: „Ich bin anders als Sie denken“
Joachim Erwin stört sich nicht an Rügen, Prozessen, Koalitionskrisen und angeschlagenen Megaprojekten wie der Düsseldorfer Arena und den Bilker Arkaden. Der umstrittene CDU-Oberbürgermeister der Landeshauptstadt kann keine Fehler seiner Amtszeit erkennen
INTERVIEW VON ANNIKA JOERES UND MARTIN TEIGELER
taz: Herr Erwin, außerhalb von Düsseldorf sind Sie vor allem durch ihre zahlreichen Gerichtsprozesse bekannt.Joachim Erwin: Da haben Sie eine völlig falsche Wahrnehmung. Aber das mag auch am Stil Ihres Blattes liegen. Es ist so, dass die großen Blätter außerhalb des Landes viel über meine erfolgreiche Politik schreiben, darüber, wie ich Düsseldorf nach vorne bringe.
Es ist schon so, dass sie als Oberbürgermeister außergewöhnlich oft Verfahren anstrengen und viele Prozesse führen.
Nein, überhaupt nicht. Es versucht jeder Mal, sein Mütchen zu kühlen. Und dass ich als erfolgreicher Mann das besonders anziehe, ist auch klar. Ich wecke viele Begehrlichkeiten.
Sie selbst prozessieren doch auch, zum Beispiel gegen einen Architekten, der Ihnen Klüngel vorgeworfen hat – und dann vor Gericht recht bekam.
Das wollen wir doch erst einmal sehen. Passen sie auf, er darf das nur als Privatmann sagen. Wir werden die Urteilsbegründung abwarten, warten wir ab, wer was sagen darf. Das ist eine spannende Differenzierung.
Sie wollen also auch ihr Mütchen kühlen?
Nein, aber ich lasse mich nicht bemakeln, ganz einfach. Dass Brune [der Architekt, die Redaktion] gelogen hat, ist klar. Das werden die Gerichte auch noch fest stellen.
Das heißt, Sie werden weiter prozessieren.
Ja.
Gestern haben SPD und Grüne im Stadtrat kritisiert, dass Sie Privatangelegenheiten des PDS-Ratsherren Frank Laubenburg ausgeplaudert haben.
Ja, und?
Was sagen Sie dazu?
Es ist mir egal. Das ist ein Antrag von abgewrackten Parteien.
An Herrn Laubenburg haben Sie sich ja schon öfters gerieben. Warum setzen Sie sich mit einer Einzelperson so auseinander? Ist das für Sie produktiv?
Ach wissen Sie, die Auseinandersetzung lohnt sich immer – was heute Linkspartei heißt, war vorher SED, diese Unrechtspartei, die bis 1989 als Staatspartei zuließ, dass Menschen, die ihr Grundrecht auf Freiheit wollten, wie Hasen gejagt und erschossen wurden. Wenn Herr Laubenburg sich benehmen würde, gäbe es weniger Reibereien.
Der Kritik von Laubenburg, ob nun Kommunist oder nicht, an Ihrem Großprojekt Arena haben sich viele angeschlossen. Die Opposition will einen politischen Arena-Aufsichtsrat, um Sie zu kontrollieren. Haben Sie Fehler gemacht?
Es gibt bereits einen Aufsichtsrat. Es kann mir keiner vorwerfen, dass [der wichtigste Arena-Partner] Walter Bau insolvent gegangen ist, wegen der katastrophalen Wirtschaftspolitik von Rot-Grün.
Trotzdem wollen die Ratsparteien jetzt mehr Einfluss.
Warten wir die endgültigen Entscheidungen ab.
Wie wollen Sie damit umgehen?
Ach wissen Sie, das werden wir noch sehen. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.
Es gab schon vor Baubeginn der 220-Millionen-Euro-Arena kritische Stimmen, die vor dem damals bereits kriselnden Walter-Bau-Konzern als Partner gewarnt haben.
Haben Sie auch heraus gefunden, aus welchen Gründen das geschah? Da war vor allem Hochtief, die sich ins Gespräch gebracht haben. Die Entscheidung für Walter Bau war getragen durch eine politische Mehrheit. Plötzlich ist Walter Bau pleite gegangen, das hätte so nicht kommen müssen. Da lohnt sich keine Debatte.
Teil des Arena-Konstrukts war auch der Krefelder Multiunternehmer Gerald Wagener, der nach der Walter-Bau-Pleite im Machtpoker um die Arena mitgespielt hat. Haben Sie die falschen Partner gesucht?
Wieso soll ich Wagener geholt haben? Er kam über den Insolvenzverwalter herein.
Es war jetzt offenbar schwer, Herrn Wagener wieder rauszubekommen. Trägt die Stadt Düsseldorf durch die angebliche Millionen-Abfindung an Wagener finanzielle Risiken. Mittel- oder langfristig?
Wir werden nichts zahlen. Der Spuk dort ist vorbei.
Und Wagener ist der Geist, der jetzt verschwunden ist? Trotzdem gibt es noch Streit um eine sechsstellige Summe, die von der Arena-Gesellschaft an den drittklassigen Fußballclub Fortuna Düsseldorf geflossen sein soll, um das Team zum Aufstieg zu päppeln. Wie ist der aktuelle Stand?
Dazu sage ich nichts. Gerade als Vorsitzender des Fortuna-Aufsichtsrats.
Sie sind als Oberbürgermeister für die Arena verantwortlich und zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des wichtigsten Arena-Nutzers, Fortuna-Düsseldorf. Glauben Sie, dass ein Aufstieg von Fortuna reicht, um die Arena profitabel zu machen?
Die Arena steht super da. Wir haben die beste Belegung von allen Arenen in Deutschland, als einzige haben wir 31 Großveranstaltungen.
