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Belästigung beim WDR?Vorwürfe von sechs Frauen

Dem freigestellten WDR-Fernsehfilm-Leiter Gebhard Henke werfen sechs Frauen Belästigung vor. Unter ihnen ist auch die Autorin Charlotte Roche.

Unter den sechs Frauen ist auch die Moderatorin und Schriftstellerin Charlotte Roche Foto: dpa / Jens Kalaene

Berlin taz | Sechs Frauen werfen Gebhard Henke, dem Leiter des Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie beim WDR, vor, sie belästigt zu haben. Das berichtet der Spiegel in einer Vorabmeldung. Die Vorwürfe sollen sich auf den Zeitraum von 1990 bis 2015 beziehen. Es geht um Begrapschen und das Inaussichtstellen von Förderung bei entsprechenden „körperlichen Zuwendungen“, so der Spiegel.

Henke, der auch „Tatort“-Koordinator innerhalb der ARD ist, war am Sonntag vom WDR freigestellt worden.

Unter den sechs Frauen ist auch die Moderatorin und Schriftstellerin Charlotte Roche. Sie habe Henke 2013 in Köln kennengelernt. „Er gab mir die rechte Hand und legte mir die linke gleichzeitig fest mitten auf den Po.“ Sie habe versucht, sich wegzubewegen, doch er habe sich mitbewegt. „Das war schlimm und dauerte gefühlt ewig“, zitiert der Spiegel die Buchautorin („Feuchtgebiete“, „Schoßgebete“, „Mädchen für alles“).

Sie habe damals unter Druck gestanden, es sei um die Verfilmung eines ihrer Bücher gegangen – und sie mache sich heute Vorwürfe, damals nichts gesagt zu haben. Sie spreche nun, denn „vielleicht hilft das ja, dass andere sich auch trauen, etwas zu sagen.“

Henke selbst hat die Vorwürfe zurückgewiesen. „Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, er weiß nicht, wer gegen ihn einen – welchen? – Vorwurf erhebt. Und dies sollte, bevor die Gerüchteküche brodelt, klargestellt werden“, sagte sein Anwalt Peter Raue kurz nach der Freistellung seines Mandanten der Deutschen Presse-Agentur.

Arbeit mit Henke „frei von Übergriffen jedweder Art“

Am Donnerstag hatten sich in einem Offenen Brief 16 Unterzeichnerinnen aus der deutschen Filmbranche hinter Henke gestellt. In dem von der Agentin Heike-Melba Fendel initiierten Schreiben, aus dem zuerst der Kölner Stadt-Anzeiger zitierte, heißt es, dass man in der Vergangenheit persönlich mit Gebhard Henke zusammengearbeitet habe, was durchaus nicht ohne Konflikte und Machtkämpfe geschehen sei. „Auch nicht frei von unterschiedlichen Auffassungen über Männer- und Frauenbilder. Immer jedoch frei von Übergriffen jedweder Art und Schwere.“

Weiter heißt es: „Wir können und wollen daher nur für uns und über unsere Erfahrungen sprechen. Das aber möchte wir hiermit tun und ausdrücklich sagen: Gebhard Henke ist uns und unserer Arbeit in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stets respektvoll begegnet.“

Die Unterzeichnerinnen, zu denen unter anderem die Regisseurinnen Feo Aladag und Hermine Huntgeburth sowie die Schauspielerinnen Barbara Auer, Caroline Peters und Anna Schudt gehören, kritisieren den Sender scharf: Die Freistellung Henkes erwecke den Eindruck, dass Differenzierung unerwünscht sei. „Die Auseinandersetzung mit Vorwürfen darf aber nur differenziert geführt werden. Und dies im Rahmen einer sorgfältigen Wahrheitsfindung und Meinungsbildung.“

Kritik an Offenem Brief

Doch es gab auch andere Stimmen aus der Branche: Kirsten Niehuus, die Leiterin der Filmförderungsanstalt Medienboard Berlin Brandenburg, wunderte sich über den Offenen Brief und die Motivation dahinter: „Ich hätte den Brief nicht unterzeichnet“, sagte sie auf einem Podium der Medienmesse „Media Convention“ in Berlin. Es dürfe weder eine positive noch eine negative Vorverurteilung geben.

