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Kommentar Öffentlichkeitsfahndung G20Feinde auf dem Silbertablett

Die Polizei sucht erneut per Öffentlichkeitsfahnung nach G20-Straftäter*innen. Für die Aufklärung von Polizeigewalt betreibt sie keinen vergleichbaren Aufwand.

Versuchen, die Medien vor ihren Karren zu spannen: Polizeisprecher Timo Zill (l) und Oberstaatsanwalt Michael Elsner Foto: dpa

Die Soko „Schwarzer Block“ der Hamburger Polizei bittet die Bevölkerung erneut per Öffentlichkeitsfahndung um Mithilfe. Allen voran versucht sie, die Medien vor ihren Karren zu spannen. Und viele machen bereitwillig mit. Sie sollten schleunigst den Beruf wechseln, denn sie haben ihre Aufgabe, staatliche Institutionen zu kontrollieren, nicht verstanden. Stattdessen lassen sie sich für den Kampf um die Deutungsmacht instrumentalisieren.

Den betreibt die Polizei mit viel Energie, denn sie will signalisieren: Wer in Hamburg Chaos gestiftet hat, wird das bitter bereuen. Verhältnismäßigkeit: egal; Unschuldsvermutung: doch nicht bei G20! Es geht um Freund-Feind-Schemata. Jenseits rechtsstaatlicher Prinzipien präsentieren Polizei und Staatsanwaltschaft über 200 Feind*innen auf dem Silbertablett, appetitlich angerichtet zum öffentlichen Zerfleischen.

In dieses Schema passt die Polizeigewalt nicht, die sich während des Gipfels vielerorts brutal gegen Demonstrant*innen gerichtet hat. Die aufzuklären, ist Sache der Innenbehörde und der Staatsanwaltschaft, aber hier betreibt niemand einen vergleichbaren Aufwand. Das Dezernat Interne Ermittlungen arbeitet still vor sich hin und die Staatsanwaltschaft stellt die Verfahren nach und nach ein.

Oberstaatsanwalt Michael Elsner versucht auf zynische Art, die Schuld umzudrehen: Dass bei den Ermittlungen gegen Polizist*innen nichts rumkommt, liege an mangelnder „Kooperationsbereitschaft“ der Anzeigenden, sagt er.

Die Staatsanwaltschaft weiß, dass, wer eine*n Polizist*in anzeigt, eine Gegenanzeige kassiert. Und wer die G20-Prozesse beobachtet, weiß auch, wie es vor Gericht läuft: Die Polizeizeug*innen legen oft absurde Auftritte hin, können sich an das meiste nicht erinnern oder verweigern „aus einsatztaktischen Gründen“ die Aussage, lesen gegenseitig ihre Berichte und sprechen Aussagen ab.

Aber weil sie Polizist*innen sind, genießen sie bei Staatsanwaltschaft und vielen Richter*innen einen blinden Vertrauensvorschuss. Ihnen drohen keinerlei Konsequenzen. Die Verlierer*innen bei diesem traurigen Schauspiel sind nicht nur die Opfer von Polizeigewalt und die Verurteilten. Es ist der Rechtsstaat – und die für dumm verkaufte Öffentlichkeit.

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12 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein Kommentar, der nur wenige Fragen offen lässt. Siehe: Resonanz.

  • Liebe Frau Katharina Schipkowski,

     

    Kurz, prägnant und deutlich. Auch mutig. Danke.

     

    Ich möchte viel mehr von Ihnen lesen.

     

    Sie haben Rückgrat. Schön.

    • @Frau Kirschgrün:

      @Katharina Schipkowski

       

      Und: Sie haben es schnörkelfrei und realistisch mit Haltung auf den Punkt gebracht.

      Daumen hoch!

  • Wieder werden Täter zu Opfern gemacht. Wer Gewalt durch den Aufruf „Welcome to Hell“ herbeiführt und dann auf Eigentum und Polizisten losgeht kann kein Opfer sein, sondern Täter.

    • @Klartexter:

      Nur sind die Bullen auf die Demo losgegangen, nicht andersherum... aber "Klartext" ist halt schwierig, wenn nur das Internet als Quelle zur Verfügung steht, oder liege ich da falsch... :D

  • "Für die Aufklärung von Polizeigewalt betreibt sie keinen vergleichbaren Aufwand."

     

    Zumindest wurde aber jede Menge Aufwand getrieben, um den Anschein zu erwecken, daß ungerechtfertige Poliziegewalt nicht stattgefunden hat.

  • "...freiheitlich demokratischen Grundordnung..."

     

    Das Konstrukt welches Sie so nennen ist die Basis für das was passiert. Ich kann darüber leider nur müde lächeln...

    • @Neinjetztnicht:

      Danke.

  • Wenn ich diese Ermittlungsmethoden und Verhältnisse betrachte, dann stufe ich die Polizeiführung auf demselben Niveau ein, wie die Kriminellen Chaoten des schwarzen Blockes. Beide zeigen auf ihre Art, dass sie mit den Grenzen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht zurecht kommen.

  • 9G
    96173 (Profil gelöscht)

    Wo sind denn jetzt die Fotos?

    • @96173 (Profil gelöscht):

      Lol

      • @krustentier:

        Ja, würd mich auch gern interessieren, würde diese auch gerne sehen.