: Heringslarven verhungern
Forscher sehen Klimawandel als Ursache für den Rückgang der Fischpopulation in der Ostsee
Auch in diesem Jahr kommt die Nachwuchsproduktion des Herings nicht in Gang. „Wie unsere Beprobungen im Greifswalder Bodden ergaben, haben wir es auch 2018 mit einem schwachen Jahrgang zu tun“, sagte der Direktor des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, Christopher Zimmermann, am Montag. Damit setze sich ein 2004 beginnender Abwärtstrend fort. Wie in jedem Jahr hatten die Fischereibiologen seit April Larvenproben von Heringen in dem Gewässer genommen. Dort werden rund 80 Prozent des Heringsbestandes in der westlichen Ostsee geboren.
Die Forscher sehen die schlechte Nachwuchsproduktion in einer komplexen, durch den Klimawandel verursachten Kausalkette begründet. „Die Temperatur in der Ostsee hat sich in den vergangenen 30 Jahren um 2,5 Grad erhöht, mit der Folge, dass sich der fischbare Heringsbestand von etwa 200.000 Tonnen auf 110.000 in der westlichen Ostsee halbiert hat“, sagte Zimmermann.
Hinzu kam in diesem Jahr der extreme Winter. Ein von Februar bis Ende März anhaltender Frosteinbruch mit dickem Eis sorgte dafür, dass der Großteil der Heringe nicht in den küstennahen, flachen Bodden einschwimmen und ablaichen konnten.
Während es sich bei dem Jo-Jo-Winter 2017/2018 um ein seltenes, zuletzt 2012 beobachtetes Phänomen handelte, ist die Temperaturerhöhung in der westlichen Ostsee ein langfristiger Trend. Und dieser stört die fein justierte Nahrungskette für die Junglarven, die wegen der wärmeren Temperaturen immer früher im Spätwinter schlüpfen. Die Larven benötigten, wenn nach etwa einer Woche deren Dottersack aufgezehrt sei, sofort Nahrung, erklärte Zimmermann.
Diese Nahrung – die Jugendstadien der Kleinkrebse (calanoide Copepoden – Hüpferlinge) – stehe ihnen aber so früh im Jahr noch nicht zur Verfügung, mit der Folge, dass die Larven verhungern. Anders als die Larven entwickelten sich die Kleinkrebse nicht temperatur-, sondern lichtgesteuert.
Die Forscher des Thünen-Instituts wollen die Ergebnisse in Kürze veröffentlichen. Dann läge der weltweit erste Nachweis dafür vor, wie der Klimawandel auf einen Küstenfischbestand wirke, sagte Zimmermann. (dpa)
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