DORIS AKRAPLEUCHTEN DER MENSCHHEIT: Hölle Hamburg
Altersmilde und weise oder Altersstarrsinn und verhärtete Knochen – auf die ganz schön in die Jahre gekommene antiimperialistische Linke trifft letztere Diagnose zu. Und die Hamburger Fraktion zeigt sich als bockbeiniger Hardliner.
Über 20 Jahre ist es her, dass die Wandparole an der Hafenstraße 108 „Boykottiert ‚Israel‘! Waren, Kibbuzim und Strände. Palästina – das Volk wird dich befreien“ Debatten über das Verhältnis zu Israel und den Antisemitismus in der Linken auslöste.
Vergangenes Wochenende gaben jene Hamburger Linken, für die Israel noch immer die imperialistische Bestie schlechthin ist, eine Vorstellung ihrer ideologischen Brutalität. Etwa 30 Aktivisten rund um das „internationalistische Zentrum“ B5 verhinderten die Vorführung des Films „Warum Israel“ des „Shoah“-Regisseurs Claude Lanzmann. Sie verbarrikadierten den Kinoeingang, riefen „Judenschweine“, „Nazis raus“ und „Schwuchteln“, und die etwa 70 Gäste sollen tätlich angegriffen worden sein.
Hölle Hamburg. In die auch Wolfgang Gehrcke gehört, der in den 80ern Hamburger Bezirksvorsitzender der DKP war. Gercke ist Mitautor von „Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahostkonflikt“ (PappyRossa 2009). Eine notwendige Diskussion, so der Untertitel.
Gehrcke aber hat nach Gysis „Solidarität mit Israel“ und den Auseinandersetzungen in der Linkspartei keinesfalls sein Herz für Israel entdeckt. Zwar wird in dem Buch der Staat als „historische Notwendigkeit“ konstatiert, bleibt aber der alleinige Aggressor im Nahen Osten, der „imperialistisch“, „hegemonial“, „kolonialistisch“ und als „jüdischer Staat“ sowieso „völkerrechtswidrig“ sei. Der Zionismus müsse sich „dialektisch aufheben“, denn mit UNO und EU seien andere „politische Organisationsmodelle“ entstanden.
Gehrcke und seine antiimperialistischen Freunde haben nichts gegen Juden, solange sie die Existenz Israels zur Disposition stellen, selbstverständlich dialektisch.
■ Die Autorin ist Kulturredakteurin dieser Zeitung Foto: privat
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