Konsequenzen aus dem Facebook-Skandal: Die große Zuckerberg-Show
Weder ein Straftermin vor US-Senatoren noch Klagen zwingen Zuckerberg in die Knie. Dafür ist sein Datenschatz viel zu wertvoll.
Eigentlich sollte der Termin im US-Repräsentantenhaus einen der mächtigsten Konzernchefs in die Schranken weisen. Ein „So nicht, Bürschchen“ hatten sich Politiker*innen, Datenschützer*innen und etliche Facebook-Nutzer*innen weltweit gewünscht. Doch der Auftritt von Mark Zuckerberg verlief anders als erhofft. Der Chef des Onlinenetzwerks war auf die Fragen der Ausschussmitglieder zum jüngsten Datenskandal bestens vorbereitet, konterte souverän, versprühte viel „American Way of Life“.
Die Senatoren dagegen fuhren in der rund fünfstündigen Anhörung eher vermeintlich kluge Statements und naive Anmerkungen auf. So wurde nach Zuckerbergs Hotelzimmer in Washington gefragt oder nach den Freund*innen, die der Social-Media-Pionier in der vergangenen Woche getroffen hat. Zuckerberg gab diese Informationen nicht preis, wohl wissend, dass nicht nur die Senatoren seinen Worten aufmerksam folgten, sondern die ganze Welt per Livestream zugeschaltet war. Selten wurde so klar, wie sehr sich die analoge Politikwelt von dem Leben auf digitalen Plattformen unterscheidet.
An den Kern der Datenaffäre kommen die Senatoren nicht heran: Kooperationen wie solche mit Cambridge Analytica beeinflussen maßgeblich das Verhalten von Menschen, inklusive ihrer Wahlentscheidungen.
Noch bevor die Politik es merkt, reagiert der Konzernchef. Auf dem Uni-Campus hat er Facebook entwickelt, ein Onlinenetzwerk, das die Welt zusammenbringen sollte. Dass die Daten sich verselbstständigen, hat er nicht geahnt. Zuckerberg entschuldigt sich. Zuckerberg übernimmt Verantwortung, gelobt Besserung. Aber wie genau er künftig eine Manipulation seiner Nutzer*innen verhindern will, sagt er nicht.
Und jetzt? Konstantin von Notz, Grünen-Politiker und Netzexperte, feuert passend zur Anhörung einen Tweet über Twitter ab. Es könne Facebook – und damit Zuckerberg – wie den Managern von VW gehen. Entschuldigungen und vage Ankündigungen reichten nicht aus, schreibt von Notz. Nachdem die Schummelei mit den Abgaswerten ans Licht kam, musste der Autobauer private Kläger über einen milliardenschweren Vergleich entschädigen. „Erkenntnis steht #Zuckerberg noch bevor“, glaubt von Notz.
Klagen sind leicht zu verschmerzen
Auch gegen Facebook haben erste Investoren vor einem US-Bundesgericht bereits Klage eingereicht. Sie werfen dem Konzern Irreführung beim Datenschutz vor. Kommen die Ankläger mit ihrem Anliegen bei den Richtern durch, müsste auch Zuckerberg zahlen. Ein Verlust, den er ziemlich sicher verschmerzen könnte; Facebook gilt mit einem Börsenwert von mehr als 400 Milliarden US-Dollar als eines der wertvollsten Unternehmen weltweit.
Zwar brach der Aktienkurs ein, nachdem der Datenhandel bekannt wurde, und der Konzern musste Milliardenverluste hinnehmen. Aber: Bereits die reumütigen Entschuldigungen Zuckerbergs vor den Senatoren glichen einer Beruhigungspille für die Aktionär*innen. Sie schluckten sie gern – und ließen den Kurs wieder steigen. Daten sind nun mal das neue Rohöl, wie Ökonomen sie berechtigterweise nennen. Privatsphäre hin oder her – lukrative Geschäftsmodelle werden sich die Aktionär*innen auf keinen Fall entgehen lassen.
Doch trotz aller Schuldeingeständnisse und Beteuerungen, es in Zukunft besser zu machen: Das böse R-Wort ist längst noch nicht wieder in die Mottenkiste der analogen Welt verbannt. Regeln für den Datenhandel, eine Regulierung des Geschäftsmodells, wie Facebook und andere es betreiben, lassen sich kaum noch abwenden. Wohl aber bändigen – diese Hoffnung haben außer Zuckerberg offenbar auch seine Branchenkollegen. Warum sonst sollten Onlinegiganten wie Alibaba-Gründer Jack Ma oder der Apple-Pionier Steve Wozniak sich öffentlich von Zuckerberg distanzieren, wenn nicht, um selbst besser dazustehen? Ohne den Datenschatz, den ihre Nutzer*innen ihnen überlassen, wären auch ihre Geschäftsmodelle nur halb so erfolgreich. Das Motto der Stunde lautet: Schadensbegrenzung.
So ein ganz kleines bisschen mehr Regulierung tut den Unternehmen nicht weh. Zu viel aber vergrätzt Investoren. Nun kommt es mehr denn je auf die Politik an. Die älteren Herren im amerikanischen Repräsentantenhaus brillierten nicht mit Fachwissen, als sie Zuckerberg zu „seinem“ Facebook befragten. Auch wenn kaum einer so recht versteht, wie das Onlinenetzwerk eigentlich funktioniert: Künftig soll alles anders – und zwar besser – werden. Mehr Transparenz über die Verwendung der Daten, die online veröffentlicht werden, könnte helfen. Das fordert beispielsweise der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar. Ihm geht es vor allem um die Anzeigen, die in den Netzwerken geschaltet werden.
Abschalten können die Nutzer*innen sie nicht. Aber sie sollten wissen, wer dahinter steckt und dass die Reklame gezielt bestimmten Personengruppen angezeigt wird. Dasselbe gilt für Apps, die mit Facebook verknüpft sind. Wer kann meine persönlichen Daten sehen und nutzen? Hier müssen Informationen zur Pflicht werden.
Mit bloßen Forderungen ist es nicht getan. Und mit ein bisschen Schelte schon gar nicht.
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