Auch der WDR wehrte sich am Freitag kurz nach der Vorabmeldung des Spiegel gegen Vorwürfe: Man habe Mitte vergangener Woche Hinweise auf mögliche sexuelle Belästigungen durch Henke bekommen, heißt es in einer Mitteilung. Den Hinweisen sei man nachgegangen und habe die Frauen angehört. Diese schilderten konkrete Vorfälle. Daraufhin sei Henke am Wochenende freigestellt worden, „um Raum und Zeit für eine sachliche und sorgfältige Aufklärung zu schaffen.“ Selbstverständlich würde Henke zeitnah zu den einzelnen Anschuldigungen angehört.

WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hofft nun, dass diese Prüfung Gewissheit bringe. „Das schließt selbstverständlich auch eine Entlastung von Vorwürfen nicht aus, allerdings halte ich das, was uns die Frauen geschildert haben, für gravierend und glaubwürdig.“

Henke ist der zweite WDR-Mitarbeiter, der in der jüngsten Vergangenheit wegen Belästigungsvorwürfen freigestellt wurde. Zuvor war bereits ein langjähriger ARD-Korrespondent beurlaubt worden. Auch in diesem Fall wurde der WDR für seinen Umgang mit dem Fall stark kritisiert.

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3 Kommentare

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  • Mannomann! Beim WDR scheint es ja zuzugehen wie auf einem mittelalterlichen Schlachtfeld: Der/die/das Mensch mit der größten Truppenstärke hat den meisten Mut bzw. Schwung.

    Als noch 6 (in Worten: sechs) Frauen Vorwürfe erhoben haben gegen Henke, haben er und sein Anwalt sich in die Brust geworfen. Vermutlich, weil sie sich in ihrer Unschuldsvermutung von 16 (in Worten: sechzehn) Jungfrauen von Orleans betätigt fühlen durften. Nachdem die Gegenseite 25 (in Worten: fünfundzwanzig) weitere Heldinnen rekrutieren konnte, ist der Mut offenbar etwas geschrumpft.

    Wer nun nicht weiß, dass Gebhard Henke ein „gestandener“ Mann ist, könnte glatt annehmen, der Kerl hätte keine eigene Moral und müsste sich immer die der jeweils größeren Masse aneignen. Mag sein, dass man auf die Art Leiter eines WDR-Programmbereichs werden kann. Unumstritten herrschen aber wird man nie. Zumal dann nicht, wenn die, die man nicht „erwählt“ hat, diese „Differenzierung“ ungern als Brüskierung verstehen wollen.

    Übrigens: Hätte Charlotte Roche 2013 nicht ihren Mund gehalten, wäre sie heute vielleicht nicht so „groß“, dass sie von der taz als Zeugin zitiert werden muss. Für alle übrigen Damen dürfte Ähnliches gelten. Die Erkenntnis, dass ein gewisses Verhalten unangebracht war, kommt jedenfalls ein bisschen spät. Kein Wunder, dass ein Gebhard Henker nicht so recht weiß, was ganz genau ein „Übergriff“ sein soll. Erziehung braucht halt etwas Konsequenz. Vor allem, wenn sie spät einsetzt.

    Merke: Man schuldet wohl tatsächlich immer den falschen Leuten seinen Dank. Und aus deren Sicht ist Undank jedes Mal der Welten Lohn.

  • Was ist das für eine verquere Logik, die besagte Unterzeichner an den Tag legen? Muss er denn wirklich alle Frauen belästigen, die ihm über den Weg laufen???

    "Hallo, mich hat er aber nicht belästigt!"

    Selten dämlich.

    • @xxxLCxxx:

      Das hat mit verquerer Logik nichts zu tun.

      Die besagten Frauen hatten insgesamt ANDERE Erfahrungen gemacht mit diesem Mann. Sie reden von Respekt, den sie erfahren haben. Deshalb sind sie offensichtlich sehr erstaunt, dass Henke ein zu Übergriffen neigender Sexist sein soll. Das ist also der ANDERE Henke. Warum sollen sie das nicht äußern?



      Ist es nicht verquere Logik, nur Anschuldigungen gelten zu lassen? Warum wird Henke nicht angezeigt damit es zum Strafprozess kommt? Das fragt jemand, der an den Rechtsstaat glaubt.