Belästigung beim WDR?: Vorwürfe von sechs Frauen
Dem freigestellten WDR-Fernsehfilm-Leiter Gebhard Henke werfen sechs Frauen Belästigung vor. Unter ihnen ist auch die Autorin Charlotte Roche.
Henke, der auch „Tatort“-Koordinator innerhalb der ARD ist, war am Sonntag vom WDR freigestellt worden.
Unter den sechs Frauen ist auch die Moderatorin und Schriftstellerin Charlotte Roche. Sie habe Henke 2013 in Köln kennengelernt. „Er gab mir die rechte Hand und legte mir die linke gleichzeitig fest mitten auf den Po.“ Sie habe versucht, sich wegzubewegen, doch er habe sich mitbewegt. „Das war schlimm und dauerte gefühlt ewig“, zitiert der Spiegel die Buchautorin („Feuchtgebiete“, „Schoßgebete“, „Mädchen für alles“).
Sie habe damals unter Druck gestanden, es sei um die Verfilmung eines ihrer Bücher gegangen – und sie mache sich heute Vorwürfe, damals nichts gesagt zu haben. Sie spreche nun, denn „vielleicht hilft das ja, dass andere sich auch trauen, etwas zu sagen.“
Henke selbst hat die Vorwürfe zurückgewiesen. „Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, er weiß nicht, wer gegen ihn einen – welchen? – Vorwurf erhebt. Und dies sollte, bevor die Gerüchteküche brodelt, klargestellt werden“, sagte sein Anwalt Peter Raue kurz nach der Freistellung seines Mandanten der Deutschen Presse-Agentur.
Arbeit mit Henke „frei von Übergriffen jedweder Art“
Am Donnerstag hatten sich in einem Offenen Brief 16 Unterzeichnerinnen aus der deutschen Filmbranche hinter Henke gestellt. In dem von der Agentin Heike-Melba Fendel initiierten Schreiben, aus dem zuerst der Kölner Stadt-Anzeiger zitierte, heißt es, dass man in der Vergangenheit persönlich mit Gebhard Henke zusammengearbeitet habe, was durchaus nicht ohne Konflikte und Machtkämpfe geschehen sei. „Auch nicht frei von unterschiedlichen Auffassungen über Männer- und Frauenbilder. Immer jedoch frei von Übergriffen jedweder Art und Schwere.“
Weiter heißt es: „Wir können und wollen daher nur für uns und über unsere Erfahrungen sprechen. Das aber möchte wir hiermit tun und ausdrücklich sagen: Gebhard Henke ist uns und unserer Arbeit in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stets respektvoll begegnet.“
Die Unterzeichnerinnen, zu denen unter anderem die Regisseurinnen Feo Aladag und Hermine Huntgeburth sowie die Schauspielerinnen Barbara Auer, Caroline Peters und Anna Schudt gehören, kritisieren den Sender scharf: Die Freistellung Henkes erwecke den Eindruck, dass Differenzierung unerwünscht sei. „Die Auseinandersetzung mit Vorwürfen darf aber nur differenziert geführt werden. Und dies im Rahmen einer sorgfältigen Wahrheitsfindung und Meinungsbildung.“
Kritik an Offenem Brief
Doch es gab auch andere Stimmen aus der Branche: Kirsten Niehuus, die Leiterin der Filmförderungsanstalt Medienboard Berlin Brandenburg, wunderte sich über den Offenen Brief und die Motivation dahinter: „Ich hätte den Brief nicht unterzeichnet“, sagte sie auf einem Podium der Medienmesse „Media Convention“ in Berlin. Es dürfe weder eine positive noch eine negative Vorverurteilung geben.
Auch der WDR wehrte sich am Freitag kurz nach der Vorabmeldung des Spiegel gegen Vorwürfe: Man habe Mitte vergangener Woche Hinweise auf mögliche sexuelle Belästigungen durch Henke bekommen, heißt es in einer Mitteilung. Den Hinweisen sei man nachgegangen und habe die Frauen angehört. Diese schilderten konkrete Vorfälle. Daraufhin sei Henke am Wochenende freigestellt worden, „um Raum und Zeit für eine sachliche und sorgfältige Aufklärung zu schaffen.“ Selbstverständlich würde Henke zeitnah zu den einzelnen Anschuldigungen angehört.
WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hofft nun, dass diese Prüfung Gewissheit bringe. „Das schließt selbstverständlich auch eine Entlastung von Vorwürfen nicht aus, allerdings halte ich das, was uns die Frauen geschildert haben, für gravierend und glaubwürdig.“
Henke ist der zweite WDR-Mitarbeiter, der in der jüngsten Vergangenheit wegen Belästigungsvorwürfen freigestellt wurde. Zuvor war bereits ein langjähriger ARD-Korrespondent beurlaubt worden. Auch in diesem Fall wurde der WDR für seinen Umgang mit dem Fall stark kritisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene