piwik no script img

Kommentar Wall Street und WaffenDer Teufel trägt Peacezeichen

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Auf die Proteste gegen die Waffenlobby in den USA reagiert die Wall Street mit waffenfreien Anlage-Alternativen. Klingt gut, ist aber scheinheilig.

Legen US-Investor*innen bald nicht mehr in Waffen an? Das ist eher unwahrscheinlich Foto: reuters

D ie Wall Street verspricht, ihre Geschäfte mit Waffenherstellern zu überdenken. Zumindest mit denen, deren Sturmgewehre – also Kriegswaffen zum freien Verkauf – in den USA immer wieder Amokschützen dazu dienen, Menschen niederzumähen wie zuletzt an einer Schule in Parkland, Florida.

Seitdem gingen Hunderttausende auf die Straße, um die Macht der Waffenlobby in den USA endlich zu brechen – und hier ist die gute Nachricht: Ihr Druck in der Öffentlichkeit ist mittlerweile so groß, dass Fondsverwalter wie Blackrock und Großbanken wie Citigroup und die Bank of America Hersteller wie Remington Outdoor, Smith & Wesson, Sturm Ruger, Sig Sauer oder Vista Outdoor nicht mehr ganz so sorglos Geld geben wollen wie bisher.

Doch eigentlich ist das Gebaren der Finanzindustrie eine Sauerei. An ihrer Finanzierung der Waffenindustrie haben auch die Kriegstoten dieser Welt nichts geändert. Ihre aktuellen Aktionen gegen Sturmgewehre, die gegen Schüler gerichtet sind: scheinheilig.

Blackrock ist der weltgrößte Fondsverwalter, die Macht dieses Konzerns ist gewaltig. Dass er jetzt Waffenhersteller und auch Verkäufer wie Walmart aus einigen seiner Fonds rausschmeißen will, macht ein paar Schlagzeilen, ist aber zur Beendigung des Krieges an amerikanischen Schulen so effektiv wie Trumps jüngster Militärschlag gegen Assad, um den Krieg in Syrien zu beenden. Beides nichts als Symbolik.

Blackrock bietet immer noch genug Investmentprodukte an, die Aktien der Waffenhersteller enthalten. Ergänzend dazu hat der Finanzkonzern nun bald waffenfreie Anlage-Alternativen für die Minderheit an Anleger*innen, die keine Lust haben, das nächste Massaker an einer Highschool zu finanzieren. Der Konzern reagiert also darauf, dass es mittlerweile ein paar verantwortungsbewusste Anleger gibt, mehr aber auch nicht.

Würden alle Anleger*innen ethisch investieren – niemand finanzierte mehr Waffen. Das ist ein Wunsch, so utopisch wie der alte Spruch: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • In den USA sind Sturmgewehre für Zivilisten verboten mit der Ausnahme der vor 1986 gefertigten Gewehre. Mir ist schon klar, dass die korrekte Bezeichnung "Selbstladebüchse" nicht so viele Leser anlockt. Es sagt aber etwas über die Qualität der Zeitung aus.

  • Die Geschichte menschlicher Kulturen ist eine einzige lange Geschichte sinnloser Symbole. Schon immer hat es Menschen (und nicht nur ihnen) Vorteile verschafft, zu tun als ob, zu täuschen und zu tricksen. Die Lüge ist vermutlich so alt wie die Sprache. Der Betrug allerdings ist noch viel älter.

     

    Es wäre an der Zeit, finde ich, sich dieser Realität stellen. Leider wird das nicht so bald passieren. Schließlich haben nicht nur die Betrüger Vorteile von ihrem Verhalten. Auch die, die sich betrügen lassen, haben Vorteile. Wer sich betrügen lässt, braucht sich zum Beispiel nicht zu wehren. Zumindest nicht viel mehr als unbedingt erforderlich. Das spart Energie und sichert das Überleben. Allerdings nur, so lange sich der Betrug qualitativ und quantitativ im Rahmen hält.

     

    Das tut er leider nur, wenn Betrüger und Betrogene „in einem Boot sitzen“ – und das auch wissen. Wenn die Lebenswelten beider Gruppen einander nicht mehr ausreichend berühren, kann der Selbstbetrug total werden. Ist die Zerstörungskraft dann groß genug, wird es gefährlich. Für den Einzelnen nicht weniger als für die ganze Art. Dann droht der Endsieg der Betrüger – die anschließend zur Strafe an sich selber ersticken müssen.