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Kommentar Kostenloser NahverkehrFahrgäste müssen auch zahlen

Kommentar von Hanna Gersmann

In Augsburg soll bald jeder gratis die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen dürfen. Eine Alternative zum Auto sind überfüllte Busse aber nicht.

Guter öffentlicher Nahverkehr muss den Mitfahrenden auch etwas wert sein Foto: dpa

G ratis mit Bus und Bahn? Halt. Stopp! Das ist keine gute Idee, mit der die Stadt Augsburg die Luft in der Stadt verbessern will. Schon richtig, es braucht mehr als nur die hilflosen Appelle von BundesministerInnen an die Autoindustrie. Auf sie lässt sich nicht zählen. Die Leute müssen tatsächlich aussteigen aus ihren Autos, aus deren Auspuff die Abgase dieseln.

Aber das wird nicht passieren, wenn der öffentliche Personennahverkehr jetzt plötzlich umsonst ist. Im Gegenteil. Die Alternative zum Auto würde verlottern, weil die vielen Leute im heutigen System gar nicht mitkämen. Busse wären überfüllt, Sitzplätze zerschlissen, Schlangen an Haltestellen lang. Der Groll wäre sicher, der Spott auch: „Ach, das wollen uns die Politiker als Alternative zum Auto verkaufen – nicht deren Ernst, oder?“

Dafür gibt es ein gutes Beispiel. Als die Bahn Mitte der 1990er Jahre das Schönes-Wochenende-Ticket einführte, mit dem fünf Leute von Samstag bis Sonntag mit Regionalzügen für damals 15 D-Mark kreuz und quer durchs Land reisen konnten, war das ein großer Erfolg. Zu groß. Die Züge an die Ostsee und andernorts: pickepacke voll. Neukunden wie Stammgäste maulten ob der zu wenigen Plätze und der Verspätungen.

Nach und nach verknappte die Bahn das Angebot. Natürlich ging es ihr auch darum, das Geschäft mit den Fernzügen nicht zu kannibalisieren. Für Verkehrsplaner und -politiker zeigt sich aber eins: Wer nur auf den Preis schielt, macht das System von Bussen und Bahnen kaputt.

Dieses hält neuen Mitfahrern nur stand, wenn investiert wird: in mehr Busse, mehr Linien, bessere Taktung. Dafür sollte zum Teil der Steuerzahler aufkommen. Er zahlt auch den Bau von Straßen. Und der Staat könnte dafür etwa die Dieselsubventionen streichen. Man könnte sich auch ein Beispiel an Frankreich nehmen. Dort zahlt jede Firma mit mehr als neun Mitarbeitern eine Nahverkehrsabgabe. Aber auch dem Nutzer darf der Bus teuer, also etwas wert sein. Wie wäre es damit: Preise halbieren, Angebot verdoppeln?

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taz-Autorin
War von 2002 bis 2013 in der taz, leitete dort zuletzt das Inlandsressort. Jetzt gehört sie zum Büro die-korrespondenten.de im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie schreibt vor allem über Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik.
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15 Kommentare

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  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Nur bedingt richtig.

    Es geht den meisten Fahrgästen nicht ums Geld! Es geht ums Angebot!

    Kein vernünftiger Mensch fährt gerne Auto - ein paar Raser vielleicht. Die meisten hätten gerne einen gut funktionierenden und sicheren ÖPNV. Bloß der funktioniert nicht - und das ist Absicht, das wird von Autobauern und deren Schärgen in der Politik durchgesetzt. (Schaut euch zum Vergleich die Schweiz an.)

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @7964 (Profil gelöscht):

      Zustimmung! In der Schweiz funktioniert das alles prima!

    • @7964 (Profil gelöscht):

      Bei mir hat das Autofahren weniger mit dem Rasen zu tun. Ich genieße die Blase in welcher ich mich von A nach B bewege. Ich muss mich mit den Mitbewohnern und den Touristen nicht auseinandersetzen und brauche mir nach der Fahrt nicht die Hände zu desinfizieren. Einmal mit dem Kinderwagen im Aufzug auf den Bahnhof Neukölln ist zum abgewöhnen.

       

      Neben dem massiven Ausbau des ÖPNV wäre daher die Durchsetzung ein paar einfacher Regeln (z.B. Verzicht des Döners und des Biers, vernünftige Köpfhörer, kein Betteln, keine Straßenzeitung usw.) notwendig.

       

      Geht nicht? Doch, in München klappt das ganz wunderbar.

