piwik no script img

Kolumne Russia TodayKörpereinsatz im Kleintransporter

Wer sich während der WM in Russland mit dem Bus durch Land bewegen will, sollte lieber schnell aufs Taxi umsteigen.

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Wolgograd? Lieber nicht Foto: dpa

V or dem Flughafen von Wolgograd steht ein nagelneuer Niederflurbus. Mit dem kann man in die Stadt fahren. So steht es auf dem Schild an der Haltestelle. Man soll es aber nicht. Vor der Tür steht eine WM-Freiwillige und warnt alle Ausländer vor dem öffentlichen Nahverkehr in der Millionenstadt an der Wolga. Sie rufe gerne ein offizielles Taxi, man solle keine Angst haben, das koste dann nicht so viel wie bei den Räubern, die mit selbst gebastelten Taxiausweisen die Ankommenden abzufangen versuchen.

Ich zeige der jungen Frau die Adresse des Hotels, zu dem ich fahren möchte. Sie erschrickt. Nein, das gehe auf gar keinen Fall. Sie rufe mir jetzt gleich ein Taxi. Ich will das aber nicht. Sie schaut mich an und fragt mich mit ernster Stimme, ob mir klar sei, dass ich umsteigen müsse, dass ich sogar die Straßenseite wechseln müsse, wenn ich mit Bussen an mein Ziel kommen wolle. Ob ich mir diesen Irrsinn wirklich antun wolle, fragt sie noch.

Ich will. Kann ja nicht so schwer sein, denke ich mir. Der korpulenten Kondukteurin mit der für sie viel zu kleinen Kittelschürze als Dienstkleidung schärft die besorgte Freiwillige dann noch ein, dass sie es nicht versäumen dürfe, mir Bescheid zu sagen, wenn es ans Umsteigen geht. Das macht die gute Frau dann auch und verabschiedet mich mit einem Blick, als müsse ich als Fußsoldat an die Front in der Ostukraine.

Ich gehe über die Straße und ein paar Meter weiter ums Eck – so, wie es mir die WM-Helferin gesagt hatte – und warte auf den Bus mit der Nummer 56. Einen Bus mit der Nummer 56 gibt es nicht. Nur ein Ding, das sich Marschrutka nennt. Marschrutki sind kleine Transporter, in die ein paar Sitze montiert wurden und die von privaten Betreibern auf festen Strecken durch die Stadt geschickt werden. Bald kommt ein solcher Minibus mit der Nummer 56 auf der Windschutzscheibe. Ich will einsteigen. Doch der Bus ist voll.

Da ist beim besten Willen kein Platz mehr, denke ich mir und sehe, wie mindestens zehn Männer und Frauen trotzdem einsteigen. In den vierten 56er schaffe ich es. Auch dieser Bus war eigentlich schon überfüllt, bevor ich mich auch noch in den stickigen Fahrgastraum hineingeschoben habe. 18 Rubel kostet mich die Fahrt und jede Menge Schweiß. Dafür bekomme ich ein finsteres Nicken des Fahrers umsonst als Antwort auf die Frage, ob er mir Bescheid sagen könne, wenn wir am Hotel sind.

Eine Viertelstunde später frage ich nach, ob wir schon an der Mendelejewstraße gewesen seien. Da seien wir schon lange vorbei, meint der Fahrer und sagt, ohne sich zu entschuldigen, ich solle aussteigen und zurückfahren. Eine weitere Viertelstunde später komme ich am Hotel an – mit einem Taxi, das ich angehalten habe.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Es geht doch einfacher. Wer in einem fremden Land, dessen Sprache er nicht spricht, Bus fährt, sollte einfach den Zielort auf einer Stadtplan-App markieren und verfolgen, wann der Bus sich dem Ziel genähert hat. Schlimmstenfalls muss man dann eine Station zurückgehen. Wer aber nie Bus fährt, schafft das dann im Ausland erst recht nicht.