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Informationen zu AbtreibungenCDU plädiert für Paragrafen 219a

SPD, Linke, Grüne und FDP wollen Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen legalisieren. Die CDU sieht jedoch keinen Änderungsbedarf.

Die CDU-Generalsekretärin versteht die Aufregung nicht und will den § 219a behalten Foto: dpa

Berlin taz | „Ich bin deutlich über hundert Kilometer für die Abtreibung gefahren.“ Die junge Frau, die das berichtet, hat in einer Beratungsstelle des katholischen Trägers Donum Vitae auch auf Nachfrage keine Adressen von Ärzt*innen bekommen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Weil sie anonym bleiben möchte, steht ihr Name nicht in diesem Artikel.

Die Beratungsstelle habe ihr gesagt, sie solle beim Arzt fragen. Auch der habe ihr keine Antwort gegeben. Am Ende habe sie gegoogelt – und nur die Adresse der Gießener Ärztin Kristina Hänel im Netz gefunden. „Inzwischen weiß ich, dass es auch näher an meinem Wohnort einen Arzt gegeben hätte“, sagt die Frau. „Aber das hat mir niemand gesagt, als ich diese Information brauchte.“

Von einem Informationsdefizit könne keine Rede sein, heißt es derweil in einem Schreiben, das CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer gerade an alle Mandats- und Funktionsträger ihrer Partei verschickt hat. Frauen werde in der Pflichtberatung mitgeteilt, wo der Eingriff vorgenommen werden könne.

Tatsächlich zeigt eine aktuelle Recherche der taz, dass auch die Beratungsstellen über keinen lückenlosen Überblick verfügen. „Die Beratungsstellen bemühen sich um die Informationen, doch das ist sehr aufwendig“, sagt Regine Wlassitschau vom Pro-Familia-Bundesverband. „Wenn unsere Beratungsstellen über Adressen verfügen, geben sie diese wohl auch heraus“, sagt Rita Waschbüch, Vorsitzende des katholischen Trägers Donum Vitae. Die Recherche nach Ärzt*innen, die Abtreibungen machen, sei aber nicht Teil des gesetzlichen Beratungsauftrags.

Änderung wahrscheinlich

Nicht zuletzt Paragraf 219a, das Verbot der „Werbung“ für Abtreibungen, mache es Beratungsstellen schwer, an diese Information zu kommen, sagt Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. „Nicht nur ungewollt Schwangere haben ein Informationsdefizit, sondern offensichtlich auch die Union, die vor dieser Realität die Augen verschließt.“

Dass der Paragraf 219a in seiner jetzigen Form nicht bestehen bleibt, wird immer wahrscheinlicher. Das hat die Union inzwischen offenbar akzeptiert – wenn auch unter lautem Gemurre. Der Paragraf verbietet nicht nur Werbung, sondern auch, wenn eine Ärztin oder ein Arzt lediglich öffentlich darüber informiert, Abtreibungen durchzuführen. Die Ärztin Kristina Hänel wurde deswegen im November zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Auf ihrer Webseite steht, dass sie Schwangerschaftsabbrüche macht. Hänel hat Berufung eingelegt. SPD, Linke und Grüne fordern eine Streichung des Paragrafen, die FDP will ihn modifizieren.

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„Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird es keine Unterstützung geben“, heißt es in Kramp-Karrenbauers Schreiben. Anders sieht das beim Koalitionspartner SPD aus. Bereits im Dezember hatte die Fraktion einstimmig einen Gesetzentwurf zur Streichung beschlossen, ihn dann aber aus Rücksicht auf die Union nicht eingebracht. So wurde Ende Februar im Bundestag ausschließlich über die Anträge von Grünen, FDP und Linken diskutiert.

Vergangenen Freitag hatte die SPD ihren Antrag dann doch eingebracht – in Absprache mit der Union und noch vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags. In einem Gespräch mit Andrea Nahles gab Volker Kauder dem Anliegen der SPD nach. Jetzt könne man auf der Basis von vier Fraktionsentwürfen und unabhängig von der künftigen Regierungskonstellation in das weitere Verfahren gehen, erklärte Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD.

Derzeit diskutieren SPD, Grüne, Linke und FDP, wie ein gemeinsamer Antrag aussehen könnte. Ein Kompromiss scheint gar nicht so unwahrscheinlich. Die FDP schlägt vor, nur noch grob anstößige Werbung oder solche für strafbare Abtreibungen verbieten. Grüne und Linke wiederum beharren darauf, dass der Paragraf nichts im Strafrecht zu suchen habe. Falls die Fraktionen sich einigen können, den Vorschlag der FDP als Ordnungswidrigkeit statt als Straftat einzuführen, stünde einer Mehrheit nichts mehr im Wege.

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12 Kommentare

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  • Ich sehe auch keinen Bedarf an einer Änderung. Die Informationen wo ich abtreiben kann kann ich doch auch über die Krankenkasse bekommen.

     

    Auf Werbeanzeigen wie "Eine Abtreibung und 50 % Rabat bei der nächsten" oder "Stress mit den Mann, treiben sie noch heute sein Kind ab, nur 800 €" kann ich dankend verzichten.

    • @Katarina G:

      Es wurde ja schon ausführlich berichtet das es genau diese Information für die Betroffenen in den seltensten Fällen gibt: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5487589&s=abtreibung/

       

      D.h. wenn es offizielle Information gibt ist diese bestenfalls politisch, fanatisch religiös geprägt und unvollständig. Freie, offene Informationen unterdrücken dabei die gleichen Kräfte durch solch ein repressives Gesetz.

       

      Leben wir in einem Gottestaat?

      • @danny schneider:

        Wir leben in keinem Gottesstaat, nicht mal in Ansätzen.

         

        Sollte es bei der Informationsübertragung Probleme geben so kann man dort ja im Einzelfall nachbessern, aber die Probleme aus dem Artikel kann ich so aus Erfahrungen in meinem Umfeld so nicht nachvollziehen.

         

        Bei der Schwangerschaft einer Bekannten von mir gab es medizinische Probleme so das eine Abtreibung zwingend notwendig wurde. Probleme bei der Beratung gab es nicht, sie wurde sogar sehr gut informiert. Aufgrund des medizinischen Problem musste die Gebärmutter ebenfalls entfernt werden.

         

        Beratungsprobleme gab es lediglich bei den psychologischen Folgen des leider für ihr überleben notwendigen Eingriffes. Sie hatte sich sehr auf das Kind gefreut und mit 22 stand nun fest das sie niemals Kinder wird haben können.

         

        Sie brach ihr Studium ab, lebt sei dem von Harz 4. Auf eine psychologische Hilfe nach dieses Eingriff wartet sie bis heute vergebens.

         

        Aber ich sehe nicht was eine Aufhebung des Werbeverbots ihr bringen soll.

        • @Katarina G:

          Es geht ja nicht um die Aufhebung eines Werbeverbots - wobei selbst das Schwachsinn ist: heute Abtreibungen 20% billiger,... heute 2 zum Preis von einer... schon mal an daran gedacht was so ein Kind kostet? - einfach unsere Abtreibungszelle nutzen, und genug Geld für n paar neue Schuhe bleiben auch noch übrig.

           

          Nein, es geht darum das Gesetz soweit zu ändern das NORMALE Information vermittelt werden darf, und ja auch, wer die Kosten trägt oder was es halt kostet. Preislisten sind keine Werbung.

  • Aber Nein, nicht aufregen.

    Es geht doch gar nicht ums Thema. Es geht ums Prinzip.

    nach dem Verlust von fossiler Energie, Atomenergie, Wehrpflicht, Ehe für Alle, Mindestlohn. Die CDU sieht das Problem das ihr rechtskonseratives Profil verloren geht. Und jetzt ein Gesetz zum Thema Abtreibung.

     

    Es ist ganz einfach. Aus Gründen der Eigenwerbung hat das Annegret klar erkannt: hier ist die rote Linie über die man nicht springen kann. nur so kann man das ach so christliche Weltbild wieder etwas aufpolieren.

     

    Es geht nicht um die Frauen, den Bürger, um echte Probleme. Ist reine Symbolpolitik, Taktik, eine Notwendigkeit. Wie soll man sonst gegen die AFD Punkten?

    • @danny schneider:

      Was hat Artreibung bitte mit der Kennenergie, fossilen Energieträgern, der Wehrpflicht oder dem Mindestlohn zu tun? Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht mal in Ansätzen.

      • @Katarina G:

        ???

         

        das nennt sich konservative Werte

  • Konservative und katholische, die Garanten für ein undemokratisches, Frauen- und Menschenverachtendes Deutschland. Am schlimmsten nach dem Klerus sind aber immer noch die Frauen, welche dieses Treiben auch noch unterstützten, um davon abzulenken, dass sie selbst immer zu feige oder karriereorientiert, waren, den grauen Eminenzen klar ihre Grenzen aufzuzeigen. Auch AKK versteckt sich hinter den sogenannten christlichen Grundwerten. Mädels aufgepasst, sie ist zwar von der Bauart her eine Frau, aber deshalb nicht per se auf eurer Seite!

    • @Weidle Stefan:

      Weshalb ist es für Sie undemokratisch, eine andere Meinung zu vertreten?

       

      Die Abtreibungsgegner würden übrigens sagen, dass Ihre Position "menschenverachtend".

       

      Weshalb sprechen Sie den Frauen, die gegen Abtreibungen sind, Ihre Werte ab und beschreiben sie in negativer Weise als feige oder karriereorientiert? Aus meiner Sicht ist genau das frauenverachtend.

      • @rero:

        undemokratisch ist wenn ein Parteivorstand bestimmt was Frauen dürfen um aus Wahl taktischen Gründen einen "konservativen Wert" zu "schützen"

         

        Niemand spricht Abtreibungsgegnerinen ab so viel zu gebären wie sie wollen, aber warum müssen alle so leben wie diese Fanatiker?

  • Hallo CDU, etwas mehr Demokratie bitte und hallo SPD etwas mehr Mut bitte. Denkt doch an die angestrebte Erneuerung eurer Partei, dieses Gesetz nicht einzubringen wäre ein schlechter Beginn. Und es geht doch in diesem Fall um Informationen für Menschen in Not und nicht um irreführende Werbung wie sonst so oft, über die unsere Lobby gesteuerte Politik sich nie entrüstet.

  • Mir scheint, es wird allerhöchste Zeit für eine glasklare Definition von Information und Werbung, damit auch die Gerichte eine Richtschnur an der Hand haben und die Kläger und Beklagten nicht auf irgendwelche Auslegungen nach Weltanschauung und Glauben der Rechtsprechung angewiesen sind.

     

    Und wenn oder solange sich auf der Ebene nichts tut, sei den Betroffenen nur geraten, sich direkt schriftlich an Frau Krampf-Karrenbauer zu wenden mit der termingebundenen Bitte um Nennung einer diesbezüglichen Adresse mangels Auskunft. Dieser Ball muss unbedingt zurück ins Feld der Politik gegeben werden.