      • @DiMa:

        Ich hoffe, Sie denken aber dann auch daran, sich vor dem Autofahren die Hände zu desinfizieren. Davor haben Sie nämlich genug Keime eingesammelt.

      • 9G
        98589 (Profil gelöscht)
        @DiMa:

        Das klappt nicht nur in München.

        Die Bahn im vielgescholtenen Osten der Republik ist blitzeblank.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @DiMa:

        Och Gott, ja: in der Berliner S-Bahn trinken die Malocher ihr Feierabendbier und später die Partygänger sonst was. Es gibt den ein oder anderen unangenehm riechenden Armen, der halbe S-Bahnwagons entvölkert und manchmal nerven auch Leute, die meinen, bei ihrer Mucke im Ohr, aus dem Gerät oder dem Instrument müssten alle mithören und auch die hilflosen oder auwendig hergesagten Bettelarien können anstrengen. Zudem: besser im Aufzug gefahren, als über ewig stillstehende Rolltreppen zu laufen

         

        Autofahren in Berlin ist im Grunde überflüssig und mit dem Rad ist man auch oft schneller als mit dem ÖPNV.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Absurder Artikel und der vergleich mit dem Schöner Wochenende Ticket der Bahn hinkt gewaltig.

    Das Ticket gibt es noch, es wird genutzt und alles hat sich eingespielt. so würde das auch bei dem kostenlosen Nahverkehr funktionieren und endlich könnten auch diejenigen öfter unterwegs sein, die sich diese Preise nicht leisten können.

    Geld ist doch genug da. Die Steuereinnahmen sprudeln und die Autoindustrie sollte für den Betruf endlich finanziell zur Rechenschaft gezogen werden.

  • Hm, irgendwie kann ich die in den Artikel gezogenen Schlüsse nicht teilen.

    Klar, ne überfüllung von Bus und Bahn kann nicht die Lösung sein, aber sollte man da nicht lieber Bus und Bahn ausbauen, anstatt den Preis zu regulieren?

    Und klar, der Ausbau kostet Geld und das soll Bus und Bahn auch zu verfügung gestellt werden, aber ist es nicht zweitrangig und voralledem eine frage der umverteilung, ob ich das Geld über den umweg Steuern oder direkt per Fahrpreis zahlen?

    Aber mal ganz anders gefragt, wer bezahlt denn den Ausbau und Erhalt der Straßen? Könnte man da nicht Geld umverteilen?

    Oder anders gefragt, wie unterscheidet sich der Erhalt der Bahn und Busqualität durch einnahme von Fahrpreise vom Erhalt der Autobahnqualität durch einnahme von Autobahn maut?

  • Unsinn. Das sind alles Scheinargumente. Der Bürger bezahlt den öffentlichen Personennahverkehr ohnehin schon zu einem guten Teil über Steuern und das ist auch gut so. Kostenloser öffentlicher Nahverkehr ist einfach praktisch, eine Halbierung der Preise würde daran überhaupt nichts ändern. So zu tun, als ob die berechtlgten Anforderungen an die Qualität der Leistungen irgendetwas mit der direkten Entrichtung von Fahrgeld zu tun haben ist Unsinn. Dieser Druck wird sozial und politisch erzeugt und hat, wenn überhaupt, auch nur so Aussicht auf Erfolg. Selbstverständlich muss auch ohnehin die Dichte und Frequenz der Angebote erhöht werden, das hat aber überhaupt nichts mit Fahrpreisen zu tun. Es ist schlichtweg politisch sinnvoll den Individualverkehr zu reduzieren oder in andere Bahnen wie Car- to- go- Systeme zu lenken. Dazu braucht es viele verschiedene Anreize. Selbstverständlich auch negative, wie die Verteuerung von Parkraum, aber eben auch kostenlosen Nahverkehr. Es gibt einfach kein Argument dagegen. Kosten wird es natürlich, aber wofür soll man öffentliche Gelder besser ausgeben als für soziale Mobilität und ökologische Umsteuerung?

  • Ich finde auch: ein Euro ist jedem die Fahrt wert. Einfach ein Geldstück, runder Preis. Preiswert.

  • Super, am besten bleiben alle im Auto sitzen. Ist doch so praktisch und individuel. Wie wäre es mal mit realistischen angeboten und mehr Nahverkehr statt irgendwie so albgar Buss und Bahn in den Einsatz zu schicken und weil man ja kein oer wenig Geld nimmt, den Service zu minimieren und Instandhaltungen gänzlich zu streichen. Kunde muss zahlen , aha soso.

