Zahl der ausreisepflichtigen Flüchtlinge: Kein Verlass auf McKinsey
Neue Zahlen der Bundesregierung zeigen: Die Zahl der ausreisepflichtigen Menschen liegt mit 228.000 nur halb so hoch wie prognostiziert.
Berlin taz | Die Zahl der ausreisepflichtigen Personen in Deutschland liegt weit niedriger als vor einem Jahr prognostiziert. Zum Jahresende 2017 waren im Ausländerzentralregister (AZK) 228.859 Personen als „ausreisepflichtig“ vermerkt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervor, die der taz vorliegt.
Vor einem Jahr hatte die Beraterfirma McKinsey im Auftrag der Bundesregierung noch errechnet, dass die Zahl der Ausreisepflichtigen bis Ende 2017 auf „mindestens 485.000“ ansteigen würde – und empfahl der Bundesregierung 14 Maßnahmen für eine „konsequentere Rückführung“.
Und anderem: den Druck auf AsylbewerberInnen erhöhen, deren Antrag abgelehnt worden sei. Effiziente „Abschiebungshaft- und Gewahrsamsanstalten“ einrichten. Und das Geld für Geduldete kürzen, um die „freiwillige“ Ausreise zu fördern.
Kurz darauf erklärte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Rückführungen von AsylbewerberInnen zur „nationalen Kraftanstrengung“ und legte zusammen mit den Ländern ein 16-Punkte-Plan vor, um die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen. Tatsächlich zeigte er kaum Wirkung. Die Zahl der Abschiebungen hat sich nicht erhöht, sondern lag mit 24.000 noch unter der des Vorjahres.
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Ein Grund für die falsche McKinsey-Prognose ist deshalb neben der gesunkenen Zuwanderung wohl, dass Asylbewerber verstärkt gegen Ablehnungsbescheide klagen und diese somit nicht rechtskräftig sind.
Dennoch ärgert sich die Linkspartei über die McKinsey-Prognose. „Es ist dramatisch, dass mit diesen absurd falschen Zahlen und Berechnungen eine zutiefst unmenschliche Politik begründet wurde“, so die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke. Zumal von den ausreisepflichtigen Personen 166.000 eine Duldung besitzen. Bei ihnen steht gar keine Abschiebung an.
Leser*innenkommentare
Velofisch
Wir nehmen die Leute auf und halten sie in langen Verfahren in einem Schwebezustand. Sicher vor Krieg aber ohne wirkliche Perspektive. Einige integrieren sich, lernen deutsch, einige Ehrenamtliche engagieren sich, um Ausbildungsplätze zu organisieren. Dann mahlen die Mühlen der Bürokratie und es wird abgeschoben. Unabhängig von der Integration und den Perspektiven der Geflüchteten. Im Ergebnis haben wir zwar temporär Schutz geboten aber Lebensperspektiven für teuer Geld geraubt. Wenn wir nichts besseren bieten können, als ein Flüchtlingslager in Jordanien, dann sollten wir auch keine entsprechenden Hoffnungen säen. Umgekehrt sollten wir den Leuten, denen wir eine Bleibe- und Integrationsperspektive bieten können und wollen, das auch konsequent tun und diese dann nicht nach 2-3 Jahren wieder abschieben. Dazu brauchen wir eine offene Diskussion über Flüchtlinge. Diese fand während der "Willkommenskultur" nicht statt, aber diese findet auch heute während der "Abschiebekultur" nicht statt. Populistischer Murks statt gestaltender Demokratie.
TazTiz
Nur 228.859? Abgeschoben werden ja in der Regel nur ein paar Hundert. Dann ist ja alles gut, gelle?
Earendil
24.000 Abschiebungen im Jahr sind also "in der Regel nur ein paar Hundert"? Willkommen in der alternativen Faktenwelt (oder nur Leseschwäche?) der Rechten.
Und abzüglich der Geduldeten bleiben grade noch 63.000 tatsächlich ausreisepflichtige Menschen übrig. Warum Menschen mit offizieller Duldung fortwährend in die Zahl der Ausreisepflichtigen einbezogen werden, ist mir ein Rätsel. Werden hier die Zahlen aus politischer Absicht großgerechnet, wie sie bei den Arbeitslosenstatistiken künstlich kleingerechnet werden?
Nach der kurzen Phase offizieller Willkommenspolitik 2015 haben wir seit fast zwei Jahren eine sich ständig verschärfende flüchtlingsfeindliche Politik, wie sie Trump nicht besser hinkriegen würde. Auch der antsprechende Abschnitt des neuen Koalitionsvertrages könnte zusammenfassend den Titel "Ausländer raus!" tragen. Und obwohl die geschmähten "etablierten Parteien" die Wünsche der um den Volkskörper besorgten Fremdenhasser so gut es geht umsetzen, plärren die weiter rum, solange auch nur ein einziger Nichtarier ihren Monokulti-Firlefanz stört.
Gerhard Krause
M.E. in der Regel haben die unteren Behörden, sie sind an den Sachverhalten nahe dran, in der Regel den obersten Behörden alles Wissenswerte aus der Praxis, inkl. Statistiken, geliefert. Kostenlos.