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Alles fast normal

Ein Tal in Norwegen ist seit Jahrzehnten Pilgerort für UFO-Fans. Denn es gibt dort seltsame Lichter zu sehen. Der Fotograf Ivar Kvaal ist immer wieder hingefahren. Auf der Suche nach dem Unerklärlichen

Jan Moen in einer aufgegebenen Mine in Hessdalen. Die gelbe Farbe auf dem Boden kommt vom Schwefel

Von Jonas Mayer

Von Oslo aus sind es rund sechs Stunden Autofahrt in das Hessdalen-Tal, immer nach Norden. Dort, in Zentralnorwegen, stehen Wissenschaftler seit Jahrzehnten vor einem Rätsel.

Peder Skogås (inzwischen verstorben) sucht mit einer Antenne Signale von UFOs

Nachts tauchen immer wieder seltsame Lichter in der Luft auf und bleiben bis zu zwei Stunden. Sie bewegen sich unregelmäßig, schweben still, ändern ihre Form. Mal sind es Bälle, mal farbige Blitze, mal ein diffuser Leuchtnebel. Außerhalb des Tals fiel das erst im Dezember 1981 auf. Danach war es vorbei mit der Stille dort. Es folgten UFO-Faszination, aber auch Häme.

Besucher hoffen darauf, die Lichter von Hessdalen zu sehen. Dafür kommen sie aus ganz Europa angereist

Von alldem wusste der norwegische Fotograf Ivar Kvaal noch nichts, als seine Eltern mit ihm um 1990 herum dort entlangfuhren. Da war er sieben oder acht Jahre alt, und trotz seiner Unwissenheit fühlte er sich so unwohl, dass er nicht aussteigen wollte. Erst viele Jahre später ging er seiner Angst nach und kam zurück. Und noch mal. Und noch mal. Mindestens zehnmal von 2012 bis 2014, jeweils für mehrere Tage.

Daraus entstanden ist das Fotobuch „Hessdalen“, rund 120 Seiten voller alter und neuer Aufnahmen, Zeitungsartikel, Zeichnungen und Text.

Der Anwohner Jan Moen zeigt die offizielle UFO-Steck­nadel von Hessdalen. Warum ihm ein Ringfinger fehlt, ist unklar

Als eine Chronik sieht Kvaal seine Arbeit aber nicht. „Es ist eher eine Reise“, sagt er. Die Reise in einen Schmelztiegel aus allen, die das Unerklärliche suchen – internationale Forscher mit ihren Geräten, UFO-Fans und Urlauber, die aus ganz Europa kommen, um in Hessdalen einfach etwas zu erleben.

Eine vor Wind und Wetter geschützte Kamera von Wissenschaftlern der Hochschule Østfold, die seit 1983 den Ursprung der Lichter in Hessdalen erforschen

Kvaal hat auch sie begleitet, vor allem aber interessierte er sich für die Einheimischen, von denen es nur noch rund einhundert gibt. Früher arbeiteten viele im Bergbau. In der Region liegen Metalle und Schwefel im Boden, wegen derer Wissenschaftler glauben, dass das Tal wie eine große Batterie funk­tio­niert, die Energie abgibt, deshalb die Lichter.

Eine Scheune im Hessdalen-Tal in Zentralnorwegen. Dort erscheinen seit Jahrzehnten rätselhafte Lichter am Nachthimmel. Wo kommen die bloß her?

„Über die Einheimischen wurde so oft gespottet, dass sie aufgehört haben, zu erzählen“, sagt Kvaal. Er aber war nicht auf eine schnelle Geschichte aus, sondern verbrachte Zeit mit ihnen. Ein Bewohner half dabei, Kontakt zu anderen zu bekommen. Also konnte der Journalist Ola Vikås einige für das Buch interviewen, Kvaal fotografierte die Porträts dazu. Auf besonders verrückte Menschen traf er dabei nicht.

„Was war das?“, fragt die Zeitung „Adresseavisen“ 1982 nach einer angeblichen UFO-Sichtung

„Es ging mir auch selbst nie darum, irgendetwas zu beweisen oder zu entkräften“, sagt der Fotograf. Stattdessen habe er die Atmosphäre im Tal einfangen wollen. Und so finden sich unter seinen vielen Bildern auch welche der Landschaft, der Häuser, der Straßenschilder bei Nacht. Aufnahmen des Alltäglichen, so still, dass sie schon wieder etwas Mystisches haben.

Dabei reicht sein Interesse über den Ort hinaus. „Es geht um die menschliche Suche nach dem Unbekannten, dem Jenseitigen“, sagt Ivar Kvaal, „und Hess­dalen ist nur der Ort, an den ich dafür gegangen bin.“ Selbst gesehen hat er die mysteriösen Lichter dort übrigens nie.

Ivar Kvaal: „Hessdalen“. Zu bestellen auf www.journal-photobooks.com, ca. 35 Euro.

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