    Wie wäre es mit, der Saat muss zahlen, nachdem seine Politiker/Lobbyisten uns diese Autoscheiße über die letzten 50 Jahre eingebrockt haben.

    • @Laughin Man:

      In der Stadt geht's ja eh noch. Auf dem Land müsste viel mehr gemacht werden.

      Als ich mit Familie noch auf dem Dorf wohnte, blieb mir nichts übrig, als mit dem Auto zu fahren. Meine Frau pendelte auch, hatte andere Arbeitszeiten, s Kind muss in den Kindergarten, also brauchten wir 2 Autos. Außer der Schulbus fuhr nur ein Bus vormittags, einer nachmittags. In einem Dorf wo es nicht mal einen Bäcker gab, die nächste Einkaufsmöglichkeit 10km entfernt.

  • Es ist völlig übertrieben, dass die Stadt Augsburg plant, den ÖPNV völlig und vor allem flächendeckend umsonst anzubieten. Der Plan gilt nur für den innersten Innenstadtbereich, um den sog. Kö (Königsplatz) herum, ein Zentralpunkt, wo alle Straßenbahnen zusammentreffen - eine Art Zentralbahnhof...

     

    Das Bild oben ist z.B vor der Universität. Wer von da aus startet, müsste z.B. 2 Streifen stempeln, auch wenn die Stadt diesen Plan umsetzt.

     

    Die Stadt hat Anfang diesen Jahres eine Tarifreform durchgeführt und für Leute, die nur gelegentlich Straßenbahn fahren und sich innerhalb der 2 Innenstadtzonen bewegen, Streifenkarte nutzend, also die keine Monats- oder Jahreskarte verwenden, ist es erheblich teurer geworden: 2 Streifen immer stempeln -früher galt: eine Zone, ein Streifen für alle Zonen. Um das zu kompensieren, führte die Stadt ein Kurzstreckenticket ein: 4 Haltestellen fahren für einen Streifen. Wenn die Stadt nun den innersten Innenstadtbereich umsonst anbietet, kommt zu dem Kurzstreckenticket eine Haltestelle dazu, man kann dann also 5 Haltestellen mit Kurzstreckenticket fahren, was immer noch nicht dem alten Modell (eine Zone, ein Streifen für jede Zone) gerecht wird, aber das neue Modell zumindest verbessert.

     

    Zum Kommentar: ich denke nicht, dass deswegen alle Leute vom Auto auf Straßenbahn und Busse ausweichen und es deswegen zu Engpässen kommen könnte. Pendler, die längere Strecken fahren müssen auch weiterhin Monatskarten oder Jahreskarten nutzen - hier hat die Stadt aber bessere Preismodelle entwickelt. Die Jahresabos sind, wenn man es hochrechnet verhältnismäßig günstig geworden - schließlich kann man von Früh bis Spät ÖPNV fahren, 365 Tage im Jahr.

     

    Aber ein Großteil der Leute wird nie sein Auto stehen lassen. Denen kannst ein Hypersuperdingsbums-Ebike für 5000€ hinstellen und sie würden 2 km mit dem Auto fahren. Denen kannst ein Jahresabo ÖPNV schenken und die würden mit dem Auto fahren. Einfach aus Faulheit und Bequemlichkeit.

  • Klasse

     

    Die Idee ist klasse, mutig und setzt endlich mal Zeichen, statt dass nur im Kreis gelabert wird!

    So soll es sein - so müsste es eigentlich sein. Wir müssen was tun (!) gegern die Klimakatastrophe. Die Laberpolitiker ist man leid, die sind fad.

    • @Hartz:

      Der Kommentar (Artikel) ist so nicht richtig, denn in Augsburg ist nur im innersten Innenstadtbereich ein kostenloser Nahverkehr geplant - das zieht sich nur über 8 Haltestellen. Flächendeckend bleibt alles beim Alten. Bzw. die Stadt kompensiert die fehlenden Einnahmen (der 8 Haltestellen) über ein neues Tarifmodell.

      Insgesamt ist der Innenstadtbereich nämlich teurer geworden, zumindest für Streifenkartennutzer. Insofern sind Sie da quasi einer Zeitungsente aufgesessen.

      Und der Artikelautor kommentiert ins Blaue... was ich irgendwie lustig finde, quasi: kostenloser ÖPNV geht ja gar nicht. Dabei fände ich genau das sinnvoll. Dafür würde ich gerne Steuern zahlen. Von mir aus noch einen kleinen jährlichen Pauschalbetrag (50 € z.B.) an die Stadt oben drauf, berechnet nach Einkommen usw.