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Grenzen für sachgrundlose BefristungenKettenbefristungen nur als Ausnahme

Arbeitsverträge dürfen nur noch einmal sachgrundlos befristet werden. Das Bundesverfassungsgericht kippt die lockerere Regel des Bundesarbeitsgerichts.

Jobs mit befristeten Arbeitsverträgen haben in den letzten Jahren drastisch zugenommen Foto: dpa

Berlin taz | Ab sofort gilt wieder das grundsätzliche Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristung von Arbeitsverträgen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am Mittwoch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) von 2011 kassiert. Dort war eine mehrfache grundlose Befristung erlaubt worden, wenn mindestens drei Jahren zum Vorvertrag vergangen sind. Mit dieser Dreijahresregel habe das BAG die „Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung“ überschritten, so die Verfassungsrichter.

Per Gesetz von 2001 erlaubte der Bundestag nur eine einzige sachgrundlose Befristung zwischen einem Arbeitgeber und einem Beschäftigten. Der befristete Vertrag soll für Arbeitslose eine „Brücke in den Arbeitsmarkt“ sein und nicht zu Kettenbefristungen führen.

Die Regelung findet sich in Paragraf 14 Absatz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Mehrfache Befristungen sind laut Gesetz nur zulässig, wenn es für die Befristung einen sachlichen Grund gibt (zum Beispiel Krankheitsvertretungen oder wenn Haushaltsmittel nur befristet zur Verfügung stehen).

Das BAG fand die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung zu streng. Es widerspreche den Interessen von Arbeitslosen, wenn diese nur deshalb nicht befristet eingestellt werden dürfen, weil sie vor Jahren beim gleichen Arbeitgeber schon mal einen befristeten Vertrag hatten. Das BAG legte das Gesetz deshalb so aus, dass eine frühere Befristung nicht zählt, wenn sie mindestens drei Jahre zurückliegt.

Keine eigenen Richter-Regeln

Das Urteil sorgte für großes Erstaunen und teilweise Empörung. Aufgrund einer Vorlage des Arbeitsgerichts Braunschweig und der Klage eines Bosch-Arbeiters befasste sich nun das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall. Ergebnis: Das BAG durfte die Regeln des Gesetzgebers nicht durch eigene Richter-Regeln ersetzen.

Nur in besonderen Einzelfällen könne das Gesetz verfassungskonform ausgelegt werden, so die Karlsruher Richter, etwa wenn die befristete Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. (Az.: 1 BvL 7/14 u. a.)

Klaus Bertelsmann, der Anwalt des Bosch-Arbeiters, freute sich über das Urteil und kritisierte zugleich das Bundesverfassungsgericht, dass es mehr als vier Jahre für die Entscheidung benötigte.

Die Konsequenzen

Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf aktuelle Verträge haben. Wer derzeit einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag hat, der nur wegen der Dreijahresregel möglich war, hat nun möglicherweise Anspruch auf einen unbefristeten Vertrag. Mit solchen Fragen muss sich aber zunächst wieder das BAG beschäftigen.

Auch der Bundestag muss sich demnächst mit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen befassen. SPD und Union wollen sie laut Koalitionsvertrag auf 2,5 Prozent der Belegschaft begrenzen. Zudem soll die maximale Dauer solcher Verträge von 2 Jahren auf 18 Monate verkürzt werden.

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3 Kommentare

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  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...verdammt, wieso muss mittlerweile dauernd das Bundesverfassungsgericht eingreifen, das kann doch nicht sein?!

    Diese Bundesregierung ist eine Frechheit gegenüber den Bürgern dieses Landes.

  • Hmm. In der Kürze falsch bzw. missverständlich. Es ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig, ein AV sachgrundlos zu befristen. Innerhalb dieser Zeit kann ein befristeter Vertrag 3x verlängert werden. Die Entscheidung betrifft daher nur Verträge, die mit Arbeitnehmern geschlossen werden, die bereits zuvor einen Vertrag mit dem Unternehmen hatten und es eine Unterbrechung im Arbeitsverhältnis gab.

     

    Nach meiner Kenntnis steht im Koalitionsvertrag, dass der Gesetzgeber die vom BAG angesetzten drei Jahre festschreiben will - ob das nach dem Urteil noch steht, bleibt abzuwarten.

     

    Die Entscheidung des BAG ist vor vier Jahren auf extreme Kritik gestoßen, genau mit den Argumenten, die jetzt das BVerfG aufgegriffen hat. Für die Praxis war die Entscheidung dagegen ein "Segen", da jeder wusste, was zulässig ist. Davor war streitig, wie lange den eine Vorbeschäftigung gelten soll und es gab bei den Arbeitsgerichten so gut wie alle Ansichten (von Vertrag von vor 30 Jahren genügt bis zu den 3 Jahren des BAG). "Schuld" an dieser Misere hatte der Gesetzgeber, der sich damals nicht auf eine klare Linie verständigen konnte und es den Gerichten überlassen hat, mit einem Gesetz zu arbeiten, dass nicht sauber begründet und geschrieben ist.

  • "Der befristete Vertrag soll für Arbeitslose eine „Brücke in den Arbeitsmarkt“ sein und nicht zu Kettenbefristungen führen."

     

    Mein ehemaliger (und ehemalig staatlicher) Arbeitgeber hat so was gar nicht begraucht. Da wurden schon mal in einer Abteilung mit ca. 50 Leuten etwa ein Dutzend Schwangerschaften erfunden und als Grund ("Schwangerschaftsvertretung") für die Befristung eingesetzt. Jahrelang.