der Situation geführt. So weit das Protokoll der Studierenden.

Die Mail des Uni-Präsidenten war bei Weitem nicht das einzige Nachspiel, das dieser Vorfall hatte: Von Seiten der Uni erfuhren Milan und Ferdinand, dass gegen sie jeweils fünf Anzeigen erstattet wurden: Widersetzung gegen polizeiliche Maßnahmen, Ruhestörung, Körperverletzung, Gefangenenbefreiung und Fluchtversuch. „Völlig skurril“, findet Ferdinand diese Anschuldigungen; „Mich würde wirklich brennend interessieren, wie die Polizei das begründen will“, pflichtet ihm Milan bei.

Mittlerweile hat die Polizei Stellung zum Vorfall bezogen: „Es wurden Strafverfahren wegen versuchter Gefangenenbefreiung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie eine Ordnungswidrigkeitenanzeige wegen unzulässigem Lärms eingeleitet. Zusätzlich wurde eine Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu laufenden Ermittlungsverfahren nicht äußern“, lautet die schriftliche Antwort des stellvertretenden Pressesprechers, Thomas Neuendorf.

Das Geschehen dieser Nacht gibt den Brüdern Rätsel auf: „Bei Ruhestörung gibt es normalerweise ein friedfertiges Gespräch – zwei Wochen zuvor tauchten schon einmal Polizisten auf dem Gelände auf. Als sie merkten, wie ruhig wir waren und wie leise unsere Musik, haben wir gemeinsam gelacht“, erinnert sich Milan. Wieso gingen die Beamten jetzt so aggressiv vor? Was die unbekannten Begleiter der Polizei betrifft: Sie sind Studierende der TU. Gerüchte besagen, es handle sich um Burschenschaftler. Einer Zeugenaussage zufolge sollen sie sich im Vorfeld des Einsatzes vor dem UdK-Gebäude mit den Polizeibeamten beraten haben.

„Das ist erst der Anfang“

Und was sagt die Uni selbst zu den Vorfällen? „Der Präsident hat unseren Professor angerufen, um ihm mitzuteilen, dass zwei seiner Studierenden festgenommen wurden, was nicht stimmte“, so Milan. Er und alle weiteren Beteiligten haben nun von sich aus Kontakt zu Universitätsleitung und weiteren involvierten Personen aufgenommen – bisher noch weitgehend ohne Antwort. „Das ist erst der Anfang“, ist sich Ferdinand sicher.

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1 Kommentar

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  • Leider ist es traurige Realität, dass sich Studierende wie die o.g. Personen der UdK sich nahezu fast täglich bis spät in die Nacht an der Universität zum Feiern treffen. Das ist ein echteches Problem für die Anwohner! Ich als Anwohnerin aber auch andere werden dadurch Nachts regelmäßig aus dem Schlafgerissen. Studierende wie Milan und Ferdinand sind ein echtes Problem für die Nachbarschaft. Ich kann hier nur für mich sprechen aber ich muss einen geregelten Tagesablauf nachgehen und dazu gehört es auch erholt zur Erwerbsarbeit zu gehen. Seit nunmehr zwei Jahren werden hemmungslos ohne Rücksicht auf die Nachbarn z.T. mehrmals wöchentlich exzessiv gefeiert, gegrölt oder einfach mal um 3 Uhr Nachts richtig laut Musik angemacht. Leider sind die Studierenden auch oft nicht bereit nach einem persönlichen Gespräch die Lautstärke einzudämmen auch muss ich feststellen, dass das Agressionspotzenial der dort feiernden doch sehr hoch ist. Eine Nachbarin wurde neulich von Studierenden der UdK bis zur Haustür verfolgt und von den Studierenden angepöbelt und beleidigt, weil sie sich über die Lautstärke beschwert hat.

    Dieser Artikel wirkt auf mich sehr monoton. Dass die Lärmverusacher hier als Opfer dargestellt werden ist ja schön und gut (wie so oft) aber es beweist, dass es leider notwendig ist, dass die Polizei einschreiten muss um rücksichtslose Studierende in die Schranken zu weisen.