Nina Apin über das Jameda-Urteil: Nicht gerecht, aber zumutbar
Bewertungsportale im Internet kommen gern betont sachlich daher. Doch nicht selten werden unter dem Mantel einer vorgeblich neutralen Beurteilung von Dienstleistungen subjektive Befindlichkeiten ausgebreitet. Da kann sich das Restaurant noch so sehr bemühen, die Hautärztin noch so hervorragende Arbeit leisten – hat dem Gast die Sauce nicht gemundet oder ging die Neurodermitis nicht sofort weg: Zack, hagelt es eine Meckerbewertung. Der Ton der oft anonym vorgetragenen Kritik ist dabei oft rauer als im echten Leben. Zudem stehen die Bewertungen ewig im Netz.
Ist das gerecht? Nein, aber zumutbar. So kann man das Urteil des Bundesgerichtshofs im Fall einer Hautärztin lesen, die aus dem Vergleichsportal Jameda gelöscht werden wollte. In einer Demokratie mit Internet, die nun einmal davon lebt, dass Hinz und Kunz zu allem ihre Meinung sagen dürfen, müssen es sich eben nicht nur Restaurantbesitzer, sondern auch niedergelassene Ärztinnen gefallen lassen, wenn Patientinnen von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen. Und auch wenn dieses Recht hin und wieder dazu benutzt wird, einen Konkurrenten plattzumachen oder einfach nur zu stänkern – man kann es den Leuten nicht mehr nehmen.
Aber, auch das ist Demokratie, man muss sich nicht alles gefallen lassen. Dass Jameda das Profil der Ärztin jetzt trotzdem entfernen muss, liegt daran, dass auch Vergleichsportale die Meinungsfreiheit im Internet missbrauchen. Da wird dann zwischen zahlenden Kunden unterschieden, die sich die Präsentation etwas kosten lassen – und dafür freundliche Auftritte bekommen. Und zwischen denen, die gratis gelistet werden und dafür schlechte Werbung erdulden müssen.
Wer selbst keine Neutralität wahrt, der braucht nicht von Meinungsfreiheit zu tönen. Schlimm, dass Gerichte in Einzelentscheidungen für ein Minimum an Fairness sorgen müssen. Aber gut, dass sie es tun. Sonst würden wir die Welt nur noch durch die Augen gekaufter Meckertrolle sehen.
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