: Nicht die Zeit, um zu schweigen
Zur Kundgebung gegen die „Merkel-muss-weg“-Demonstration versammeln sich über 1.500 Menschen
Von Andreas Speit
„Nazis raus“, skandierte Jürgen Fritz. Die Teilnehmer der Kundgebung stimmten laut ein. Hier stünden keine Rechtsextremen, sagte der Hauptredner der „Merkel-muss-weg“-Demonstration am Bahnhof Dammtor. Einer der ihm zuhörte, war allerdings Torben Klebe, einst Mitglied des verbotenen Netzwerks „Blood & Honour“ und zwischenzeitiger NPD-Landeschef. „Ganz Hamburg hasst die Antifa“ riefen die rund 300 Anti-Merkel-Fans, als der Gegenprotest lauter wurde.
Knapp 2.000 Demonstranten hatten sich dem Aufruf des „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) angeschlossen; Ein breites Bündnis von über 100 Gruppen und Vereinen hat ihn unterzeichnet. „Merkel muss weg, heißt die Muslime müssen weg, heißt die Schwulen müssen weg“ sagte Cornelia Kerth von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Oke Göttlich, Vereinspräsident des FC St. Pauli, erklärte: „Wir wollen den neu formierten Ewiggestrigen keinen Platz in unserer Stadt lassen – weder den Altrechten, noch den neuen Rechten, noch den rechten Hooligans.“ Der FC St. Pauli stünde „für eine weltoffene solidarische Gesellschaft“, deren Werte „nicht verhandelbar“ seien.
„Es kann kein Zurück geben in ein muffiges Vorgestern, das uns die Wutbürger vorspielen wollen“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Hamburger Grünen, Antje Möller. Die Errungenschaften einer offenen Gesellschaft müsste ein breites Bündnis gegen die AfD nicht bloß bewahren, sondern weiter vorantreiben.
Eigentlich sei die Karwoche eine Zeit der Stille, sagte die Pröbstin Isa Lübbers vom Kirchenkreis Hamburg-Ost. Aber heute sei es Zeit zum Aufstehen. „Es ist nicht die Zeit zu schweigen, wenn Rechtsextremisten mitten in Hamburg neue Bündnisse mit vermeintlich besorgten Bürgern schmieden.“ Nicht Merkel, sondern die Menschenverachtung müsste weg. „Es ist nicht nur geboten, Gesicht zu zeigen, sondern eine Kultur des Hinschauens und Handelns zu entwickeln“, erklärte Inka Damerau, stellvertretende Vorsitzende der SPD Hamburg.
Schließlich sprach auch Faruk Arslan, Überlebender des rassistischen Brandanschlags in Mölln 1992, der seiner halben Familie das Leben kostete: „Rechtsextremismus und Rassismus passen nicht in unser Land.“
Am vergangenen Montag war es nach der Kundgebung zu einem gewalttätigen Zwischenfall gekommen: Zwei Unbekannte haben einen Teilnehmer der Anti-Merkel-Aktion attackiert und schwer verletzt. Diesmal kam es nicht zu Auseinandersetzungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen