G20-Einsatzleiter wird Schutzpolizei-Chef: Harter Hund in neuer Funktion
Hartmut Dudde, der den Gesamteinsatz der Polizei beim G20-Gipfel geleitet hat, ist zum neuen Chef der Schutzpolizei ernannt worden.
Der Grund sei eine Zentralisierung der Schutzpolizei, die formal bislang in mehrere Bereiche gegliedert wäre, sagt Polizeipräsident Ralf Meyer. Künftig seien Dudde die Direktion „Polizeikommissariate und Verkehr“ und damit alle Kräfte in den Stadtteilen, und die Direktion „Einsatz“ unterstellt, zu der die Landesbereitschaftspolizei mit ihren Hundertschaften sowie die Einsatzzüge der Direktionen gehören. Zu letzterem Bereich gehören auch die Reiterstaffel, die Diensthunde, die Hubschrauberstaffel, der Lagedienst und der Objektschutz.
„Diese beiden großen Bereiche wollen wir zusammenbringen und unter eine Führung stellen“, sagt Polizeipräsident Ralf Meyer. „Ziel der Umstrukturierung ist es, klarere Strukturen zu schaffen, Doppelarbeit zu vermeiden, Synergien zu erzielen und die Effizienz der Schutzpolizei zu erhöhen.“ Doch was jetzt als Ausweitung der Machtbefugnisse erscheint, ist wohl in Wahrheit nur der Versuch, eine neue adäquate Verwendung für den Hardliner nach dem G20-Gipfel zu finden.
Denn wenn die Tätigkeit eines ranghohen Polizeibeamten entfällt, in diesem Fall: weil der G20-Gipfel seit acht Monaten vorbei ist, muss für ihn – wenn er nicht wegen Verfehlungen suspendiert werden kann – eine gleichwertige Tätigkeit in der entsprechenden Besoldungskategorie geschaffen werden. Dem entspricht offenbar die Position des Leiters der Schutzpolizei.
Über Macht verfügte Dudde allerdings schon, seit er 2012 vom damaligen Innensenator Michael Neumann (SPD) zum Gesamteinsatzleiter der Hamburger Polizei mit eigenem Platz im Präsidium befördert wurde und somit über weitreichende Kompetenzen für die Strategie der Polizei verfügte.
Polizeipräsident Ralf Meyer – der bis 2010 Polizeipressesprecher war – und Hartmut Dudde, der 2005 Leiter der Bereitschaftspolizei wurde, gelten als enge Vertraute, die unter dem rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill Anfang der 2000er-Jahre Karriere machten.
In der Zeit brachte Dudde sein demonstrationsfeindliches Verhalten den Ruf des „harten Hundes“ ein. Mehrfach erklärte das Verwaltungsgericht von Dudde verfügte Demonstrationsauflösungen für rechtswidrig.
Mit seiner Einsatz-Philosophie prägte er bundesweit den Begriff der „Hamburger Linie“. Gemeint ist damit ein enormer Personalaufwand bei Demonstrationen und beim kleinsten Anlass: Wasserwerfer oder schweres Gerät. 2007 etwa musste eine Großdemonstration gegen Repression vorzeitig enden, weil Dudde den Marsch von behelmten Polizisten in Dreierreihen begleiten ließ und den „Wanderkessel“ mehrfach stoppte, weil Seitentransparente mehr als 1,50 Meter lang waren. Alles rechtswidrig, urteilte das Verwaltungsgericht.
Duddes Einsätze enden häufig in Straßenschlachten
Auch beim Protest zum Erhalt des Autonomen Zentrums Rote Flora am 21. Dezember 2013 war Dudde vor Ort. Vor seinen Augen griffen Polizeieinheiten den genehmigten Marsch nach ein paar Metern an, es endete in einer Straßenschlacht. 2015 quittierte die Leitung der Bereitschaftspolizei den Dienst, weil sie von Dudde als Gesamteinsatzleiter genötigt worden war, einen NPD-Lautsprecherwagen trotz freier Wege mitten durch eine Gegendemo zu lotsen, was zu Ausschreitungen führte.
Als G20-Gesamteinsatzleiter sorgte Dudde dafür, dass die autonome „G20 – Welcome to Hell“-Demo am Vorabend des Präsidentengipfels im vergangenen Juli trotz Genehmigung wegen einiger vermummter Demonstranten nach wenigen Metern angegriffen und aufgelöst wurde.
Tags darauf hingegen ließ Dudde Krawalle und Plünderungen über mehrere Stunden im Schanzenviertel zu, weil er angeblich einen Hinterhalt der autonomen Szene von den Dächern am Neuen Pferdemarkt vermutete. Dabei hatte er bei den Schanzenfesten in den vergangenen Jahren immer wieder proben lassen, wie die Polizei bei Ausschreitungen das Schanzenviertel stürmen kann, ohne vom Neuen Pferdemarkt anrücken zu müssen.
Auch die Ausschreitungen am ersten G20-Tag am Rodenbarg, bei denen viele DemonstrantInnen von BundespolizistInnen verletzt wurden, zeichnen die Handschrift des Hardliners, an dessen Kurs die Polizeiführung offenbar festhalten möchte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“