Kolumne Fast Italien: Auf die harte Tour
Die taz rief und unser Kolumnist kam – zur Lesung nach Berlin. Fast hätte er sich verheiratet, aber er hat schon jemanden, der auf ihn wartet.
Z ugegeben, ich bin ein notorischer Münchenhocker. München zu verlassen kommt einem emotionalen Super-GAU gleich: als ob man der Liebe seines Lebens den Laufpass gäbe. Ich gehe nur weg, wenn ich gerufen werde. Jetzt ruft die taz. Die Kolumnisten sollen lesen.
Verwaist stehe ich in der Raucherzone am Münchner Hauptbahnhof, zünde mir eine Zigarette mit der anderen an. Weiß nicht, wie ich es IHR sagen soll. Und SIE beäugt mich misstrauisch. Schließlich entscheide ich mich für die harte Tour, sage Servus, steige in den Zug, und kurz darauf ist München nur mehr eine schemenhafte Silhouette. Viereinhalb Stunden Fahrt liegen vor mir. Was tun? Die Texte noch mal durchgehen? Eine trockene Angelegenheit. Ich bin mehr fürs Feuchte, gehe ins Bordbistro, trinke unverzüglich. Weil ich an München denke.
Der Redakteur empfängt mich am Bahnsteig. Es regnet. Dem Wetter angepasstes Sightseeing. Zunächst nach Berlin-Mitte in die Z-Bar. Glas für Glas kommen wir uns näher, Berlin und ich. Weiter geht’s nach Kreuzberg, immer ne Pulle zur Hand. Die Hormone tanzen waagerecht. Aber ich will keinen One-Night-Stand. Ich will sie ganz, die herbe Bärin. Flirte auf Teufel komm raus.
Der Redakteur trägt Stiefel
Nach Hause geht’s über eine Wiese, auf der zig Flotten dampfender Hundehaufen kreuzen. In meinen Halbschuhen macht sich eine Wasser-Kot-Mischung breit. Der Redakteur trägt Stiefel, er kennt seine Stadt. In München wäre ein solches Biotop Sperrzone, sage ich.
Am nächsten Abend Lesung in Kreuzberg. Wir sind zu viert. Plus reizender Moderatorin. Wir mühen uns redlich. Applaus, Applaus für unsere Worte. Trinken an der Bar. Jeder redet mit jedem. In München redet jeder von sich. Ich komme ins Grübeln.
Mittags treffe ich den Redakteur im taz-Café. Er isst. Ich trinke Tegernseer, bin ja Tourist. In vier Stunden geht mein Zug. Der Redakteur muss wieder an die Arbeit. Wir herzen uns, ich gehe. Schlendere mit großen Kinderaugen die Friedrichstraße entlang. Trinke da und dort ein Bier, unterhalte mich. Ich bin angekommen. Ich bin da. Und muss gleich wieder weg.
Ich warte an einer Ampel. Hinter mir führt eine Frau ein Telefongespräch. Sie spricht mit Akzent, sagt, einen Deutschen werde sie nie heiraten. Ich drehe mich um. Muss grinsen. Die Frau ist hübsch. Sie lächelt, macht eine entschuldigende Geste. Die Ampel springt auf Grün.
Wir gehen weiter. Sie telefoniert. Ich höre zu. Die Stadt wird zur Kulisse. Rot. Die Frau beendet das Gespräch. Du bist nett, sagt sie. Ich bin Deutscher, sage ich. Beide grinsen wir. Sie muss auch zur S-Bahn-Station Friedrichstraße. Sie gibt mir ihre Nummer, sagt, ich solle sie anrufen, wenn ich wieder in Berlin bin.
Klapprad Schrotti wartet am Münchner Hauptbahnhof. Spürt, dass Gefahr in Verzug ist. Bringt mich in einen Stehausschank. Dort verkrieche ich mich, trinke unverzüglich. Aus Münchenscham. Weil Berlin jetzt meine Geliebte ist.
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