Kommentar Geld für Frauenhäuser: Wegsehen mit System
120 Frauen werden jährlich von ihrem Partner getötet. Dass Deutschland so wenig für diese Frauen tut, zeigt, dass es die Männerherrschaft noch gibt.
W er geht schon allein nachts durch den Park? Dass ihr Gewalt angetan werden kann, hat sich in die DNA jeder Frau eingeschrieben, seit Jahrtausenden. Dass ein Mann potenziell stärker ist. Dass Männer so etwas tun. Was sie weniger auf dem Schirm hat: Der gefährlichste Ort für eine Frau ist nicht der Park, es ist ihre Wohnung.
Der gefährlichste Mann für eine Frau ist nicht der Fremde, es ist ihr eigener Mann. Alice Schwarzer spricht immer vom „dunklen Herz der Männerherrschaft“, und so pathetisch es klingt, es ist etwas dran: Die Tatsache, dass Frauen bei der Begegnung mit einem Mann, sogar mit dem eigenen, letzten Endes nicht genau wissen können, ob sie als Opfer daraus hervorgehen, macht sie unfrei. Die Polizeistatistik zeigt: Jeden einzelnen Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine Partnerin umzubringen, an jedem dritten gelingt es.
Das macht etwas mit Frauen. Dass unsere Gesellschaft sich kaum mit dem Thema befasst, zeigt, dass es die Männerherrschaft – so ungeschlacht das Wort auch ist – im Kern noch gibt. Denn es ist die absolute Ausnahme, dass gewalttätigen Männern mal vom Gericht ein Antigewalttraining verordnet wird – der wichtigste wirksame Schutz. Und die Opfer werden zu Tausenden alleingelassen.
Wer Ressourcen hat, wer privilegiert ist, der macht sich möglicherweise schnell vom Acker und hakt das Ganze ab. Zieht ins Hotel, zur Freundin, reicht die Scheidung ein. Übrig bleiben die anderen, die keinen Aufenthaltstitel haben oder anderweitig abhängig sind. Die vielleicht sogar noch gelernt haben, dass sie etwas falsch gemacht haben, wenn sie schlecht behandelt werden. Sie haben gefallen gelernt. Aber sich wehren, ernsthaft wehren? Schwierig. Wer macht schon Kampfsport?
Es wird mal wieder ewig dauern
Mühselig erkämpften Frauen deshalb in den Siebzigern Zufluchtshäuser. Und, nein, das ist nicht graue Vergangenheit: Diese Frauenhäuser sind heute immer noch genauso lückenhaft und unsicher finanziert wie damals. Rund 14.600 Plätze fehlen, das heißt, 14.600 Menschen erhalten in Deutschland im Jahr 2018 keinen Schutz. Eine solche Gleichgültigkeit kann nur eine Gesellschaft an den Tag legen, die Täter schützt und der Opfer egal sind. Privilegierte Frauen, die ihre Privilegien nicht nutzen, um daran etwas zu ändern, sind die Kollaborateurinnen des Ganzen.
Nun gibt es wieder einen runden Tisch, der sich mit der Gewaltfrage befasst. Den xten. Bund und Länder und Kommunen werden um Finanzen feilschen. Es wird mal wieder ewig dauern. Wenn man die 120 toten Frauen pro Jahr ansieht und sieht, was diese Morde mit allen Frauen machen, dann kann man sich nur die Augen reiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen