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Petition der WocheMit Extra-Schaf?

Schafhalter in Deutschland erhalten Förderung nur für die beweidete Fläche. Eine Petition will die Unterstützung an der Zahl der Muttertiere orientieren.

Die Haltung von Schafen ist kein sonderlich profitträchtiges Unterfangen Foto: dpa

Im Hintergrund kläfft sein Hund, während Sven de Vries ins Telefon sagt: „Irgendwann steht man da und weiß weder ein noch aus.“ De Vries ist einer der wenigen Wanderschäfer in Deutschland und mit 36 Jahren einer der jüngsten. Derzeit ist er mit seinen 750 Schafen unterwegs. Jetzt im Winter in der Nähe von Bad Wurzach, im Sommer ist er mit „seinen Mädels“, wie er die Schafe nennt, auf der Schwäbischen Alb.

Tags zuvor hat de Vries eine Petition gestartet, er fordert eine Weidetierprämie, eine Direktzahlung aus der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, die jeder Schäfer pro Muttertier in seiner Herde erhalten soll. In 22 EU-Ländern gibt es diese. In Deutschland nicht. Seine Petition versieht er mit dem Hashtag #SchäfereiRetten.

Gleich am ersten Tag haben über 1.000 Menschen die Petition, die fordert, dass die Schäfer angemessen finanziell unterstützt werden, unterschrieben; eine Woche später sind es mehr als 23.000. „Es heißt hopp oder topp – entweder wir haben Schäfer oder wir haben keine“, meint de Vries.

Wer heute Schäfer ist, ist es vor allem aus Idealismus und weil er die Kulturlandschaft erhalten will. Finanziell aber geht es den Schäfern schlecht – das schildert zumindest de Vries: hohe Arbeitsbelastung, viel Verantwortung, zunehmende Bürokratie und immer wieder Geldsorgen. Nachwuchs fehlt auch. „Ich muss mir nur den Fuß brechen, dann würde ich niemanden finden, der sich um meine Mädels kümmert.“

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Belastend ist für ihn auch, dass 60 Prozent seiner Einnahmen auf „irrsinnig wackeligen Füßen“ stehen. Damit meint er die Landschaftspflegegelder aus dem Agrarhaushalt. Diese reichten nicht aus und unterlägen einem komplizierten bürokratischen Regelwerk, das für Schäfer schwer einzuhalten sei. Nur 40 Prozent von de Vries’ Einnahmen kommen aus dem Verkauf von Lammfleisch.

Die Weidetierprämie wäre hingegen eine sichere zusätzliche Einnahmequelle. 38 Euro fordert der Bundesverband Berufsschäfer pro Muttertier. Diese würde nicht alle Probleme der Schäfer lösen, sondern wäre vor allem ein „Hoffnungssignal an die Betriebe“, meint Andreas Schenk vom Bundesverband.

Wenn es keine Schäfer mehr gibt, hat das Folgen: Die Artenvielfalt würde ohne die Schafe abnehmen. Nur durch das selektive Fressen der Schafe kann der typische Charakter der Schwäbischen Alb mit ihren Wacholderheiden, können die Deichlandschaft im Norden oder die Lüneburger Heide erhalten bleiben.

Die Einführung der Weidetierprämie sei nicht vorgesehen, meint das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf Nachfrage: „Gekoppelte Direktzahlungen stehen im Widerspruch zu der angestrebten Marktorientierung der Landwirtschaft und führen zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten.“ Seit 2005 erhalten die Schafhalter in Deutschland Förderung nur noch für die beweidete Fläche. Der Konflikt ist klar: Auf der einen Seite marktorientierte Landwirtschaft, auf der anderen eine landwirtschaftliche Tierhaltung, die im Einklang mit der Kulturlandschaft steht.

Die „insulare deutsche Sonderstellung“ kritisiert Schenk vom Bundesverband Berufsschäfer. Für eine Weidetierprämie wollen sie am 13. März in Berlin demonstrieren. Sie wollen ein Zeichen setzen vor der Agrarministerkonferenz, die im April stattfindet.

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