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Medien über Vorfall in MünsterAnschlag? Amoktat? Todesfahrt?

Früh sprachen JournalistInnen am Samstag von einem „Anschlag in Münster“. Redaktionen korrigierten sich, die ARD sagte einen „Brennpunkt“ ab.

Münster am Samstag: Die „Rheinische Post“ stieg kurz nach der Tat in die Berichterstattung ein Foto: ap

BERLIN taz | „Unsere erste Schlagzeile war definitiv ein Schnellschuss und unbedacht“, twitterte Rainer Leurs noch am frühen Samstagabend. Leurs leitet die Düsseldorfer Redaktion von RP Online, des digitalen Angebots der Rheinischen Post. Nur wenige Stunden nachdem in Münster zwei Menschen totgefahren wurden, raunte es in einer Depesche auf Twitter: „Die ‚RP Online‘ muss da wohl mal etwas dem Presserat erklären“.

RP Online war an diesem Nachmittag früh in die Berichterstattung eingestiegen und schlagzeilte bereits gegen 16.15 Uhr „Anschlag in Münster – drei Tote“. Drei Stunden später und damit ziemlich rasch machte Redaktionsleiter Leurs transparent: „[Das] haben wir nach wenigen Minuten umformuliert beziehungsweise vorsichtiger formuliert. Unser Fehler.“ Die Redaktion machte fortan deutlich, dass es sich nur möglicherweise um einen Anschlag handelte.

Die Rechercheure des Bündnisses aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hatten zwischenzeitlich erklärt: Der Täter sei nach jüngsten Informationen deutscher Staatsbürger und zudem psychisch auffällig. JournalistInnen sind mittlerweile weitgehend von der Vokabel „Anschlag“ abgerückt. Waren also – unter anderen – die JournalistInnen der Rheinischen Post zu voreilig?

Wie in solchen Situationen üblich, rief die Polizei über ihre Social-Media-Kanäle dazu auf, „Spekulationen und Gerüchte“ zu unterlassen. „Fakt ist aber“, rechtfertigte Leurs die Berichterstattung seiner Redaktion, „unser Reporter hat sehr früh über persönliche Kontakte aus Polizeikreisen erfahren, dass Ermittler [einen] Anschlag für wahrscheinlich halten.“

Außenstehende können diese Quellenlage nur schwer beurteilen, allein: Dieser Darstellung zufolge hat die Polizei am Samstagnachmittag mit mehreren Stimmen gesprochen und so mitunter angeheizt, was sie an anderer Stelle vermeiden wollte: Gerüchte über Terror, auf die rasch auch RechtspopulistInnen ihre vorhersehbaren Botschaften draufsetzten.

ARD-Brennpunkt abgesagt

Dass sich zunächst unter vielen JournalistInnen die Vorstellung durchgesetzt haben muss, auch im lebensfrohen Münster hätten nun Terroristen zugeschlagen, zeigt auch ein anderer Vorgang. Die ARD hatte zunächst einen „Brennpunkt“ angesetzt. Der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres, verbreitete entsprechende Programmhinweise persönlich.

Screenshot: Screenshot Twitter

Einige Hörfunkwellen meldeten die Programmänderung ebenfalls. Und auch die WDR-„Lokalzeit“ wies noch bei der Übergabe an die 20-Uhr-„Tagesschau“ explizit auf die Sonderprogrammierung im Ersten hin. Nur: Ein „Brennpunkt“ ging nicht über den Sender. Herres hatte seine Tweets bereits wenige Minuten, nachdem er sie abgesetzt hatte, wieder gelöscht – ohne sich mit einem Korrekturhinweis zu erklären.

Einige ZuschauerInnen meldeten sich verwundert, dass sie nun vergeblich auf den angekündigten „Brennpunkt“ gewartet hätten. Herres meldete sich am Sonntagmorgen mit der Auflösung zurück: „Auf einen Brennpunkt wurde verzichtet, als sich zeigte, dass nach Informationen von SZ, NDR und WDR offenbar kein terroristischer Hintergrund vorlag.“

Gleichwohl: Der „Brennpunkt“ war bereits angeschoben und beim Publikum über diverse Kanäle in Aussicht gestellt worden – im Netz, im Hörfunk, im TV. Münster blieb am Abend eine große Nachrichtenlage und für viele Gesprächsstoff. Facebook aktivierte seine „Bist Du in Sicherheit?“-Funktion und informierte NutzerInnen darüber, welche ihrer sogenannten FreundInnen demnach aus Münster „in Sicherheit“ oder „noch nicht in Sicherheit“ waren.

