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WM-Aus der DefensivteamsMögen die Spiele beginnen

Die Fußballverhinderer sind im WM-Viertelfinale ausgeschieden. Von nun an können die Gestalter ihr Werk verrichten!

Kreativ und athletisch: Kroatiens Luka Modric Foto: AP

Guten Verteidigern bei der Arbeit zuzusehen, kann ein großes Vergnügen sein. Die giftigen Zweikämpfe der Spieler aus Uruguay waren die schönsten Spielszenen im Viertelfinale gegen Frankreich. Die Tacklings der Russen auf den Außenbahnen werden ebenfalls in Erinnerung bleiben. Von der Arbeit im Verteidigungskollektiv der Schweden darf geschwärmt werden. Das Anlaufen, das Ablaufen, das Stellen – auch der moderne Bunkerfußball hat seine schönen Seiten.

So sehr es die Russen manchem Beobachter mit ihrem Underdogfußball angetan haben, es wird kein Verteidiger sein, der am Ende des Turniers in die Geschichtsbücher eingehen wird. Fabio Cannavaro, der italienische Abwehrgenius, der sein Team 2006 vom eigenen Strafraum aus zum Titel geführt hat, wird wohl der einzige echte Verteidiger bleiben, der je zum Weltfußballer gewählt worden ist.

Die WM 2018 ist ein Turnier der Kreativen. Im Halbfinale stehen keine Verhinderer, sondern Gestalter. Das Turnier wird weiter geprägt werden von denen, deren Ziel es ist, dem Gegner das eigene Spiel aufzuzwingen. Aktionsfußball hat den Reaktionsfußball bei diesem Turnier verdrängt.

Da sind zum Beispiel die Belgier. Auch wenn das Team um den unwiderstehlichen Kevin de Bryune gegen Brasilien vor allem durch ihren unwiderstehlichen Konterfußball überzeugt hat, so hat es bei diesem Turnier auch schon gezeigt, dass es das Spiel machen kann. Und selbst im Spiel gegen Brasilien war Trainer Roberto Martinez so mutig, drei Angreifer aufzubieten. Es war der siegbringende Kniff. So variabel wie die Belgier ist kein Team bei dieser WM. Es sind offensive Angebote, die die Belgier machen.

Das gepflegte Passpiel Englands

Dann sind da die Engländer. Für die hat sich Trainer Gareth Sothgate etwas besonderes einfallen lassen. Sein 3-3-2-2-System ist ziemlich einmalig. Darüber sollte vielleicht mehr geredet werden. Als über seine, nun ja, schöne Weste und wie er aus dem tiefen Tal der Tränen als Notlösung zu seinem Trainerjob gekommen ist, um dann als Heilsbringer schon vor dem ersten Halbfinale eines englischen Teams seit 1990 regelrecht vergöttert zu werden.

Auch wenn die Engländer meist nach ruhenden Bällen treffen, so ist doch sein Bemühen aller Ehren wert, aus der traditionellen Rackerkultur auszuscheren, mit denen englische Mannschaften meist aufgetreten sind. Es ist das gepflegte Passspiel, für das England mittlerweile steht. Wer hätte das gedacht?

Die Kroaten haben ihre eigene Art der Balldominanz gefunden. Sie treiben den Ball schier unermüdlich nach vorne – meist in Person des nimmermüden Luca Modric. Er ist einer des besten Fußballer, die derzeit bei dieser WM rumlaufen. Es ist kein ausgeklügelter Systemfußball, den die Kroaten spielen, sonder einer, der sich an den Fähigkeiten des besten unter ihnen orientiert. Starfußball im besten Sinne, in einem gestalterischen Sinne.

Fußballverhinderer sind ausgeschieden

Für den Angriffsgeist steht auch das Team aus Frankreich. Nach einer souveränen, aber rätselhaften Vorrunde, haben die Franzosen im Achtelfinale gegen Argentinien gezeigt, welches Potenzial in dieser Mannschaft steckt. Gegen Argentinien haben sie besten Umschaltfußball gezeigt und der Welt ein Phänomen vorgeführt, das den Namen Kylian Mbappé trägt.

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Gegen Uruguay mussten sie über den Ballbesitz ins Spiel kommen. Auch das ist ihnen leidlich gelungen. Und auch wenn sich Abwehrchef Raphael Varane danach auch wegen seines Tores selbst zum Führungsspieler ernannt haben mag, so ist es doch das vertikale Spiel nach vorne, für das die Franzosen stehen – bei aller Vorsicht, die Trainer Didier Deschamps immer walten lässt.

Es wird also gespielt werden im Halbfinale dieser WM. Die Fußballverhinderer sind ausgeschieden. Die letzten Spiele gehören den Gestaltern. Mögen sie ihr Werk verrichten!

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1 Kommentar

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Fußballverhinderer"

    Eine sehr unsportliche Bezeichnung. Im Rahmen der gültigen Regeln ist es völlig legitim eine offensive oder eben eine defensive Taktik anzuwenden. Gut ist was zum Erfolg führt, denn es geht darum Tore zu schießen und die Tore des Gegeners zu verhindern. Ob das schön anzuschauen ist oder nicht ist unerheblich. Fußball ist keine Kür. Die Mannschaftenspielen ja nicht weil es ein paar Egozentrikern gefallen soll, sondern um für ihr Heimatland zu gewinnen. Griechenland ist dies mit guter Defensivtatkik um Bespiel hervorragend gelungen. Wem es auf Schönheit ankommt ist also beim Balett oder beim Dresurreiten besser aufgehoben als beim Fußball.