piwik no script img

Angriffe auf Politiker in DeutschlandWeiterhin rechtsradikale Bedrohung

Im vergangenen Jahr gab es mehr als 180 Angriffe auf Politiker – nur aufgrund von deren Asylpolitik. Das BKA warnt vor weiteren Gewalttaten.

Der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, auf einer Pressekonferenz nach dem Attentat Foto: dpa

Berlin taz | Andreas Hollstein meinte, es überstanden zu haben. Die Attacke vom November, als ein Mitbürger dem CDU-Bürgermeister im nordrhein-westfälischen Altena eine liberale Asylpolitik vorwarf und ihn unvermittelt mit einem Messer angriff. Hollstein nahm schon kurz darauf seine Amtsgeschäfte wieder auf. Dann kam im Dezember ein Hörsturz. So leicht stecke man solch einen Angriff wohl doch nicht weg, sagt Hollstein heute. Inzwischen aber gehe er wieder „normal“ seiner Politik nach.

Der Angriff auf Hollstein war kein Einzelfall, wie nun ein interner Lagebericht des Bundeskriminalamtes zeigt, den die taz einsehen konnte. Demnach gab es im vergangenen Jahr bundesweit 183 Straftaten gegen Politiker, die ein asylfeindliches Motiv hatten. Nur vier davon waren allerdings Gewalttaten, 35 Delikte hingegen Sachbeschädigungen, 60 Volksverhetzungen, der Rest andere Straftaten.

Das BKA gibt keine Entwarnung: In der Flüchtlingsdebatte sei „kein Ende der Agitation der rechten Szene abzusehen“, heißt es in dem Lagebericht. Auch sei in diesem Feld „ein intensiviertes verbalradikales Vorgehen der rechten Szene zum Nachteil von politischen Führungsfiguren und Amtsträgern festzustellen“. Dies könne zu weiteren Gewaltstraftaten führen, in Einzelfällen sei „auch mit Tötungsdelikten zu rechnen“.

Schon im Oktober 2015 war in Köln die Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker von einem Rechtsextremen mit einem Messer attackiert und schwer verletzt worden. Auch der Mann nannte als Motiv Rekers Asylpolitik. Angriffe auf Kommunalpolitiker erfolgten ebenso in Freital, Tröglitz, Bocholt, Güstrow und anderswo.

Angriffe auch auf Geflüchtete und Journalisten

Zählt man alle Motive für Straftaten gegen Politiker zusammen, nicht nur die asylpolitischen, gab es im vergangenen Jahr aber einen Rückgang. Bis November 2017 zählte das BKA insgesamt 516 Delikte, elf davon Gewalttaten. Im gesamten Vorjahr 2016 waren es noch 1.841 Straftaten, die Politiker trafen.

Auch die Gewalt gegen Flüchtlinge reißt nicht ab. Demnach gab es im vergangenen Jahr 1.906 Straftaten gegen Asylsuchende, dazu kam 313 Angriffe auf Unterkünfte. Beides weniger als im Vorjahr, als rund 2.400 Straftaten Flüchtlinge trafen und 995 ihre Unterkünfte. Als gefährdet betrachtet das BKA auch weiterhin Heimbetreiber, Flüchtlingshelfer – und Journalisten, falls deren Berichte von Szeneangehörigen als „Angriff“ verstanden würden.

Im Fall von Andreas Hollstein wirft die Staatsanwaltschaft dem Tatverdächtigen versuchten Mord vor. Der Bürgermeister wurde damals am Hals verletzt. Hollstein, der sich in Altena für Flüchtlinge einsetzt, berichtet, dass ihn auch nach der Tat unzählige Hasszuschriften erreichten. „Dadurch habe ich mich viel nachhaltiger bedroht gefühlt, als von dem Messerangriff.“ Dennoch bekräftigt der CDU-Mann: „Meine Politik wird sich nicht ändern. Ich werde meine Grundsätze nicht verraten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Pah der schwerverletzte SPD Bürgermeister mit der 15 cm langen Schnittwunde, die mit einem 5 cm Pflaster versorgt wurde :). Der Täter war übrigens mit seiner Stromversorgung nicht zufrieden - könnt Ihr natürlich nicht wissen.

    Und mitschreiben darf ich auch nicht weil ich nicht taz konform denke und schreibe - oder?

  • Sorry, aber gerade die Geschichte mit dem Bürgermeister von Altena hat nicht das geringste mit "Rechts" zu tun

    • @Karl Knerzje:

      wenn jemand wegen asylfreundlicher Politik angegriffen wird, hat das nichts mit "rechts" zu tun? Das müssen Sie bitte mal erklären...

    • @Karl Knerzje:

      ....ausser einem „asylfeindlichen Motiv“.

  • Wenn sog. "rechte" Politiker angegriffen, ihre Häuser beschmiert, ihre Fenster eingeworfen, ihre Autos abgefackelt werden, dann ist die taz deutlich unaufgeregter. Da wird dann der "Widerstand" gegen die "braune Pest" durch die sog. Antifa als staatsbürgerliche Notwendigkeit abgefeiert. Das nenne ich Doppelmoral.

    • @Hartwig Lein:

      Die Leute sind keine Opfer aber es ist natürlich falsch sie zu Opfern zu machen.

       

      Den Leuten wird halt gesagt wen sie zu hassen haben, und dann passiert was. Besser wäre feindfreie Politik, aber dann müssten wir ja alle "Christen" werden.

  • GroKo - gefühlte Sicherheit.

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Angriffe auf Politiker sind nicht unbedingt nur rechts besetzt. Hier bitte, trotz der Tatsache dass die Taz links ist, oder gerade deswegen, ein bißchen mehr Realismus. Diese Attacken gibt's auch von unserer Seite.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      Wann ist zuletzt ein rechter Politiker ernsthaft verletzt worden von einem politischen Gegner? (Ich mein jetzt nicht Sachbeschädigung oder aufgebauschte verbale "Bedrohung")

      • 9G
        97796 (Profil gelöscht)
        @Artur Möff:

        Aufgebauscht. Nettes Wort. Und wie nennt man jemanden mit einer brutalen Messerverletzung am Hals, der nach 1Stunde das Krankenhaus verlässt? Da hab ich mich schon schlimmer beim Rasieren verletzt.

  • Wann wird endlich etwas gegen den braunen Mob getan?

    Mittlerweile werden sogar schon Migranten rechts, siehe Russlanddeutsche oder Serge Menga.

     

    Der Staat darf sich das nicht länger bieten lassen.

     

    Warum man jemanden angreift, der anderen Menschen hilft, wird mir unbegreiflich bleiben

    • @Nobodys Hero:

      Warum sollte sich das der Staat nicht weiter bieten lassen? Der Staat hat Vorteile davon wenn der Rechtsradikalismus erstarkt es gibt für ihn also keinen Grund einzugreifen.

      • @Oskar:

        Gut, daß für die Union der Feind immer links ist, ist klar, aber ich verstehe nicht, warum der Staat etwas von Rechtsradikalismus hat. Es sollte doch im ureigensten Interesse liegen, dagegen vorzugehen mit aller Härte.

         

        Ich will ihre Aussage nicht in frage stellen, aber würde es gerne verstehen...

    • @Nobodys Hero:

      Wie die CDU es doch zuletzt wieder klarstellte, der Feind steht eigentlich links.

      • @Uranus:

        Ja, echt traurig. Die meinen das nämlich ernst! Oo