Angriffe auf Politiker in Deutschland: Weiterhin rechtsradikale Bedrohung
Im vergangenen Jahr gab es mehr als 180 Angriffe auf Politiker – nur aufgrund von deren Asylpolitik. Das BKA warnt vor weiteren Gewalttaten.
Der Angriff auf Hollstein war kein Einzelfall, wie nun ein interner Lagebericht des Bundeskriminalamtes zeigt, den die taz einsehen konnte. Demnach gab es im vergangenen Jahr bundesweit 183 Straftaten gegen Politiker, die ein asylfeindliches Motiv hatten. Nur vier davon waren allerdings Gewalttaten, 35 Delikte hingegen Sachbeschädigungen, 60 Volksverhetzungen, der Rest andere Straftaten.
Das BKA gibt keine Entwarnung: In der Flüchtlingsdebatte sei „kein Ende der Agitation der rechten Szene abzusehen“, heißt es in dem Lagebericht. Auch sei in diesem Feld „ein intensiviertes verbalradikales Vorgehen der rechten Szene zum Nachteil von politischen Führungsfiguren und Amtsträgern festzustellen“. Dies könne zu weiteren Gewaltstraftaten führen, in Einzelfällen sei „auch mit Tötungsdelikten zu rechnen“.
Schon im Oktober 2015 war in Köln die Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker von einem Rechtsextremen mit einem Messer attackiert und schwer verletzt worden. Auch der Mann nannte als Motiv Rekers Asylpolitik. Angriffe auf Kommunalpolitiker erfolgten ebenso in Freital, Tröglitz, Bocholt, Güstrow und anderswo.
Angriffe auch auf Geflüchtete und Journalisten
Zählt man alle Motive für Straftaten gegen Politiker zusammen, nicht nur die asylpolitischen, gab es im vergangenen Jahr aber einen Rückgang. Bis November 2017 zählte das BKA insgesamt 516 Delikte, elf davon Gewalttaten. Im gesamten Vorjahr 2016 waren es noch 1.841 Straftaten, die Politiker trafen.
Auch die Gewalt gegen Flüchtlinge reißt nicht ab. Demnach gab es im vergangenen Jahr 1.906 Straftaten gegen Asylsuchende, dazu kam 313 Angriffe auf Unterkünfte. Beides weniger als im Vorjahr, als rund 2.400 Straftaten Flüchtlinge trafen und 995 ihre Unterkünfte. Als gefährdet betrachtet das BKA auch weiterhin Heimbetreiber, Flüchtlingshelfer – und Journalisten, falls deren Berichte von Szeneangehörigen als „Angriff“ verstanden würden.
Im Fall von Andreas Hollstein wirft die Staatsanwaltschaft dem Tatverdächtigen versuchten Mord vor. Der Bürgermeister wurde damals am Hals verletzt. Hollstein, der sich in Altena für Flüchtlinge einsetzt, berichtet, dass ihn auch nach der Tat unzählige Hasszuschriften erreichten. „Dadurch habe ich mich viel nachhaltiger bedroht gefühlt, als von dem Messerangriff.“ Dennoch bekräftigt der CDU-Mann: „Meine Politik wird sich nicht ändern. Ich werde meine Grundsätze nicht verraten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“