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Das Kopftuchvor Gericht

Fereshta Ludin wollte Englisch, Deutsch und Geschichte unterrichten – mit Kopftuch. Doch trotz guter Noten durfte sie nach ihrem Referendariat nicht als Lehrerin arbeiten. Vor 20 Jahren, am 13. Juli 1998, lehnte das Oberschulamt ihre Übernahme in den baden-württembergischen Schuldienst ab. Ludin klagte gegen diese Entscheidung, die gemeinhin als Beginn des deutschen Kopftuchstreits gilt.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte im September 2003, dass Ludin der Eintritt in den Schuldienst nicht verwehrt werden dürfe. Allerdings heißt es auch: „Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein.“ Die Folge: Mehrere Bundesländer nahmen diese „Neubestimmung“ vor: Sie verboten in ihren Schulgesetzen „äußere religiöse Bekundungen“ von Lehrkräften, die geeignet sind, „die Neutralität des Landes“ oder „den Schulfrieden“ zu stören, so etwa das baden-württembergische Schulgesetz. (2 BvR 1436/02)

Auch Nordrhein-Westfalen hatte sein Schulgesetz entsprechend dem Urteil geändert. Dagegen klagten zwei Lehrerinnen. Eine hatte angeboten, das Kopftuch auch gegen eine Wollmütze auszutauschen, was das Land ebenfalls abgelehnt hatte. Das Bundesverfassungsgericht entschied Anfang 2015, dass ein „pauschales Verbot“ religiöser Bekundungen nicht gerechtfertigt sei. Von einer solchen Bekundung müsse „nicht nur eine abstrakte, sondern eine hinreichend konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausgehen“, um ein Verbot zu rechtfertigen, heißt es. (1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10)

Berlin führte als einziges Bundesland im Jahr 2005 ein Neutralitätsgesetz ein, dass ein totales Verbot religiöser Symbole und Kleidung im öffentlichen Dienst verlangt. Das Land hielt auch nach dem Karlsruher Urteil von 2015 an dem Gesetz fest. Das Landesarbeitsgericht urteilte im Frühjahr 2018, das Neutralitätsgesetz sei verfassungskonform. Klagen mehrerer Lehrerinnen scheiterten.

Für die Privatwirtschaft existieren zwei höchst unterschiedliche Urteile. Eine Parfümverkäuferin wollte nach der Elternzeit mit Kopftuch an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Ihr wurde gekündigt, wogegen sie klagte. Das Bundesarbeitsgericht entschied im Oktober 2002, dass das Grundrecht auf religiöse Äußerung der Arbeitnehmerin nicht allein deshalb eingeschränkt werden kann, weil der Arbeitgeber lediglich befürchtet, es könne zu Störungen kommen oder er könne einen wirtschaftlichen Schaden erleiden. (2 AZR 472/01)

Dagegen entschied der Europäische Gerichtshof im März 2017, dass einer Arbeitnehmerin, die mit Kopftuch aus dem Urlaub zurückkehrt, gekündigt werden darf, wenn eine unternehmensinterne Regelung religiöse Bekundungen verbietet. Die Muslimin arbeitete bei einer Firma, die unter anderem Re­zep­tio­nis­tin­nen vermittelt. So ein Verbot könne zwar eine „mittelbare Diskriminierung“ darstellen, so der Gerichtshof. Aber diese könne in bestimmten Fällen gerechtfertigt sein. Das wiederum hätten nationale Gerichte zu entscheiden. Eine „mittelbare Diskriminierung“ ist eine allgemeingültige Regelung, die de facto aber eine Gruppe benachteiligt. (C-157/15)

Heide Oestreich

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