: Kiter verdrängen Vögel
Die Kite-Reviere im Nationalpark Wattenmeer an der Nordsee müssen neu festgelegt werden. Verhandlungen laufen bis Herbst
Christoph Goetze, Schutzstation Wattenmeer
Kite-Surfen ist nur auf den ersten Blick ein grenzenloses Wasservergnügen. Der Trendsport mit dem Adrenalinkick stößt an klare Grenzen – zumindest an den Küsten von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Um Badegäste, Zugvögel und Robben nicht zu gefährden, sind die Reviere räumlich und zeitlich klar abgesteckt. Werden die Grenzen überschritten, droht Ungemach. Das kann bis zur Aufhebung eines Kite-Reviers führen.
Eigentlich ist das Kite-Surfen im Nationalpark Wattenmeer verboten. Doch auf Antrag der Kommunen kann die Parkverwaltung Befreiungen aussprechen. Die derzeitigen Reviere in Niedersachsen sind 20 bis 150 Hektar groß und wurden im Herbst 2013 festgelegt. Im Oktober laufen die Befreiungen aus. Derzeit sei die Verwaltung in Gesprächen mit den Kite-Gemeinden, sagt der Biologe Bernd Oltmanns. Er ist zuversichtlich, dass die Reviere mit „Feinjustierung“ weiterbestehen.
Gekitet werden darf drei Stunden vor und drei Stunden nach Hochwasser, manche Reviere sind nur von April bis Oktober befahrbar. Das Segeln außerhalb der festgelegten Zonen ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld belegt werden kann. „Probleme gibt es immer da, wo wir keine Kite-Schule und keinen Verein haben, der sich wirklich verantwortlich fühlt“, sagt Oltmanns dagegen. Das sei etwa in der Krummhörn in Ostfriesland der Fall. „Wir haben den Eindruck, da fehlt es so ein bisschen an der sozialen Kontrolle.“
Die wachsende Zahl von Sportlern konkurriere mit den Brut- und Zugvögeln im Watt um die gleichen Flächen, sagt Christof Goetze von der Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer in Schleswig-Holstein. „Zwölf Millionen Vögel werden jedes Jahr im Watt gezählt, sie brauchen hier den Platz und die Zeit, um sich Kraftreserven für den Weiterzug anzufressen“, erklärt der Biologe. Viele Brut- und Rastplätze für Vögel wurden bei der Einrichtung des Nationalparks Wattenmeer nicht extra als Schutzzonen ausgewiesen, weil man davon ausging, dass Wanderer dort nicht unterwegs sind.
Kitesurfer hingegen könnten auch sehr schnell in abgelegene Gebiete kommen. „Ein einzelner Kiter kann unter Umständen in Minuten Tausende Vögel aus einem Kilometer langen Küstenabschnitt vertreiben“, sagt Goetze.
Verstöße gibt es auch im Binnenland, vor allem auf dem Steinhuder Meer. Zwischen 2014 und 2016 wurden auf Niedersachsens größtem See rund 200 Verstöße registriert. Seit die Ranger aber auch auf dem Wasser unterwegs sind, ist die Zahl der Regelverletzungen deutlich zurückgegangen. (dpa)
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