Programmdirektor Herres aber glaubt offensichtlich nicht, dass sich das Erste da einen allzu schlanken Fuß gemacht hat. Jedenfalls twitterte er auch: „#Münster. Für die, dies genau wissen wollen. Während des Live-Fußballs wurde in der Halbzeitpause in einer extra-TS informiert.“

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12 Kommentare

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  • Es macht für mich keinen Unterschied, aus welcher "kranken" Motiviation ein Mensch in andere mit PKW oder LKW fährt und dabei tötet, verletzt, traumatisiert.

     

    Die Tat in Münster zeigt nur, dass Anschläge immer und überall möglich sind. Letztlich war auch der Flugzeugabsturz auf dem Weg von Barcelona nach Münster ein Anschlag auf Leben in Verbindung mit dem eigenen Suizid.

     

    Was sind bitte die Unterschiede zu sog. "Selbstmordattentätern"?

    • @Hanne:

      Ihre Aussage, dass Anschläge immer und überall möglich ist wie Hexenverfolgung. Auf so einer vergleichbaren Sichtweise basiert beispielsweise die Rechtsprechung in Saudi Arabien. Dort werden viele Menschen öffentlich geköpft.

      • @Stefan Mustermann:

        Wen verfolge ich denn Ihrer Ansicht nach?

         

        Ich schrieb nur, dass im Ergebnis die Motiviation des Täters für mich keinen Unterschied macht.

         

        Ich finde es bedenklich, wenn z.B. weiße, "deutsche" Menschen nach so einer Tat nur als psychisch instabil erklärt werden, dunkle, nichtdeutsche hingegen als Terroristen.

         

        Sie meinen jetzt daraus ablesen zu können, dass ich z.B. alle weißen "Deutschen" vorsichsthalber einsperren möchte?

    • @Hanne:

      Für Verbrechen muss es Gründe und Ursachen geben. Zu schnelle und falsche Berichterstattung kann Menschenleben kosten. Machen Sie eine Recherche zum kalten Krieg und nicht gedrücktem "roten Knopf", wo ein Alarm eines Atomsanschlags ausbrachte. Später wies sich der Alarm als falsch aus und der Mensch, der den "roten Knopf" zum Gegenschlag nicht gedrückt hatte, als Held und Retter der Menschheit gefeiert. Es gab dazu eine internationale Dokumentation.

  • Der Polizist links im Bild ist einer der hübschesten Männer, die ich je gesehen habe. Danke, AP!

    • @DerFrank:

      Ihm fehlt nur das Cop-Käppi aus Leder.

      • @Rainer B.:

        Na, mit Leder kann ich nix anfangen. Aber jeder Jeck is anders!

  • Nach allem, was ich bisher erfahren konnte, hat es doch in Münster zweifellos einen Anschlag auf das Leben mehrerer argloser Menschen gegeben. Unabhängig von den Motiven, die dazu geführt haben, ist das wohl schlicht Fakt.

    An der Formulierung „Anschlag in Münster – drei Tote“ ist aus meiner Sicht insoweit auch gar nichts zu beanstanden.

    Erst als deutlich wurde, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen 48-jährigen „Biodeutschen“ aus Münster handelte, der in einem kleinen Ort im Sauerland aufgewachsen ist, sah man sich dann plötzlich gezwungen, den Ball verbal so flach wie nur irgend möglich zu halten.

  • Es wäre schön, wenn die TAZ die gleiche journalistische Sorgfalt auch bei Berichten über Giftgasanschläge in Syrien walten ließe.

  • Wenn doch wenigstens die Menschen mit Verantwortung mal die Füße stillhalten könnten... Wann hat das eigentlich angefangen mit diesem breaking news tourette?

  • Hysterie - Unter Hysterie wird bzw. wurde in der Psychiatrie eine neurotische Störung verstanden, die unter anderem mit oberflächlicher, labiler Affektivität und einem hohen Bedürfnis nach Geltung und Anerkennung einhergeht.

    • @R. R.:

      Deswegen müssen viele Zeitungen sachlicher und ruhiger schreiben, Politiker nicht zu vorschnell beurteilen und verurteilen und Sachkundige nach Ursachen des Verbrechens suchen. Pauschale Hexenjagten braucht keiner. Psychisch kranke Menschen sind auch Menschen. Aber psychische Krankheiten können sehr oft in Folge von ungesetzlichen Handlungen oder Verbrechen gegenüber den betroffenen Menschen, die dann in Folge dessen psychisch krank werden, geschehen.