Sind das genug Veranstaltungen?
Das ist ausreichend. Natürlich würde der Aufstieg von Fortuna nutzen, aber wir selber können nichts dafür, wenn die nicht besser spielen. Ich kann ja nicht auch noch selbst spielen.
Sie selber haben Ex-Bayer-Leverkusen-Manager Reiner Calmund angeworben, in den Aufsichtsrat von Fortuna zu gehen. Was erhoffen Sie sich davon?
Calmund ist jemand, der helfen kann. Gerade hat er das getan bei einem Spielertransfer [Fortuna hat den Zweitligaspieler Markus Feinbier verpflichtet].
Wenn die Arena so gut läuft und so ein gutes Projekt ist, warum findet dann im kommenden Jahr kein einziges Spiel der Fußball-WM in Düsseldorf statt?
Das fragen Sie doch bitte mal die Entscheider. Sie wissen, dass wir beim Medienzentrum auf Platz eins waren, dass auch unser Stadionkonzept vorn lag. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder hat mir unlängst noch mal bestätigt, dass wir eine der modernsten Arenen haben. Man hat aber 2002 gegen uns entscheiden. Das Spiel ist jetzt vorbei.
Noch nicht vorbei ist die Entscheidung um das Großprojekt Bilker Arkaden. Wie sehen sie da die Chancen?
Ich glaube, wir werden das noch hinbekommen. Sie müssen allerdings so groß sein wie bisher, sonst interessiert sich kein Investor mehr für das Projekt. Wir brauchen einen neuen Bebauungsplan. Es hängen hunderte von Arbeitsplätzen an dem Plan.
In der Bevölkerung und bei den Parteien gibt es viele Gegner der Arkaden.
So ein Quatsch, es gab eine Umfrage, dass 80 Prozent der Bilker Bürger und Bürgerinnen für das Projekt sind.
Es gab große Proteste, selbst ihre eigene Partei, die CDU-Mittelstandsvereinigung, ist dagegen.
Ach ja, das ist eine Ratsfrau. Nur ein kleiner Teil der Partei. Dass die Scherben-Koalition aus SPD und Grünen dagegen ist, ist auch klar, die wollen alles verhindern.
Und die FDP wollte auch einen anderen Plan.
Sie hat sich aber wieder berappelt.
Wie ist denn der aktuelle Stand nach der Koalitionskrise im Frühsommer?
Das ist eine Aufgabe des Fraktionsvorsitzenden. Die FDP hatte ein Image-Problem, alle guten Projekte wurden nur mit meinem Namen verbunden, das ist als kleine Partei schwierig. Jetzt arbeiten wir hervorragend zusammen.
Die FAZ sagt über Sie, Sie könnten nur Helfer, aber keine Partner neben sich haben.
Das ist Unsinn, wir sind ein hervorragendes Team, das hier zusammen arbeitet, und die Stadt nach vorne bringt.
Haben Sie schon neue Ideen, neue Projekte für die Stadt?
Zunächst einmal wollen wir eine schuldenfreie Stadt, das wäre bundesweit einmalig. Düsseldorf soll als Sportstadt weitergeführt werden, wir wollen Kultur, wir sind kinderfreundlich, haben die meisten Betreuungsplätze für unter Dreijährige, unsere Spielplätze wurden ausgezeichnet, das Aquarium soll ausgebaut werden...
Sie profitieren doch auch vom Status als Landeshauptstadt.
Nein, überhaupt nicht, das sind zwei Paar Schuhe. Wir haben eine sehr zentrale Lage, das stimmt. Aber als Oberzentrum müssen wir Aufgaben für umliegende Städte übernehmen. Manche feiern sich ja, wenn sie eine Bibliothek erhalten können, wir bauen neue. Wir können noch Geld verteilen.
Wie lange wollen Sie noch Oberbürgermeister sein? Zieht es Sie auch zu anderen Aufgaben in der Landes- oder gar Bundespolitik?
Nein, Düsseldorf ist so spannend, da habe ich kein Interesse an anderen Aufgaben. Ich bin lieber der erste hier als der zweite in Rom.
Der erste in Rom ist dann wohl CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Die Beziehung zwischen Ihnen beiden soll nicht so eng sein.
Wir haben eine lange, durch viele gemeinsame Jahre in der Jungen Union gereifte Zusammenarbeit. Wir verstehen uns gut. Ich habe alles getan, dass er Ministerpräsident wird.
Rüttgers steht für den Sozialflügel der CDU, für so etwas wie den rheinischen Kapitalismus. Wo stehen Sie? Sind Sie Wirtschaftsliberal?
Nein, ich bin anders geprägt als ein Liberaler. Ich bin für einen sozialen Kurs. Anders als Herr Merz bin ich gegen eine Steuer für alle. Ich unterstütze die Eine-Welt-Tage in Düsseldorf, ich will die Zuschüsse für die freien Träger erhöhen. Ich sehe aber auch die Dramatik, dass der Standort Deutschland in Gefahr ist, die Lohnnebenkosten sind zu hoch. Die Frage ist: Was muss der Staat tun, was lieber nicht.
Ist der Staat etwas Gutes oder etwas Schlechtes, wie viele Neoliberale sagen?
Er ist nicht böse, aber wenn er die Leitplanken zu eng setzt, kommen Sie nicht vorwärts. Deshalb finde ich es gut, städtische Anteile zu verkaufen. Mit Privatisierungen schaffe ich Spielraum, habe wieder mehr Geld zum Ausgeben, mehr Spielraum. Aber wir sollten auch den Kauf und Verkauf von Wertpapieren und Immobilien generell besteuern. Ich bin anders als Sie denken.
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